20.01.2017

Autor*in

Bernd Nentwig
Risikofaktoren beim Bauen im kulturellen Umfeld

Künstlerische Planung vs. bauliche Machbarkeit

Vergangene Woche wurde die Elbphilharmonie nach 13 Jahren Bauzeit feierlich eröffnet. Zuvor waren die Medien voll von Meldungen über Baukostenüberschreitungen, Terminverzug und Änderungen. Doch warum sind Neubauten in der Kultur oft ein Hochrisikofeld?
Bevor wir uns der Thematik Bauen im kulturellen Umfeld widmen, gilt es zunächst, die Prozesse des Bauens bei komplexeren Bauvorhaben in ihrer besonderen Charakteristik zu betrachten. Im Gegensatz zur stationären Industrie, welche die Produkte in Serien herstellt, haben wir es bei Bauvorhaben mit einer einmaligen Herstellung, der davorliegenden Planung und der Suche nach geeigneten Firmen für die Ausführung zu tun.
 
Im Bereich des Kulturbetriebs gibt es regelmäßig höchst spezielle Anforderungen an die Räume und insbesondere an die technische Infrastruktur. Die Integration der technischen Disziplinen wie Heizung, Lüftung, Elektro und Sanitär stellt hohe Anforderungen an die Planer und ausführenden Firmen. Zwischen dem Architekten, dem Bauherren und den ausführenden Firmen herrscht im Idealfall ein Klima konstruktiver Reibung, um eine hohe Bauqualität zu erreichen. Das magische Dreieck Kosten, Termine und Qualität muss dabei in einer Art dynamischen Gleichgewicht gehalten werden. Entsteht eine Verzerrung hinsichtlich eines Aspektes, wie z. B. extremer Termindruck, geht das zu Lasten der Qualität und sorgt für Kostensteigerung.
 
Künstlerische Planung vs. baulicher Machbarkeit
 
Betrachtet man die dabei beteiligten Personen, kommt sowohl den Nutzern als auch den potenziellen BauherrInnen eine besondere Funktion zu. Sie müssen im Rahmen ihres kulturellen Engagements Entscheidungen von hoher Tragweite und Auswirkungen auf den Kulturbetrieb übernehmen. Zur Einschätzung der Richtigkeit dieser Entscheidungen fehlt ihnen aber oftmals der fachliche Hintergrund. Zugleich sind Architekten und Fachplaner in den frühen konzeptionellen Phasen oft noch nicht eingebunden. Weiterhin gibt es den/die BauherrIn als Einzelperson seltener, in der Regel sind es Gremien in vielfältiger Zusammensetzung mit unterschiedlichem fachbezogenem Wissensstand.
 
Aus diesem und weiteren Gründen ist das Berufsfeld des Projektsteuerers entstanden, der als Bauherr auf Zeit Entscheidungen vorbereitet und Priorisierungen einleiten kann. Er unterstützt den Bauherren durch eine kontinuierliche, umfassende und konstruktive Beratung, die z. B. in einer qualifizierten Wettbewerbsauslobung mündet, legt das Budget fest und wirkt bei der Auswahl der Fachleute mit.
 
Für Bauaufgaben im Kulturbereich ist eine besondere Empathie gegenüber den Nutzern und allen Beteiligten notwendig, um einen sachlichen Diskurs zu ermöglichen. Die tiefere inhaltliche Auseinandersetzung mit den anstehenden Aufgaben des Kulturbetriebs wird hier mit den Fragen der baulichen Machbarkeit und den ökonomischen Zwängen aus der anstehenden Investition, aber auch den Kosten des voraussichtlichen Betriebs gekoppelt. Das Denken in Investitionstöpfen muss durch Aspekte der lebenszyklischen Betrachtung von Bauteilen ersetzt werden.
 
Abweichungen mit Voraussicht einplanen
 
Die Risikofelder bei komplexen Bauvorhaben lassen sich generell in vier große Bereiche aufteilen:
 
  1. Planung
  2. Vergabe (Ausschreibung und Auswahl von Firmen)
  3. Ausführung
  4. Betrieb
Diese generellen Bereiche unterteilen sich noch in weitere Subgruppen mit spezifischen Aufgaben, wie zum Beispiel die Genehmigungsplanung.
 
Probleme entstehen im Grunde immer aus einer Abweichung zwischen einer Soll-Situation und einer Ist-Situation. Diese Abweichungen können in der Phase der Planung oft noch kostenneutral umgesetzt werden, da die Beeinflussbarkeit noch hoch ist. Je weiter das Bauvorhaben voranschreitet, umso schwieriger und teurer werden Änderungen. Der Bauherr und die Nutzer benötigten daher bereits im Bereich der Planung eine Art Übersetzung des Planungsstands in die Realität, um nicht später beim Bau vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Ein Beispiel für eine solche voraussichtige Planung: Bei einem Neubau eines Hörfunkgebäudes habe ich gemeinsam mit dem Bauherren 1:1-Modelleinbauten zukünftiger Studiosituationen veranlasst, um den Nutzern Sicherheit über Raumfolgen und Sichtbeziehungen zu geben.
 
Bestimmte Risiken, wie z. B. Änderungen durch den Nutzer, sind daher beeinflussbar. Andere Risiken dagegen nicht. Die aktuelle Neuausschreibung des Rohbaus des Bauhaus-Museums in Weimar ist auf vollkommen überteuerte Ausschreibungsergebnisse, sogenannte Abwehrangebote, zurückzuführen. Die Marktsituation für potenzielle Bauunternehmen ist allerdings so günstig, dass sie sich es leisten können.
 
Weitere Risiken liegen in der Sanierung und im Umbau von Bestandsobjekten, da z.B. substanzielle Beeinträchtigungen des Tragwerks oft erst durch Öffnen von baulichen Strukturen sichtbar werden.
 
Vermeidung von Risiken durch umfassende Vorbereitungen
 
Welche Lösungen bieten sich zur Vermeidung der oben angesprochenen Risiken an? Zunächst ist in den frühen Konzeptions- und Planungsphasen die bereits angesprochene Beeinflussbarkeit des gesamten Projektverlaufs auszunutzen und durch umfassende Vorbereitungen und Machbarkeitsstudien abzusichern. Wettbewerbe stellen nach wie vor ein sehr gut geeignetes Mittel dar, um technische und gestalterische Lösungen zu ermitteln. Der Auslobung kommt eine hohe Bedeutung zu; bei sehr hoher Komplexität können auch Fachplaner bereits in den Wettbewerb integriert werden. Im laufenden Projekt geht es dann um die Transparenz der Prozesse und einen kontinuierlichen Abgleich des Solls (Planung) mit dem Ist (Vergabe und Ausführung). In diesem Zusammenhang wird auch die vertragliche Konstellation der Ausführung wichtig.
 
Eine Vergabe der Bauleistung an einem Generalunternehmer sichert zwar nur einen vertraglichen Ansprechpartner, bedingt aber hohe planerische Durchdringung aller Leistungen schon zu Vertragsschluss. Einzelvergaben können dem Bauherrn hier eine größere Flexibilität hinsichtlich des Budgets und des Planungsvorlaufs schaffen. Abzuraten ist von einer Kopplung von planerischen Leistungen mit einem Generalunternehmer, dem sogenannten Generalübernehmer. Die oben angesprochene positive Reibung zwischen Planern, Bauherrn und der ausführenden Seite bleibt bei dieser Konstellation aus.
 
Was ist zu tun? Fazit
 
Bauen, speziell im Kulturbereich, ist eine komplexe, hochkommunikative Herausforderung. Aufwand, der in die frühen konzeptionellen Phasen eines Projekts gesteckt wird, rentiert sich in hoher Planungsund Ausführungsqualität. Je nach Größenordnung und Komplexität ist der Einsatz eines Projektsteuerers als Bauherrenvertretung auf Zeit sinnvoll. Auf Bauherrenseite definierte Kostentransparenz gegenüber den am Bau Beteiligten fordert und fördert Design to Budget und damit die Einhaltung der Kostenziele. Die Auswahl geeigneter Fachfirmen und die damit verbundene Konstellation der vertraglichen Gestaltung haben großen Einfluss auf die Steuerung und Risikominimierung der Projekte.
 
Prof. Dr. Bernd Nentwig ist Professor für Baumanagement und Bauwirtschaft an der Bauhaus-Universität Weimar. Zuvor gründete er die N+ Objektmanagement GmbH und die Bauhaus-Gesellschaft mbH. Er war Direktor des Institutes für Europäische Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar sowie Mitglied im Arbeitskreis Planungs- und Bauökonomie und der Baukostensenkungskommission des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im KM Magazin 08/ 2016 zu Risiko
 

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