17.11.2016

Autor*in

Marie Luise Syring
Marie Luise Syring ist Kunstkritikerin und freie Mitarbeiterin für Kunstforum, Art Press, Radio Bremen, Spuren, Kunstnachrichten und andere Fachzeitschriften für zeitgenössische Kunst. Von 1998 bis 2001 leitete sie die der Kunsthalle Düsseldorf. 2001 bis 2006 übernahm sie die Abteilung Kulturelle Entwicklung im Düsseldorfer Museum Kunstpalast. 2008 bis 2010 war sie Generalsekretärin der Internationalen AICA, seit 2013 ist sie Präsidentin der deutschen AICA.
Die Preise der AICA

Eine Laudatio für Museen

Die Association Internationale des critiques d' art, der Verband der Kunstkritiker, auch kurz AICA genannt, gehört zu den Nicht-Regierungs-Organisationen der UNESCO. Seine deutsche Sektion zeichnet jährlich das Museum des Jahres und die Ausstellung des Jahres aus, um öffentliche Museen und Kunstinstitutionen zu unterstützen und zu ermutigen.
Bei der Gründung der AICA 1948/49 ging es zunächst einmal darum, eine genaue Definition für den Beruf des Kunstkritikers zu formulieren, die es bis dahin noch gar nicht gab. Dazu brauchte es Regeln und eine Übereinkunft darüber, welche methodischen und ethischen Kriterien für die Kunstkritik aufgestellt werden konnten. Man hatte beschlossen, den internationalen Austausch zu fördern und die professionellen Interessen der Mitglieder zu schützen. Es galt, verfeindete Ideologien und rivalisierende Nationalismen zu überwinden. Es wurde nicht zuletzt auch festgelegt, dass es ausschließlich um die Erforschung, Vermittlung, Beschreibung oder kritische Betrachtung der zeitgenössischen Kunst gehen sollte, um einen Unterschied zu den Tätigkeiten der Kunsthistoriker erkennbar zu machen.
 
Ehrgeiz und Konkurrenzdruck mögen nützlich sein im Bereich der Museen und der Kunstkritik, aber sie sind kein Ersatz für Sachkenntnis und für das, was die Vermittlungsarbeit zwischen Künstler und Publikum am dringendsten braucht, nämlich Begeisterung und Leidenschaft für die Kunst.
 
Was der Kunstkritikerverband, die Deutsche Sektion der AICA, seit der Gründung der Preisverleihungen für das Museum des Jahres, die Ausstellung des Jahres und die Besondere Ausstellung im Sinn hat, soll deshalb nicht dem Ehrgeiz einzelner Persönlichkeiten dienen. Diese Preise werden vergeben, um öffentliche Museen und Kunstinstitutionen in ihrer Arbeit zu ermutigen.
 
In den Richtlinien der deutschen AICA zur Vergabe des Preises für das Museum des Jahres heißt es: Angesichts tiefgreifender Veränderungen in der Kunst- und Museumsszene mit sich verschärfenden Abhängigkeiten von privaten und kommerziellen Interessen erscheint es uns sinnvoll und notwendig, Zeichen zu setzen und Museen zu würdigen, die sich der sanften Gewalt dieser Entwicklung entziehen: Museen, die quer zu den herrschenden Trends liegen und sich der Wendung zum Art-Entertainment verweigern. Museen, die in größtmöglicher Distanz zum kommerziellen Kunstbetrieb an den überlieferten Verpflichtungen des Sammelns, Bewahrens und Erschließens festhalten und im Mainstream der ,Markenzeichen-Kunst für Inseln künstlerischer Kontinuität und Konsequenz sorgen; Museen, die den Anspruchscharakter der Kunst nicht aufgeben und sich gleichwohl aufgeschlossen gegenüber ihrem Publikum und dessen Erwartungshaltungen erweisen; Museen, die sich darüber hinaus fest in ihrer Region verankern und auf die Kunstinteressierten ausstrahlen. Heute würde ich hinzufügen: Aus der sanften Gewalt des Kommerzes ist inzwischen ein kunstvernichtendes Wettrennen um Spekulationsobjekte geworden, das den Blick auf die Kunst verstellt und kaum noch Anerkennung für Experimente und Erkenntnisgewinn zulässt.
 
Deswegen erscheint es der AICA heute wichtiger denn je, ausgewählten Museen und Ausstellungen einen Preis zu verleihen. Sie werden ausgezeichnet, wenn die ethische Verpflichtung gegenüber der eigenen Arbeit Vorrang hat vor den Strategien der Eventkultur. Die AICA setzt ein kulturpolitisches Signal und verhilft ihnen damit zu mehr Aufmerksamkeit. Sie ist überzeugt, dass die Kunstszene ohne die öffentliche Meinungsbildung durch die Kunstkritik nicht auskommt, ja belanglos wird, scheinbar nur noch interessant für Oligarchen und Auktionäre. Sie fordert die Medien auf, nicht länger nur über den Kunstmarkt, den Preis und die Konkurrenz bei den Verkaufserlösen für Kunstobjekte zu berichten, statt dessen wieder kritische Stimmen zuzulassen über die Qualität von Ausstellungen, über experimentelle Kunst und vor allem den intellektuellen und gesellschaftlichen Kontext, aus dem heraus Kunst entsteht.


Dieser Kommentar erschien zuerst im Magazin "Ehrgeiz"
 

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