04.07.2012

Autor*in

Nikolaus Merck
Plattform für Theaterkritiken

Von der Schwierigkeit des Qualitätsjournalismus im Internet

nachtkritik.de wurde vor 5 Jahren gegründet mit dem Ziel, die Vielfalt der Theaterlandschaft und des Meinungsbildes über Inszenierungen sichtbar zu machen. Aktuell läuft eine Spendenkampagne. Wir sprachen mit Nikolaus Merck, einem der Gründer des Portals.
Das Gespräch führte Dirk Heinze.
 
KMN: Herr Merck, Sie rufen gerade mit einer Spendenkampagne zur Unterstützung Ihrer Plattform auf. Zeigt dies nicht, wie wie schwierig es, Qualitätsjournalismus - zumal mit kulturellen Inhalten - im Internet zu betreiben?
 
Merck: Absolut. Finanziell ist es der Ritt auf Messers Schneide. Die Kritiken werden vergleichbar mit den Tarifen einer Regionalzeitung entlohnt. Die RedakteurInnen bekommen ein knappes Honorar für ihre siebenstündigen Redaktionsdienste. Für die Werbeeinnahmen müssen Steuern entrichtet werden, die Werbeagentur erhält Provision, die Steuerberatung der für eine gemeinnützigen GmbH recht komplizierte Steuerberatung muss bezahlt werden. Hinzu kommen kleinere Positionen bis hin zu Sozialleistungen. All dies wird durch die Werbeeinnahmen finanziert. Sie steigen, aber das Geschäft ist schwierig. Wir haben drei Jahre gebraucht, um überhaupt nennenswerte Einnahmen zu generieren. Wir wurden einmalig von der ZEIT-Stiftung gefördert und führen gelegentlich Spendenkampagnen durch. Darüberhinaus leben wir von verzinsten, fristlosen, privaten Darlehen, die, wenn sie fällig werden - was glücklicherweise nicht absehbar ist - zum sofortigen Ende der Seite führen würde.
 
KMN: Müsste man vor diesem Hintergrund nicht Kulturjournalismus gezielt fördern? Oder ist das Sichtbarmachen von Theaterleben und der lebendige Diskurs darüber keine Aufgabe öffentlicher Kulturförderung?
 
Merck: Es gibt den Gedanken von Jürgen Habermas, der meinte, die Qualitätspresse insgesamt müsse subventioniert werden. Sie könne sich in der aktuellen Zeitungskrise, die ja eigentlich eine Anzeigenkrise ist, weil das Werbegeschäft ins Internet abwandert, nicht halten. Nun sind wir selbst im Internet, haben das Geld aber auch nicht. Zumindest bis vor kurzem war es so, dass außer BILD.de und Spiegel online kein einziges Onlinemedium wirklich Gewinne abwirft und die wenigsten kostendeckend arbeiten. Im Ablösungsprozess von Print zu Online sind die neuen Modelle einfach noch nicht gefunden. Niemand weiß, wie mit Qualitätsjournalismus Geld verdient werden kann. Werbung allein reicht meist nicht.
 
Unsere laufende Spendenkampagne ist ein Versuch herauszufinden, wie das geht, ohne die Inhalte selbst kostenpflichtig anzubieten. Bis jetzt haben wir von den avisierten 25.000 Euro immerhin mehr als ein Fünftel über Fundraising generiert. Es gibt andere Modelle wie Crowd-Donation, Crowd-Foundation, es gibt Flattr und ein ähnliches Modell von der TAZ, also lauter Dinge, die wir selbst noch nicht ausprobiert haben und die zum Teil auch nicht für uns geeignet sind. Ich bin in gewisser Weise ahnungslos, was da noch kommt. Wenn in den USA auf einer Plattform ein Rechercheprojekt vorgestellt wird, das von der Crowd finanziert werden soll, ist das ja ein komplizierter Vorgang
 
KMN: und würde Ihnen ja als temporäre Finanzierung nicht reichen.
 
Merck: Sicher. Wir wissen doch alle nicht, wie diese Entwicklungen weitergehen. Doch weil wir kein Leitmedium sind, können wir kaum die erlösende Idee selbst entwickeln, sollten uns also eher umschauen, was andere probieren. Solange das Geld da ist, geht es auf nachtkritik.de weiter. Ist es alle, ist das Unternehmen beendet. Keiner von uns lebt letztendlich davon, den Schaden hätten insofern eher die Leser.
 
 
KMN: Noch sieht es nicht nach einem Ende aus. Vielmehr gibt es sogar neue Plattformen für Online-Kulturkritik wie livekritik.de. Könnte insofern nicht doch solche Internetplattformen langfristig das Feuilleton ablösen?
 
Merck: Wenn man sich Innovationsprünge anderer Medien anschaut, vermute ich, dass Print- und Onlinekritik noch eine geraume Zeit nebeneinander bestehen. Solange keine validen Online-Bezahlmodelle bestehen, wird es sowieso die Printmedien weiter geben. Der SPIEGEL hat sein Onlineangebot jahrelange querfinanziert, und das tut WELT online, Süddeutsche.de oder FAZ.Net auch. Nun haben wir selbst kein Printprodukt und wollen dies auch nicht. Dennoch wird noch in der Realwirtschaft, in der "Holzpresse", das Geld verdient. Die TAZ berichtet, dass die Leserschaft von TAZ.online im Gegensatz zur gleichbleibenden Abonnentenzahl der gedruckten Ausgabe zwar exorbitant, der Ertrag aus den Onlinebeiträgen aber sehr viel langsamer steigt. Daran sieht man, dass auch bei jüngeren Medien es nicht leicht zu bewerkstelligen ist, online Gewinne zu erzielen. Wir stehen doch im Grunde erst am Anfang der Webökonomie. Das Internet ist andererseits ein Ort des ungeheuren Schwachsinns, und man hat größte Schwierigkeit, den Nicht-Schwachsinn herauszufiltern. Noch ist es nicht ein Riesen-Arsenal von Meinungsäußerungen. Ob wir das einmal erleben werden, ob wir selbst diese Zeit haben, ob das Geld bis dahin reicht, das weiß ich nicht. Wir machen einfach weiter.
 
KMN: Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg, auch und gerade zur aktuellen Spendenkampagne. Vielen Dank für die Zeit und Ihre spannenden Ausführungen.
 
 
Im Juli widmet sich das KM Magazin dem Schwerpunktthema "Diskurs". Hier erscheint jener Teil des Interviews mit Nikolaus Merck, indem er auf die spezifische Form der Theaterkritik eingeht, die seit 5 Jahren mit nachtkritik.de realisiert wird. Dabei beantwortet er die Frage, wie Qualität erreicht werden kann und wie scharf veröffentlichte Kritik überhaupt sein darf.
 
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