Dialog zwischen Kultur und Wirtschaft
Eine kulturelle Antwort auf Davos
Das Forum Tiberius Internationales Forum für Kultur und Wirtschaft wurde 2003 in Dresden gegründet. Ziel des Forum Tiberius ist es, unter dem Motto "Was kann Kultur für die Wirtschaft leisten?", den Dialog zwischen Kultur und Wirtschaft zu intensivieren. Das Forum dient dabei als Verortung für Vertreter aus Kultur, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Neben Vortragsveranstaltungen wurde der Internationale Gesangswettbewerb der Italienischen Oper "Competizione dell' Opera" sowie der Internationale Klavierwettbewerb "Anton G. Rubinstein" etabliert. Nun folgt am 23. bis 25. November 2007 das Gründungssymposium des World Culture Forum (WCF) in Dresden. Ein grosse Initiative, die die kulturelle Antwort auf Davos bedeuten kann.
Mario Zetzsche: Sie sind seit August Generalintendant am Theater in Bremen. Werden Sie bezüglich des Engagements für das Forum Tiberius in Dresden noch in gleichem Umfang aktiv bleiben, zumal Sie in einem früheren Interview die Gründung eines Forums in Bremen erwähnt haben?
Hans-Joachim Frey: Das von mir gegründete Forum Tiberius ist mein Kind. Das Forum Tiberius hat ja auch das Alleinstellungsmerkmal für die Wechselbeziehungen zwischen Kultur und Wirtschaft. Das will ich so schnell nicht aufgeben. Ob ich die nächsten fünf Jahre durchhalte, oder ob ich nach ein bis zwei Jahren sage ich werde zu alt das mag dahingestellt sein. In Bremen habe ich auch ein Forum gegründet. Aber das ist kein Netzwerk für Kultur und Wirtschaft, sondern ein Förderkreis für das Theater, das über das Fördern weit hinaus geht. Dies ist ein Netzwerkzyklus um das Theater Bremen das die Synergien zwischen Kultur und Wirtschaft, aus einer Institution heraus, verbindet. Die Anbindung an das Theater ist der Unterschied. Im Gegensatz dazu reflektiert Dresden ganz elementar die Wechselbeziehungen. Dresden ist unabhängig und gehört nicht zu einer Institution, während das Bremer Forum am Theater angebunden ist.
MZ: Herr Frey, das Forum Tiberius hat erfolgreich einen Gesangswettbewerb, einen Klavierwettbewerb und Vortragsveranstaltungen durchgeführt. Nun soll ein World Culture Forum (WCF) in Dresden etabliert werden. Wie kam es zu dieser Initiative?
HJF: Den Traum, eines Tages ein Weltkultur-Gipfel als Antwort auf Davos durchzuführen, hatten wir schon von Anfang an. Aber das ist ein großes Unterfangen. Als erstes galt es, die Grundlage mit dem Forum und den Mitgliedern zu schaffen, wir mussten finanziert werden und reflektieren, was wir geschafft haben. Jetzt gehen wir in die nächste Stufe. Wenn wir ein Weltkulturforum gründen wollen, dann brauchen wir eine breite Basis, gerade wenn das in dem Maße geschehen soll wie in Davos. Der Weltwirtschaftsgipfel in der Schweiz hat heute 10.000 Besucher und ist ein großer Erfolg. Um das selbst zu erreichen, muss man aber erstmal klein anfangen. Auch Davos hat mit 200 Leuten klein angefangen. Also haben wir uns entschlossen, eine Gründerinitiative 2007 aus Dresden - zunächst bezogen auf den deutschen Raum - durchzuführen. Im Februar 2009 soll dann das gleiche noch mal, aber in größerer Form auf europäischer Ebene stattfinden. Wir befassen uns dann aus europäischer Sicht mit den Fragen "Wie ist die Reflexion auf Kultur in unserer Gesellschaft?", "Wie ist der Stellenwert der Kultur?". Schritt für Schritt soll von der sächsischen Basis, über die deutsche bis zur europäischen Ebene im Februar 2009 das Netzwerk und die Akzeptanz für einen ersten Weltkulturgipfel im Herbst 2010 erreicht werden.
MZ: Lassen Sie uns etwas in den Ablauf schauen. Welchen programmatischen Schwerpunkt haben Sie gesetzt?
HJF: Wir wollen ganz breit reflektieren "Was ist die Basis unserer Gesellschaft?", "Wie setzt sich unsere Gesellschaft eigentlich zusammen?", "Was ist die Balance unserer Gesellschaft?". Kultur ist eben alles das, was nicht Natur ist. Zur Kultur gehört eben auch die Wirtschaft. Es ist daher interessant, das Verhältnis zwischen beidem zu untersuchen und zu zeigen, dass nicht alles aus der Brille der Wirtschaft und des Mehrwertes zu betrachten ist. Die Kunst, die Schönheit der Kunst und die Bildung all das bleibt im Hintergrund. Gibt es nicht eine viel größere Resonanz, sich mit künstlerischen Fragen oder mit Kultur generell auseinander zu setzen? Es gilt den Stellenwert der Kultur in unserem Blickfeld zu vergrößern- das ist das eigentlich das Ziel.
MZ: Mittlerweile gibt es mehrere Weltkulturforen überall auf der Welt. Wodurch unterscheidet sich die Dresdner Initiative?
HJF: Beispielsweise gab es in Sao Paulo und in Kanada Weltkulturforen. Diese setzen sich aber mehr mit ethnologischen Fragen der Kulturen auseinander. Dabei wird dann untersucht, wie südamerikanische Kulturen untereinander funktionieren und wo es Deckungen gibt. Uns geht es vor allem um den abendländischen Begriff. Alle Welt rezipiert diese Art von Kunst oder Kultur. Betrachten Sie China oder Japan: dort ist die europäische Kunst ganz groß. Aus diesem Nukleus gehen wir eine ganzheitliche Betrachtung an: "Was hält unsere Gesellschaft zusammen?", "Was hält unsere gesamte Weltkultur zusammen?" und "Wo sind Berührungspunkte und Schnittmengen mit der anderen?". Das ist also eine mehr inhaltliche Herangehensweise als zu zeigen, was die Japanische oder die Chinesische Kultur in ethnologischer Hinsicht auszeichnet. Wir nehmen also eine andere Herangehensweise aus der Schönheit der Künste, aus der Kultur.
MZ: Das Motto des Forum Tiberius lautet "Was kann die Kultur für die Wirtschaft leisten?". Wie wird das in Hinblick auf das WCF umgesetzt?
HJF: Das sind zwei Herangehensweisen. Das Motto unseres Dresdner Forums ist ein pragmatischer Begriff. Damit wollen wir nachweisen, dass der Umgang mit der Ressource Kultur, wenn man ihn richtig macht, sehr viel mehr ist und auch ökonomische Vorteile hat. Das tut jetzt auch der Kulturstaatsminister. Er wird ein Referat einrichten, das sich in Zukunft mit der Kulturwirtschaft befasst. Kultur kann halt auch lobbyistisch sehr viel leisten. Das tun wir in dem Dresdener Forum. Was wir darüber hinaus beim Dresdner Weltkulturforum tun, ist natürlich nicht, dass wir Kultur in eine untergeordnete dienende Funktion gegenüber der Wirtschaft bringen. Sondern wir wollen eine gemeinsame Reflexion unternehmen. Wir schauen, ob die Gesellschaft und die Kultur überhaupt noch funktionieren, wenn nicht die Balance wieder hergestellt werden kann. Wir wollen, dass die Wirtschaft auch wieder stärker auf die Kultur, auf Kunst, auf Bildung, auf Religion hört und dass man sich wieder enger untereinander verzahnt.
MZ: Die Verzahnung von Kultur und Wirtschaft wird offenbar groß geschrieben. Welche Rolle spielt Kulturmanagement bei dem WCF?
HJF: Als Kulturmanagement vor 15 Jahren begann, war von je her schon die Symbiose, die Brücke zwischen beiden Bereichen vorhanden. Dabei wurden Kulturschaffende mit der Wirtschaft vertraut gemacht oder haben eine Wirtschaftsausbildung bekommen. Sie haben eine Managerausbildung erhalten, um generell Kulturunternehmen zu führen oder an entscheidender Stelle tätig zu werden. Insofern sind die jungen Kulturmanager natürlich eine ganz wichtige Brücke. Kulturmanagement ist sozusagen die Basis, wie sie es vielleicht zukünftig auch diejenigen sind, die dieses Spannungsfeld ausbauen und auch kommunizieren können.
MZ: Wird dann auch Kulturmanagement als Themenbereich angesprochen?
HJF: Nicht vordergründig. Was wir jetzt tun, ist die gesamtgesellschaftliche Balance zu untersuchen. Wir haben sechs verschiedene Felder, die das Verhältnis der Wirtschaft zur Kultur beleuchten, die das Selbstverständnis der Kultur hinterfragen, die das Verhältnis zur Bildung untersuchen oder nach den Funktionen von Lebensräumen und Städten fragen. Sind die Lebensräume mehr kultur- oder sind sie mehr wirtschaftsprägend? Wie weit funktioniert Religion in diesem Spannungsfeld? In der praktischen Durchführung ist natürlich Kulturmanagement ein signifikantes Beispiel, wie eine Verzahnung von zwei verschiedenen Teilbereichen schon sehr gut funktioniert und in dem auch ein neuer Beruf entstanden ist.
MZ: Sie haben schon einen Einblick in den programmatischen Teil des WCF gegeben. Wer und welche Themen werden erwartet?
HJF: Wir werden Referate und Podiumsdiskussionen haben, auf denen die Teilnehmer untereinander diskutieren. Wir haben ein Podium, auf der die Frage nach der Wahrnehmung der Kultur in unserer Gesellschaft diskutiert wird. Spielt die Kultur noch eine Rolle? Es kommen auch Intendanten aus dem Fernsehen, um den Quotenbegriff zu diskutieren, weil wir nachweisen wollen, dass Kultur immer weiter in den Hintergrund gerät und dass wir uns einfach klar darüber werden, dass der Umgang mit Kultur sehr viel mehr ist. Referenten sind z.B. Elke Heidenreich, es kommen Christoph Schlingensief und Katharina Wagner, es kommen große Architekten wie Prof. Stephan Braunfels oder Prof. Dr. Gunter Henn, verschiedene Unternehmer von Audi bis zu Altana oder auch Prof. Dr. Kurt Biedenkopf werden diskutieren. Wir werden die Wahrnehmung der Kultur in der Gesellschaft, die Kultur der Lebensräume ansprechen. Wir bearbeiten Themen zu Religionen, Bildung, zum Verhältnis zur Wirtschaft und der Schönheit der Künste an sich.
MZ: Können Sie etwas zum Veranstaltungsort Dresden sagen?
HJF: Dresden hat ein ganz besonderes Spezifikum, das fällt mir jetzt aus der Distanz ganz besonders auf, wo ich jetzt nur noch für einzelne Projekte und Termine kommen kann. Dresden hat die Geschichte der Zerstörung, Dresden ist aber eine ganz große alte Kulturstadt, wo Richard Strauss oder Wagner gewirkt haben. Die Stadt mit der Frauenkirche, der Semperoper und dem Zwinger, die als Kulturorte, die Stadt bereits vor dem 2. Weltkrieg geprägt haben. Dresden steht für eine Kulturstadt, die auch überschaubar ist. So wie Davos in der Schweiz auch überschaubar ist. Als Impulsgeber für ein neues Europa ist Dresden natürlich ganz wichtig. Die Stadt liegt 40 km vor der tschechischen Grenze und 80 km vor der polnischen Grenze. Damit ist Dresden eine alte Brücke eines neuen Europa zwischen Berlin-Dresden-Prag-Wien und Budapest dar. In diese alte Achse wollen wir hinein fokussieren. Dresden scheint daher der richtige Ausgangspunkt für einen beginnenden Dialog zu sein.
MZ: Was ist Ihre Vision für einen Weltkulturgipfel in Dresden, gerade in Hinblick auf die Erfolgsgeschichte in Davos?
HJF: In Davos spricht der amerikanische Präsident, dort werden natürlich auch großartige Geschäfte gemacht. Da wird der Welthandel, die Weltwirtschaft untersucht. Ob das Kultur trotz der Abwesenheit materieller Werte jemals schafft, bleibt fraglich. Deswegen ist es auch wichtig, dass Kultur mit der Wirtschaft reflektiert wird. Es wird auch schwer werden, die Wirtschaft langfristig ins Boot zu bekommen ohne zu zeigen, dass hier wirklich etwas passiert. Nach wie vor gibt es genug Leute, die mit Kultur überhaupt keine Verbindungen haben und denen der Aktienindex wichtig ist. Auf der anderen Seite finden Sie aber auch diejenigen, denen Unternehmenskultur, Netzwerke, Internationalität, die Schönheit der Künste, das Image und die Identität ein Bedürfnis sind. Dafür sind eben Kulturfragen bedeutsam. Wenn das langfristig gepflegt wird, dann birgt das auch neue ökonomische Ressourcen. Deswegen hoffe ich, dass diese Initiative dazu führt, dass der Stellenwert von Kultur in unserer Gesellschaft in Deutschland und Europa oder vielleicht auch in der Welt unter ganz neuer Prämisse neu diskutiert und intensiviert wird. Ich hoffe natürlich auch - das möchte ich aber nicht an Zahlen festmachen - dass das WCF 2010/11 ein jährliches oder alle zwei Jahre stattfindender Großkongress, zu ganz relevanten Fragen unserer Gesellschaft wird. Hier sollen die wichtigen Zusammenhänge unserer Kultur diskutiert werden. Wenn wir das schaffen, dann wäre dieser Traum in Erfüllung gegangen.
MZ: Herr Frey, ich bedanke mich ganz herzlich für das Interview.
HANS - JOACHIM FREY Jg. 1965, Opernsänger und Diplom Musiktheaterregie sowie Kulturmanagement in Hamburg. Lehraufträge im Kulturmanagement an den Musikhochschulen in Hamburg, Weimar sowie an der Hochschule Bremen. 1993-1995 Künstlerischer Betriebsdirektor am Theater Eisenach, dann bis 1997 Künstlerischer Betriebsdirektor am Bremer Theater. Von Mai 1997 bis April 2007 Künstlerischer Betriebsdirektor und dann Operndirektor der Semperoper. Seit August 2007 ist er Generalintendant des Theater Bremen. Hans-Joachim Frey ist Gründer und Vorstandssprecher des 2003 gegründeten Internationalen Forum für Kultur und Wirtschaft, FORUM TIBERIUS in Dresden.
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