24.10.2014

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Rückblick ReThinking Management 2014

ReThinking Management ReManage Thinking

Am 16. und 17. Oktober fand an der Karlshochschule International University die Konferenz ReThinking Management statt. Modernes Management bedeutet für die Organisatoren eine Brücke zu bauen zwischen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und Ansätzen aus anderen Wissenschaftsbereichen. Ziel war es, die westlich-kapitalistische Vorstellung guten Managements in Hinblick auf neue Kontexte und Herausforderungen kritisch zu reflektieren. Ein hehres Ziel, das für das Kulturmanagement Vielversprechendes zu bieten hat.
Kulturelle Wissenschaften und das Selbstverständnis von Management

Die Erwartungen von Seiten der Geldgeber und Besucher an Kultureinrichtungen, an den Output und damit das Management von Kultur konzentrieren sich zunehmend auf eine Hand voll Eigenheiten: international zu sein, interkulturell, digital, transparent, nachhaltig. Dahinter stehen vieldimensionale Veränderungen, die Gesellschaft, Alltag, Arbeitswelt, Kultur und Politik gleichermaßen betreffen. Trotzdem bleiben im klassischen Management viele grundlegende Einstellungen unangetastet, obwohl dessen Ausrichtung auf Effizienz, Funktionalität und Gewinn dem historisch-kulturellen Kontext der westlichen Welt entstammt und nicht allgemeingültig ist. Um Management zukunftsfähig zu gestalten, muss man sich dessen bewusst werden und die entsprechenden Rückschlüsse ziehen.

Dafür braucht es die Geistes- und Sozialwissenschaften. Ihre Erkenntnisse werden nur in einem kleinen Teil der Management-Forschung und einem noch kleineren der Praxis miteinander verknüpft. Die auf Management spezialisierte Karlshochschule setzt hier an, in der Ausbildung wie in ihrer jährlichen Konferenz. Das Kulturmanagement steht dabei den Geisteswissenschaften seinem Ursprung nach relativ nahe. Trotzdem ist der Kulturbetrieb oft bemüht, den Standards des klassischen Managements nachzukommen. Damit verspielt es seinen indigenen Vorsprung, das implizite Wissen seiner Inhalte auf seine explizite Ausführung zu übertragen.

Hier zeigt sich ein grundlegender Mangel klassischen Managements: Man bedient sich aus einem vorgefertigten Werkzeugkasten, um messbare Funktionen zu erfüllen: Effizienz, Besucherzahlen, Fördergelder. Solche Funktionen sind abstrakt, sie reduzieren Komplexität bis hin zur Mystifizierung. "The (western) myth of management stays alive even if it messes the whole thing up", fasste Ulrich Gehmann dies in seinem Vortrag bei ReThinking Management zusammen. Management erschafft damit eine künstliche Ideenwelt von Verhalten und Kontrolle, die auf bestmögliche Funktionalität ausgerichtet ist. Damit verpasst es die Chance, das Wissen jedes Unternehmens individuell zu nutzen.

Wie Johan Kolsteeg von der Utrecht University of the Arts in seiner Präsentation aufzeigte, gilt dies auch für das Management von Kulturorganisationen und der Kreativwirtschaft. Es könnte sein Ziel die Balance zwischen künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen viel besser erreichen, wenn es sich dem individuellen Kontext, dessen Akteuren und deren Bedürfnisse öffnen würde. Stattdessen werden sie auf ein strukturanalytisches Gewebe reduziert. Es bedarf als einer neuen Unternehmenskultur mit einem Management grundlegenden Kontextwissens über Zielgruppen, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.

Aufgrund des Trends zu Individualisierung und einer erfüllenden Tätigkeit sowie zunehmender Interkulturalität und Pluralität auch bei Mitarbeitern sind solche Managementbereiche nicht nur für die externen Beziehungen wichtig, sondern vor allem für die interne Unternehmenskultur. Auch hier gewinnen neue Kommunikations- und Interaktionsformen an Bedeutung. Für das Management bedeutet das, den Zweck und das Selbstverständnis einer Organisation auch in den Herzen der Mitarbeiter, ihren Aufgaben und Methoden verankern zu können.

Die Anwendung der Kulturwissenschaften im Kulturmanagement?

Diese Idee ist nicht so idealistisch wie sie klingt, denn sie geht aus den genannten tatsächlichen Veränderungen und neuen Werten hervor. Mit der Erforschung der sogenannten cultural turns haben die Geisteswissenschaften hierfür in den letzten Jahren viele Grundlagen gelegt. Sie sind Grundlage von gleichberechtigter Kommunikation und übergreifendem Verständnis. Wie sich dies anwenden lässt, zeigte Doris Bachmann-Medick in ihrem Vortrag bei ReThinking Management auf. Ihre Thesen in Buchform sind sehr erfolgreich und haben das akademische Management-Verständnis stark beeinflusst. Sie macht deutlich, dass Management alle Bereiche umfasst, die von kulturellen und kommunikativen Eigenheiten beeinflusst werden, sodass die Rücksichtnahme auf diese Eigenheiten mithilfe der cultural turns den Output einer Organisation positiv beeinflusst. Dabei sind diese mehr als ein situativ anwendbarer Werkzeugkasten und können kaum getrennt voneinander betrachtet oder gar angewandt werden:

Der translational turn befasst sich mit den Eigenarten und Möglichkeiten von Sprache und Rhetorik. Grundkenntnisse in diesem Bereich sind wichtig für den Umgang mit Partnern und Mitarbeitern mit verschiedenstem Background, also für das gesamte Organisationsgefüge.
Auch das Studium gesellschaftlich-ritualisierten und individuellen Verhaltens, performative turn, kann das Funktionieren des Beziehungsgeflechts innerhalb und außerhalb einer Organisation verbessern. Eng daran gebunden ist das embodiement, also die Körpersprache. Sie wird im Kulturmanagement gern anhand des Dirigenten versinnbildlicht, wie es auch Dagmar Abfalter in ihrem Vortrag vorstellte. Dieser Bereich geht weit über Rationalität hinaus.
Der interpretive und der pictorial turn erweitern dies auf den Bereich der Kommunikation über Versinnbildlichung, Sinngebung und Bildverständnis. Silke Schmidt zeigte anhand des Beispiels Storytelling auf, wie Metaphern und Geschichten dazu beitragen können, Mitarbeiter wie Kunden positiv auf den Wert und die Ziele eines Unternehmens zu eichen und damit Zusammengehörigkeit und Verständnis zu schaffen. Storytelling wie auch Bildsprachen sind historisches Kulturgut, eignen sich wesentlich besser als rationale Sprache dazu, Gedanken auf den Punkt zu bringen und Ideen anschaulich zu machen.
Der spatial turn schließlich greift das Thema Raum auf und beschäftigt sich damit, wie Arbeitsplätze und umgebungen die Arbeit selbst beeinflussen, sei es in Hinblick auf Lautstärke, Kommunikation oder Kreativität. Mit letzterem Aspekt beschäftigt sich auch das Design Thinking sehr intensiv (das KM Magazin "Wissenschaft" stellt dieses Prinzip vor, ab Seite 27). Entsprechend präsentierte Tobias Klingenmayer Vorstellungen vom Raum als Objekt der Erkenntnis, als Metapher und als Werkzeug für organisationale Veränderungen.

Die cultural turns sind also nicht schlicht neue geisteswissenschaftliche Forschungsthemen. Sie greifen die gesellschaftlichen Trends hin zu besserer Kommunikation, einem veränderten Selbstverständnis als Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Organisation sowie die neuen Werte der Gesellschaft auf und wollen sie durch entsprechende Fragestellungen verstehen und darauf reagieren.

ReManage Thinking

Dafür, dass nicht nur die Wissenschaft Aktuelles erforscht, sondern diese Erkenntnisse auch zurück in Gesellschaft und Wirtschaft transferiert werden, trägt auch diese selbst Verantwortung. Hier liegt jedoch ein Problem, dass sich auch bei Fachtagungen wie ReThinking Management feststellen lässt: Von intensivem Austausch und der Entwicklung neuer Ansätze geprägt, fehlen die Praktiker auch aus dem Kulturmanagement.

Gerade ihr Anliegen sollte es sein, sich neue Modelle anzueignen, um die oft beklagte Hilflosigkeit abzubauen. Entsprechen doch die cultural turns und deren Grundprinzip, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, genau den Inhalten und Lernaspekten von Kultur: Fakten, Zahlen und gegebenes Wissen zu hinterfragen, Zusammenhänge zu verstehen, Verständnis und Toleranz zu lernen. Die Anwendung der Erkenntnisse der Geistes- und Kulturwissenschaften für das Management bietet damit gerade dem Kulturbereich die Chance, die Rückkopplung zwischen kultureller und managerialer Forschung und Anwendung zu verbessern und diese Werte selbst zu verkörpern.

Derzeit ist es noch ein Manko auch das machte ReThinking Management deutlich dass Wirkungsweisen fernab von Zahlen schlecht fassbar sind. Potentielle Unterstützer lassen sich nur auf Basis gefühlter Verbesserungen schlecht überzeugen. Es ist also eine spannende Aufgabe für das Kulturmanagement, auf Basis eines Design-Thinking-Labcharakters entsprechende Tools theoretisch zu entwickeln und in einer Testphase zu prüfen. Dabei ist in kulturmanagerialer Forschung und Praxis auch die Dokumentation von Misserfolgen wichtig, um die übermäßige Produktion von hausinternem Bullshit zu vermeiden, wie es Andre Spicer in Karlsruhe formulierte.

Was er anhand von Wirtschaftsunternehmen konstatiert gilt für die Kultur in gleichem Maße: je größer die Organisation desto mehr basiert sie auf Fassadenhaftigkeit nach außen wie innen. Sie vermittelt ihren Mitarbeitern und Kunden Werte und einen Schein des Perfekten und wirkt dadurch falsch. Dies bringt weder die gewünschte Aufmerksamkeit noch die Bindung der Mitarbeiter oder Besucher. Trotzdem ist dieses institutionalisierte Schönreden fest in den Köpfen von Marketing und Führungskräften verankert. Management und das Selbstverständnis zu rethinken ist hierbei der erste, theoretische Schritt. Redoing, ein bullshit replacement management in allen Teilen einer Organisation, ist aber für Spicer der entscheidende zweite die Überwindung der Kluft zwischen Theorie und Praxis.
 
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