21.07.2017

Themenreihe Festivalmanagement

Autor*in

Maik Ragheb
Maik Ragheb studierte Veranstaltungstechnik und -management nach einer Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Er hat sich in seiner Masterarbeit mit den Arbeitsbedingungen in der Veranstaltungsbranche beschäftigt und arbeitet derzeit als Projektleiter wieder mehr als acht Stunden am Tag.
Thomas Sakschewski
ist Professor für Veranstaltungsmanagement und -technik an der Hochschule für Technik Berlin und Autor zahlreicher Publikationen zu diesem Themenfeld. Er studierte Psychologie und Betriebswirtschaft (MA) und war als Ausstellungsmacher und Projektmanager mit unterschiedlichen Aufgabenfeldern wie Veranstaltungsleitung, Projektleitung oder Technische Leitung tätig. 
Arbeitszeitregelung

Corporate Social Responsibility für Festivalmitarbeiter

Wer bei Festivals arbeitet, richtet sich nicht nach der Stechuhr. Ganz im Gegenteil ist man stolz darauf, rund um die Uhr im Einsatz zu sein. Denn bei Festivals zu arbeiten, bedeutet auch Selbsterfüllung und Spaß. Trotzdem gelten die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Mitarbeiter.

Themenreihe Festivalmanagement

Die Vermutung liegt nahe, dass gerade dort, wo das Ergebnis die Arbeitsdauer bestimmt, regelmäßig Arbeitsrechte gebrochen werden. Doch eine Onlineumfrage im Rahmen einer Masterarbeit an der Beuth Hochschule für Technik Berlin unter Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Veranstaltungsbranche zeigt ein differenziertes Bild. Dieser Artikel fasst die Ergebnisse zu Einkommen, Arbeitszeiten und Arbeitspensum zusammen und zeigt mögliche Erklärungs- und Lösungsansätze durch die Einbeziehung von Aspekten der Corporate Social Responsibility.

Arbeitszeiten

Die Veranstaltungsbranche ist geprägt von unregelmäßigen und langen Arbeitszeiten zu jeglicher Tages- oder Nachtzeit. Ruhezeiten von elf Stunden zwischen den Arbeitsphasen sind nur schwer einzuplanen. Der Achtstunden-Arbeitstag mit einer gesetzeskonformen Ausdehnung auf zehn Stunden wird laut den Arbeitgebern dennoch vom überwiegenden Teil eingehalten. Im Vergleich gehen jedoch nur 39 % der Arbeitnehmer von einem durchschnittlichen Arbeitstag von acht Stunden aus. Fast die Hälfte arbeitet nach eigener Bewertung im Durchschnitt bis zu 10 Stunden. Der Unterschied könnte durch das subjektive Empfinden der Arbeitnehmer zu ihren Arbeitszeiten und ihrer Arbeitsbelastung begründet sein oder die Arbeitgeber nehmen nicht wahr, dass in ihren Betrieben über den Regelsatz von acht Stunden hinaus gearbeitet wird. Wahrscheinlich wirken beide Tendenzen gleichermaßen.

Ähnliches zeigt sich auch in der Häufigkeit der Überstunden. Während über zwei Drittel der Unternehmen einräumen, dass ihre Mitarbeiter ein bis zwei Mal im Monat mehr als zehn Stunden arbeiten, erklären 44 % der Befragten, dass sie dies mindestens einmal pro Woche tun. Nahezu alle Arbeitgeber geben an, dass die Mitarbeiter ihre Mehrarbeitszeit fristgerecht abbauen können. Doch nur 68 % der befragten Arbeitnehmer stimmen dem zu. Fast ein Drittel der Arbeitnehmer sammelt also Überstunden ohne Ausgleich an.

Sonntagsarbeit

Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen ist branchenüblich. Entsprechend bestätigten 62 % der befragten Unternehmen, dass an mehr als 15 Sonntagen im Jahr gearbeitet wird. Gesetzlich soll an mindestens 15 Sonntagen im Jahr bzw. in einem Theater oder Rundfunkbetrieb mit Tarifvertrag, Dienst- oder Betriebsvereinbarung an mindestens acht Sonntagen im Jahr nicht gearbeitet werden. Zudem steht den Arbeitnehmern ein Ersatzruhetag zu. 45 % der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer geben an, dass diese immer oder meistens gewährt werden. Jedoch sind auch 26 % der Arbeitnehmer der Überzeugung, dass ihnen nie Ersatzruhetage gewährt werden. Zugleich geben 54 % der befragten Unternehmen zu, dass ein Ersatzruhetag nicht immer oder gar nicht ermöglicht wird. Dies kennzeichnet einen deutlichen Missstand.

Entlohnung

Die Arbeitnehmer in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen betrachten im Durchschnitt ihr Gehalt als angemessen. Diese Selbsteinschätzung konnte durch einen Vergleich zu verschiedenen anderen Quellen bestätigt werden. Mit dem ermittelten durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 2.124,78 Euro liegt die Veranstaltungsbranche im Mittel, aber mehr als 300 Euro unterhalb des vom statistischen Bundesamt angegebenen durchschnittlichen gesamtdeutschen Bruttoeinkommen (Erhebung 2012). Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Gehälter der Auszubildenden das Durchschnittseinkommen stark beeinflussen. Zugleich bestehen innerhalb der verschiedenen Qualifikationsgruppen große Gehaltsunterschiede. So wichen die Gehälter der Arbeitnehmer mit einem Abschluss in entsprechenden Studiengängen um bis zu 3.300 Euro voneinander ab.

Corporate Social Responsibility

Soziale Verantwortung eines Unternehmens zeichnet sich durch betriebliche Regelungen aus, die über gesetzliche Standards hinausgehen und einen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit der Arbeitnehmer und das Betriebsklima haben. Zentrale Elemente sind dabei auch in der Veranstaltungs- und Festivalbranche Arbeitsplatzstabilität und Arbeitsumfeld. So gut wie alle Arbeitgeber bestätigen, dass Kündigungen nicht die erste Option darstellen, wenn das Unternehmen in wirtschaftliche Schräglage gerät, was ein Bewusstsein für die Verantwortung gegenüber den Beschäftigten widerspiegelt. Auch zwei Drittel der Arbeitnehmer teilen diese Meinung.

Durch das erhöhte Risiko bei Event-und Festivaltätigkeiten ist die Arbeitssicherheit für Arbeitgeber (89%) und Arbeitnehmer (70 %) ein allgegenwärtiges Thema. Zwar werden die bestehenden Vorschriften weitgehend eingehalten. Jedoch attestiert nur etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer (57%) den Betrieben eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes, während 86 % der Arbeitgeber angeben, dass der Arbeitsschutz in ihren Unternehmen weiterentwickelt wird. An eine konkrete Förderung der Fähigkeiten glauben nur 37 % der Beschäftigten und 46 % geben an, nicht genügend Zeit zum Einarbeiten in neue Geräte oder Rahmenbedingungen zu erhalten.

Unregelmäßige Arbeitszeiten und die große Anzahl von Wochenend- und Abendarbeit lässt Privatleben und Beruf in der Veranstaltungsbranche nur schwer miteinander vereinbaren. Hier liegt es am Arbeitgeber, die bestehende Situation zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Durch eine stärkere Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die auch die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt, eine Überstundenobergrenze oder die Einführung von Kinderbetreuung für Eltern kann eine ausgeglichene Work-Life-Balance erreicht werden. Doch nur etwa ein Fünftel der befragten Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestätigte, dass solche Angebote bestehen. Jedoch sehen zwei Drittel der Unternehmen das Arbeitszeitangebot als flexibel an. Das sind wesentlich mehr als die 44% der Arbeitnehmer, die zwar wechselnde Arbeitszeiten angaben, jedoch keinen Einfluss auf deren Planung haben.

Ähnliches zeigte sich auch an dem geringen Anteil von Unternehmen mit Modellen der Arbeitnehmerbeteiligung. Lediglich 20% der Arbeitnehmer und knapp die Hälfte der Arbeitgeber geben an, dass Mitarbeiter am Unternehmenserfolg beteiligt werden. Dabei könnte dies die Bindung zum Unternehmen fördern und die Motivation erhöhen. Zwar wird die Fähigkeit des selbstständigen und eigenverantwortlichen Arbeitens von vielen Arbeitgebern nachgefragt und von 97 % spezifisch angeregt. Doch vermittelt selbstorganisierte Tätigkeit eben auch die Botschaft, mitverantwortlich zu sein und einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Selbstverantwortliches Arbeiten ist also in der Veranstaltungsbranche besonders ausgeprägt, wird jedoch nicht bis zu einer Mitarbeiterbeteiligung fortgesetzt.

Eine gerechte und faire Behandlung ist die Grundlage eines verantwortlichen Betriebsklimas. Daher ist es erfreulich, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen eigene Regeln für individuelle Anerkennung der Mitarbeiter aufgestellt haben. Über 50 % der Arbeitnehmer fühlen ihre Leistungen jedoch nicht entsprechend gewürdigt. In diesem Punkt besteht aus Arbeitnehmersicht also deutlicher Nachholbedarf und es geht ein wichtiger Motivationsfaktor verloren.

Viele der befragten Unternehmen wissen nicht genau, was sich hinter einer Corporate Social Responsibility verbirgt. Umso erfreulicher ist das Ergebnis der Befragung, dass in der Veranstaltungs- und Festivalbranche soziale Verantwortung und eine persönliche Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Regel sind. Diese persönliche Bindung, die intrinsische Motivation und der hohe Grad an selbstverantwortlicher Tätigkeit scheinen über die vielen Nachteile hinweg zu helfen. Doch selbstverantwortliche Tätigkeit muss einerseits nachhaltig im Unternehmen verankert werden. Andererseits sind die Regeln des Arbeitszeitgesetzes zu beachten, denn auch bei aller Hingabe führt eine dauerhafte Überlastung zu erhöhten Fehlerquote, Demotivation und nicht zuletzt zu einer Verschlechterung des Betriebsklimas. Hier gibt es Nachholbedarf.

Die ausführliche Version dieses Beitrags erschien zuerst im KM Magazin Show
 

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