31.08.2015

Autor*in

Eva Göbel
verantwortet die Drittmittelakquise für den städtischen Eigenbetrieb „JenaKultur“. Zuvor arbeitete sie als Kulturmanagerin u.a. für die IBA Thüringen, als Redakteurin und Journalistin, unter anderem bei Kultur Management Network. Sie studierte Literatur, Kunst und Kultur in Göttingen, Paris und Jena.
Jobsharing

Der Weg zur eierlegenden Wollmilchsau?

Früher fand Individualisierung und Selbstbestimmung nach Feierabend statt, in der Freizeit oder beim Konsum. Heute ist der Job größte Komponente der Selbstverwirklichung das ruft individualisierte und flexible Arbeitsmodelle auf den Plan. In unserer Reihe Arbeitskultur stellen wir Ideen und Lösungsansätze zu der Frage vor: Wie wollen wir in Zukunft arbeiten? KMN sprach mit Jana Tepe über das Arbeitsmodell Jobsharing. Gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Anna Kaiser gründete sie 2013 die Jobsharing-Plattform Tandemploy.
Jobsharing bezeichnet eine flexible Form der Arbeitsplatzteilung. Die gängigste Variante hiervon ist, dass sich zwei Menschen eine Vollzeitstelle und ein Gehalt teilen. Die Idee setzte sich bereits seit Beginn der 1980er Jahre in den USA durch und findet seit einiger Zeit in anderen Ländern immer mehr Befürwortung. In Deutschland ist Jobsharing arbeitsrechtlich durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt.

KMN: Liebe Jana, flexible Arbeitszeitmodelle sind im Trend. In der EU bieten durchschnittlich bereits 25% aller Unternehmen Jobsharing an. Ist Jobsharing das Arbeitsmodell der Zukunft?

Jana Tepe: Es ist auf jeden Fall ein Arbeitsmodell der Zukunft, weil der gesellschaftliche Wandel flexible Arbeit fordert. Das bringt zwar Probleme und Herausforderungen mit sich, was wir aber brauchen, sind Lösungsvorschläge. Jobsharing ist genau eine Lösung, ein Arbeitsmodell, das es schaffen könnte, Jobs für ganz neue Zielgruppen zu flexibilisieren. Es sollte allerdings noch viel mehr Modelle geben.

KMN: Ich habe mich auf eurer Tandemploy-Plattform umgeschaut Stellenangebote von Kultureinrichtungen haben ich keine gefunden. Ist Jobsharing im Kulturbetrieb noch nicht angekommen?

Jana Tepe: Wir haben schon mit vielen Kultureinrichtungen über Jobsharing gesprochen und auch Anschreiben aus dem Bereich gehabt. Da die Plattform sich noch im Aufbau befindet, würde ich nicht sagen, dass ihr Angebot die Realität widerspiegelt. Ich denke aber, dass Jobsharing in allen Bereichen und Branchen möglich ist. Es gibt Jobsharing im öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft und in Unternehmen von klein bis groß. Jobsharing hat eher damit zu tun, ob es bestimmte Stellen gibt, die nicht flexibilisierbar oder in Teilzeit möglich sind. Da wird Jobsharing spannend. Überall dort, wo Mitarbeiter gerne ihre Arbeitszeit verkürzen würden, der Chef aber seine Hände über dem Kopf zusammenschlägt, weil er eine hundertprozentige Besetzung braucht, wird Jobsharing relevanter werden.

KMN: Hast Du Beispiele dafür, mit welchen Kultureinrichtungen ihr gesprochen habt und wie ihr auf sie zugegangen seid? Welche Rückmeldungen habt ihr bekommen?

Jana Tepe: Im Detail kann ich Dir das nicht mehr sagen. Aber wir sind auf Events und Veranstaltungen oft von Kultureinrichtungen nach der Vorstellung unseres Projekts angesprochen worden.

KMN: Also waren Kultureinrichtungen von sich aus interessiert?


Jana Tepe: Ja genau, die fanden das super. Denn im Kulturbereich arbeiten viele Leute, die kreativ sind und gerne eine bunte Arbeitswoche haben. Viele von ihnen haben nur eine halbe Festanstellung, eigene Projekte nebenher, und engagieren sich zusätzlich ehrenamtlich. Es ist genau die Zielgruppe, die sich auch von Jobsharing angesprochen fühlt.

KMN: Welche Vorteile kann Jobsharing als Arbeitsmodell der Kultur- und Kreativwirtschaft bringen?


Jana Tepe: Jobsharing ist für den Kulturbetrieb spannend, weil er so genau die Leute kriegt, die er sich wünscht. Es geht darum, die Hochqualifizierten zu bekommen, die wirklich kreativen Köpfe, die sich individuelle Arbeitsbedingungen explizit wünschen. Für die muss man attraktive Modelle anbieten. Ansonsten gibt es natürlich die gleichen Vorteile wie für jedes andere Unternehmen auch. Dass die Sozialabgaben für das Unternehmen höher sind, das stimmt übrigens so nicht, die steigen erst ab bestimmten Beitragsbemessungsgrenzen an. Und man kann natürlich auf der anderen Seite sagen, dass es Geld spart, wenn eine Vertretung da ist, jemand einfach immer präsent ist und keine Urlaubslücken und Krankheitslücken entstehen. Das Unternehmen bekommt doppelt so viele Ideen, doppeltes Potenzial und doppelte Erfahrungen auf einer Stelle. Stell Dir Tandems vor, die zusammen viel mehr abdecken, als einer allein das könnte. Der eine ist vielleicht analytisch, der andere kreativ, und zusammen sprechen sie fünf Sprachen. Man kann mit diesem Modell Stellen ganz anders besetzen.

KMN: Du sagst, der Kulturbetrieb müsse zusehen, dass er die hochqualifizierten und kreativen Leute bekommt, die er braucht. Die Realität sieht anders aus. Da es eine größere Nachfrage von BewerberInnen als freie Stellen gibt, werden nicht selten schlechte Arbeitsbedingungen und miese Gehälter einfach in Kauf genommen. Muss sich der Kulturbetrieb drehen, was die Arbeitsbedingungen angeht?

Jana Tepe: Ja, vielleicht gerade, wenn es ein Kulturbetrieb ist, der keine horrenden Gehälter zahlen kann und manchmal ist das ja auch tatsächlich so muss man sich andere Dinge überlegen, mit denen man die Menschen begeistert, dass sie bei einem bleiben. Wenn das zum Beispiel ein Modell ist, das es einem ermöglicht, in einer hochqualifizierten Stelle im Kulturbereich wirklich flexibel zu arbeiten, dann kann das einfach nochmal ein anderer Motivator sein, als das Geld. Da muss einfach vielseitiger denken und vielleicht auch gerade in dem Bereich ein bisschen andere Wege gehen.

KMN: Was sind Deine Tipps für BewerberInnen, die aus dem Kulturbereich kommen und sich als Tandem bei einer Kultureinrichtung bewerben wollen?

Jana Tepe: Wenn man sich schon überlegt hat, mit wem man zusammen arbeiten möchte, empfehlen wir tatsächlich, gemeinsam eine Bewerbung zu schreiben. Also ein Deckblatt zu haben, vielleicht sogar ein gemeinsames Foto, ein Anschreiben, in dem man auch kurz erklärt, was man damit bezwecket und wie man das machen möchte. Da sich viele Betriebe und Unternehmen noch nicht viel unter dem Thema Jobsharing vorstellen können, gilt: je konkreter man beschreibt, wie man sich organisieren würden, desto besser ist es für den Arbeitgeber, sich das vorstellen zu können. Und zu sehen: Ah, da haben sich zwei schon Gedanken gemacht.

KMN: Du warst dieses Jahr in der Schweiz auf einem Jobsharing-Kongress. Dort steht das Thema flexible Arbeitsmodelle höher auf der politischen Agenda, als das in Deutschland der Fall ist. Hast Du eine Antwort darauf, warum?


Jana Tepe: Die Schweiz ist da tatsächlich ganz weit vorne, dort wird Jobsharing auch durch den Staat unterstützt. Ich glaube, dort ist die Arbeits- und Lebenskultur seit jeher ein bisschen anders, für Jobsharing gibt es da leichter Akzeptanz. Das gilt auch für die skandinavischen Ländern, die UK, die Niederlanden, und die USA, aus denen das Modell ursprünglich kommt und wo man auch schon länger in flexiblen Arbeitsmodellen denkt. Dort ist es auch normal, dass Menschen mehrere Jobs haben. Ich glaube, das ist eine kulturelle Frage. In Skandinavien oder den Niederlanden ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie viel mehr gegeben. In Deutschland ist die Ausgangslage ganz anders. Hier wird Jobsharing nicht durch den Staat verbreitet, deswegen haben wir auch so eine große Informationslücke. Es gibt wenig unabhängige Informationen zu Jobsharing. Da gibt es noch Defizite und auch viel Informations- und Aufklärungsarbeit für uns.

KMN: Was wäre Dein Tipp für die Community von Kreativen und Kulturschaffenden, um Jobsharing zu verbreiten bzw. Arbeitsbedingungen selbst zu gestalten?


Jana Tepe: Aus Sicht der Jobsuchenden: Bewerbt euch im Tandem! Je mehr Unternehmen sich daran gewöhnen, und je mehr Leute das fordern, desto erkennen Arbeitgeber Jobsharing als Arbeitsmodell und Alternative zu Vollzeit und Teilzeit an. Mit Tandemploy stehen wir, weil nun solche Tandembewerbungen in Umlauf kommen, bereits wieder vor Veränderungen und bemerken eine stärkere Nachfrage der Unternehmen. Sie kommen ins Nachdenken und werden offener.

KMN: Dann sind Eigeninitiative und Initiativbewerbungen bei Jobsharing noch wichtiger, als es ohnehin schon im Bewerbungsprozess der Fall ist?

Jana Tepe: Absolut. Eigeninitiative zu zeigen ist unglaublich wichtig, auch später in dem Arbeitsmodell. Das lebt ja davon, dass sich Menschen eigenverantwortlich organisieren und handeln. Ich kann nur empfehlen, sich auf Vollzeitstellen gemeinsam zu bewerben. Gemeinsam hat man, wenn man clever argumentiert, viel größere Chancen, alle Anforderungen zu erfüllen, die in der Stellenanzeige stehen. Stellenausschreibungen suchen oft die eierlegende Wollmilchsau. Die Person soll sieben Sprachen sprechen und tausend Dinge können, die man alleine niemals kann. Zu zweit kann man das vielleicht. Wenn man das auch noch gut darlegen kann, hat man einen großen Vorteil anderen Bewerbern gegenüber.

KMN: Danke Jana für das Gespräch!

*Arbeitsmarktstudie von Robert Half 2014

Jana Tepe ist Gründerin und Geschäftsführerin von Tandemploy, der Jobsharing Plattform, und beschäftigt sich seit nunmehr 8 Jahren mit der Arbeitswelt der Zukunft. Nach ihrem Bachelorstudium in BWL und Kommunikationswissenschaft in Münster und ihrem Masterabschluss in "New Media and Communication" arbeitete sie in einer Berliner Personalberatung, um Talente für die Digitalwirtschaft zu rekrutieren. Während dieser Zeit entwickelte sie, gemeinsam mit ihrer damaligen Kollegin Anna Kaiser, die Idee zu Tandemploy. 8 Wochen später starteten beide mit der Gründung.

Weiterführende Links:
www.tandemploy.com
www.zweiteilen.de
 

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