02.09.2013

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Julia Draganovi
ist eine Kuratorin für zeitgenössische Kunst, deren Interesse sich auf neue künstlerische Strategien konzentriert, darunter Kunst im öffentlichen Raum, sozial engagierte Praktiken und neue Medien. Sie hat Ausstellungen in Deutschland, Italien, Spanien, den USA und Taiwan kuratiert. Als Gründungsmitglied des kuratorischen Kollektivs und der Plattform für zeitgenössische Kunst LaRete Art Projects betreut sie den von der gesetzgebenden Versammlung der italienischen Region Emilia-Romagna ausgelobten International Award for Participatory Art.
Berufsbild Kurator*in

"Ein Kurator ist heute faktisch immer auch Kunstmanager"

Julia Draganovic wird ab September neue Leiterin der Kunsthalle Osnabrück. Ein Interview über künstlerische Strategien, Neue Medien, die vermeintliche Provinz und das Selbstverständnis eines Kurators von heute.

Themenreihe Berufsbild

Kulturmanagement Network: Welche neuen kuratorischen Strategien möchten Sie bei Ihrer Arbeit in der Kunsthalle verwirklichen? Welches sind dabei die Grundpfeiler Ihrer inhaltlichen Arbeit, aber auch der Vermittlungsarbeit?
 
Julia Draganovic: Kunst sollte meiner Meinung nach ungesehene Perspektiven aufzeigen. Dazu sind alle künstlerischen Medien in der Lage. auch die sogenannten neuen Medien spielen dabei eine Rolle. Nun war ich bereits in der Jury des European Media Arts Festival in Osnabrück und kann insofern unmittelbar an die Arbeit der vergangenen Jahre anknüpfen. Video und Film interessieren mich deshalb, weil ich mir wünsche, dass Kunst nichts Elitäres bleibt. Sie soll vielmehr den Ausstellungsbesucher abholen. Neue Technologien bieten solche Zugänge gerade für die junge Generation. Das heißt aber lange nicht, dass ich mich nur mit Neuen Medien beschäftige: auch die gewissermaßen klassischen künstlerischen Disziplinen wie Malerei und Skulptur oder Fotografie und Installationen können selbstverständlich neue Sichtweisen eröffnen. Ich habe auch Kunst im öffentlichen Raum, insbesondere sogenannte Interventionen im Sozialen, organisiert. Das werden einige der Bereiche sein, mit denen ich die Kunsthalle weiter zu beleben versuche.
 
KMN: Heißt dass, Sie verstehen die Neuen Medien nicht nur als Kommunikationsinstrument, sondern auch als künstlerische Ausdrucksweise?
 
JD: Ja, aber als eine unter vielen. Für mich als Kuratorin ist wichtig, in Bezug auf den jeweiligen Ort zu arbeiten. Das ist immer dann relativ einfach, wenn man tatsächlich künstlerische Produktion finanzieren und organisieren kann. Wenn das nicht möglich ist, denke ich an thematische Gruppenausstellungen, die Argumente und Themen, die in Osnabrück wichtig sind, aufgreifen und in eine übergreifende Debatte einbinden.
 
KMN: Wie regional und wie international sollte die Kunsthalle Osnabrück aufgestellt sein? Welchen Reiz kann - lassen Sie mich hier etwas polemisch werden - die Provinz Osnabrück für internationale Künstler oder auch Sammler bieten, um bei Ihren Projekten in Zukunft mitzuwirken?
 
JD: Die Provinz Osnabrück ist in gewisser Weise Weltstadt. Sie hat eine ganze Reihe Charakteristika und Institutionen vor Ort, die überregional sehr wichtig sind. Es geht hier z.B. um die Förderung von nachhaltigen Umweltprojekten durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt oder um die Förderung von Friedens- und Demokratieforschung durch die Deutsche Stiftung Friedensforschung Felder, mit denen ich mich selbst auch kuratorisch viel beschäftige. Darüber hinaus ist die Kunsthalle selbst ein sehr anziehender Ort. Es handelt sich ja um eine ehemalige Dominikanerkirche mit angebundenem Kloster, die für Künstler eine positive Herausforderung ist.
 
Im übrigen denke ich, dass wir uns schon lange weit von der Idee entfernt haben, dass große Kunst nur in Berlin, New York oder Tokio gezeigt wird. Bei aller Globalisierung gewinnt doch das Lokale immer mehr an Interesse und Spannung.
 
KMN: Ambitionierte Projekte, gerade in der Kunst, scheitern häufig am Geld. Was ist daher in Anbetracht einer durchaus angespannten Haushaltslage wirklich möglich? Haben Sie vor, ihre finanziellen Spielräume zu erweitern?
 
JD: Natürlich ist die Zielstellung in Osnabrück, auch die finanziellen Spielräume zu erweitern. Neben den städtischen Mitteln, die sicherlich knapp sind, werde ich mich sehr intensiv der Drittmittelfinanzierung widmen. Eine gute Voraussetzung dafür ist, dass es seit etwa zehn Jahren einen Verein der Freunde der Kunsthalle gibt, dessen Mitglieder aktiv mitwirken. Mit dem Verein werde ich natürlich eng zusammenarbeiten, gerade weil er als Verein andere Möglichkeiten der Geldakquise hat als die Stadt. Darüber hinaus bringe ich Gepäck aus über zehn Jahren Wanderschaft mit. Dazu zählen internationale Partner, mit denen ich zusammengearbeitet habe und mit denen ich inhaltliche wie finanzielle Synergien erzeugen möchte.
 
KMN: In den Medien wurde darüber berichtet, dass Ihre Finanzierungskonzepte ein Grund waren, weshalb Sie unter den Bewerbern derart heraustraten.
 
 
JD: Das müssen sie das Auswahlkomitee fragen. Wenn man sieht, was in der Presseerklärung der Stadt steht, hat man schon den Eindruck, dass neben meinen kuratorischen Fähigkeiten auch die Managementkompetenz, wozu ja Fundraising gehört, durchaus eine Rolle gespielt hat.
 
KMN: Sie sprechen Ihre facetten- und umfangreiche Erfahrungen an. Welche sind es, aus denen Sie für Ihre jetzige Herausforderung am meisten schöpfen werden? Inwieweit werden Sie damit in Osnabrück auch Kunstmanagerin sein und nicht mehr nur Kuratorin?
 
JD: Ich werde eingestellt als Leiterin der Kunsthalle und nicht als Chefkuratorin. Das bedeutet, dass ein Großteil meiner Tätigkeit auf das Management konzentriert sein wird. Allerdings dürfte es nur noch wenige Glückliche geben, die sich als Kurator nur kunstwissenschaftlichen oder kunsthistorischen Themen widmen können. Die Tendenz geht überall dahin, dass selbst diejenigen Kuratoren verstaerkt ins Management einbezogen werden, die historische Werkschauen zusammenstellen und nicht in die Produktion involviert sind. Wirtschaftliche und didaktische Kreativitaet fließt fast überall in die Arbeit der Kuratoren mit ein., die ein Selbstverständnis haben, das sich nicht mit dem Produktionsmanagement vermischt wie bei mir, die also Arbeiten für eine Ausstellung zusammenstellen, für gewöhnlich auch von der Institution gefragt werden, welche Finanzierungsmöglichkeiten oder welche didaktischen Programme sie selbst auswählen würden. Ein Kurator ist heute also faktisch immer auch Kunstmanager.
 
KMN: Wie sehen Sie das Zusammenspiel der künstlerischen und administrativen Aufgaben? Geschieht das gleichzeitig, oder kümmert man sich vereinfach gesagt - heute um die Finanzierung und morgen um die Kunst?
 
JD: Ich weiß nicht, ob es Leute gibt, die eine solche Schere im Kopf haben ich jedenfalls habe sie nicht. Auch das Administrative hat seinen Reiz. Insbesondere in einer Zeit knapper Finanzen ist große Kreativität gefragt. Insofern denke ich das Management immer mit und versuche Lösungen zu finden. Oder anders gesagt: das Administrative empfinde ich nicht als Begrenzung meiner Fantasie.
 
KMN: Und die meisten Museumsleiter heute kommen zwar auch der Kunstgeschichte oder den Kulturwissenschaften, haben sich aber nach und nach Management- und Führungskompetenzen erarbeitet.
 
JD: Sicherlich. Es gab aber gerade in den USA eine Zeit, in der man Leitungspositionen in Museen mit Leuten aus der Wirtschaft besetzt hat. Wenn aber Leute aus der Kunstwissenschaft kommen, gehen sie meist mit Leidenschaft ans Werk, um das, was sie in der Kunst sehen, mit dem Publikum teilen zu dürfen. Die Erfahrung zeigt, dass der Willen von Kuratoren, dies administrativ-organisatorisch umzusetzen, viel größer ist, als bei Leistungskräften, die lediglich eine wirtschaftliche Ausbildung genossen haben.
 
Weiterführende Informationen: www.osnabrueck.de/6687.asp
 

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