28.12.2015
Interview zur 9. Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement

Wie kann sich Kulturmanagement messen lassen?

Eine Evaluation soll sachliche Antwort auf die Frage geben, ob ein Projekt oder eine Einrichtung die angestrebten Ziele erreicht. Das ist im Kulturmanagement ein komplexer Vorgang, da der angestrebte Zweck teils abstrakt ist, wenn es um kulturelle Bildung oder die Persönlichkeitsentfaltung geht. Teils ist er aber sehr konkret, denn Prozesse und Qualität des Kulturmanagements kann man durchaus bewerten. Mit dieser Kluft zwischen Theorie und Praxis beschäftigt sich die Jahrestagung des Fachverbands Kulturmanagement vom 14. 16. Januar 2016. Wir sprachen zuvor mit dem Kultursoziologen Tasos Zembylas darüber, warum sich Kulturmanagement und Kulturproduktionen messen lassen müssen.
KMN: Herr Zembylas, Evaluationen sollen helfen, Qualität und strategische Entwicklung sowohl in künstlerischer als auch in prozessualer Hinsicht zu verbessern. Wie macht man das bisher im Kulturbereich?
 
TZ: Die Betriebswirtschaftslehre hat seit den 1920er Jahren Wege gesucht, um Prozesse und Leistungen von Unternehmen zu analysieren und zu bewerten. Solche Vorhaben operieren in der Regel mit Indikatoren, die in einem metrischen System darstellbar sind. Diese werden im idealen Fall als rohe Fakten aufgefasst, die den Ist-Zustand eines Unternehmens abbilden. Umstritten ist aber, ob alle relevanten Indikatoren tatsächlich mit Zahlen darstellbar sind z.B. in Euro oder als Anzahl von BesucherInnen, Aufführungen, medialen Berichterstattungen. Es gibt auch die Möglichkeit, Evaluationen zu konzipieren, die qualitative Daten erheben und auswerten, die sich für den öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereich und damit die Kultur u.U. besser eignen. Die Sozialwissenschaften bieten hierfür einige methodische Instrumente an.
 
KMN: Was wird denn im Kulturbetrieb alles evaluiert? Und wo liegen hier Herausforderungen?
 
TZ: Evaluationen von einzelnen Kulturorganisationen beziehen sich meistens a) auf die Zielerreichung bzw. die strukturelle Performanz, b) auf die Kostenstruktur und den Effizienzgrad der verwendeten Ressourcen und c) auf die kulturelle Wirkung in einer Region und die Erreichung bestimmter BesucherInnengruppen. Aber generell gibt es nichts, was man nicht evaluieren könnte, denn Bewertungen konstituieren jedes Praxisfeld.
 
Es ist aber so, dass Bewertungsmethoden immer Begrenzungen aufweisen. Die verwendeten Konzepte und Indikatoren blenden stets einige Faktoren aus. Andere lassen sich schlicht nicht messbar darstellen. In manchen Fällen mag man das Nichterfasste und das Unmessbare als peripher und vernachlässigbar einschätzen. In anderen Fällen kann gerade das von den Verantwortlichen als der Kern der Leistung gesehen werden, sodass sich hier Konfliktpotentiale zwischen dem Selbstverständnis einer Kulturorganisation und der Bewertungslogik von Stakeholdern oder Geldgebern ergeben können, wenn diese sehr stark auf Zahlen pochen. Die gängigen Evaluationsinstrumente, die Unternehmensberatungen üblicherweise anwenden, befriedigen daher nur teilweise die Erwartungen von Kulturorganisationen.
 
KMN: Welche Schwierigkeiten treten bei Evaluierungen auf, die für den Kulturbereich spezifisch sind?
 
TZ: Entscheidend ist die Wertungskompetenz der Evaluierenden. Notwendig sind meines Erachtens stets domänenspezifische Erfahrungen oder Praxiswissen. Denn sonst ist es kaum vermeidbar, dass man Kategorien anwendet, deren Relevanz fachlich umstritten ist. Vergessen wir nicht, dass Evaluationen als Auftragsstudien ein Geschäftsfeldsind. Naturgemäß beanspruchen BeraterInnen eine generalisierte Wertungskompetenz und behaupten, objektiv zu wissen, was ein guter Kulturbetrieb ist. Wir sollten uns aber von einer solchen Rhetorik nicht blenden lassen. Die Auftragsvergabe ist eine verantwortungsvolle Angelegenheit im Kulturmanagement, die ebenso auf Erfahrungen und Bewertungen fußen sollte, denn man kann mit falschen Evaluationsaufträgen Schaden anrichten.
 
Ich denke, dass die kontextuelle Einbettung von Kulturorganisationen oft nicht in angemessener Weise berücksichtigt wird. Viele Evaluationen betrachten Organisationen stillschweigend als isolierte Monaden und übersehen entscheidende Rahmenbedingungen, die strukturierend auf sie wirken. Und die wenigen Evaluationen, die kontextuelle Aspekte berücksichtigen wie zum Beispiel Konflikte mit Stakeholdern, die Lage der MitbewerberInnen, gegebene Marktstrukturen, die Wirksamkeit kooperativer Netzwerke sowie gatekeeping-Prozesse haben keine ausdifferenzierten Konzepte, um die Beziehungen zwischen einer Organisation und ihrem Kontext auszuarbeiten. Das mag manchmal auch daran liegen, dass der Auftraggeber den Evaluationsauftrag zu eng definiert. Aber es liegt auch in der Verantwortung der EvaluatorInnen, die notwendige Breite der Studie dem Auftraggeber zu vermitteln.
 
KMN: Welche Rolle spielen Kulturmanager bei Evaluierungen? Und welche Rolle spielt Evaluation in der Kulturmanagement-Lehre?
 
TZ: In gewisser Weise sind Bewertungen im alltäglichen kulturmanagerialen Handeln integriert. Sie werden durchgeführt, um etwas zu planen, beizubehalten oder zu verändern. In diesem Sinne müssen wir nicht nur an externe Evaluationsstudien denken. KulturmanagerInnen in Kulturorganisationen sollten regelmäßig Foren der Selbstbewertung und Selbstreflexion schaffen. Damit werden sie zu reflective practitioners also zu Personen, die gemeinsam mit ihren KollegInnen die Bedingungen ihrer Arbeit reflexiv erfassen und gegebenenfalls problembezogene Veränderungen initiieren können. Hierfür gibt es auch den Begriff action research, der in den Sozialwissenschaften Verwendung findet. In diesem Sinne ist interne Evaluation ein Mittel des Qualitäts- und Wissensmanagements. Solche reflexiven Praktiken lehrt und lernt man am ehesten, in dem man sie in der Ausbildung selbst praktiziert und nicht, indem man Evaluation als theoretischen Lehrstoff behandelt.
 
KMN: Sie sind spezialisiert auf Evaluation der Kulturpolitik. Wo liegen hier die Besonderheiten und Herausforderungen?
 
TZ: Evaluationen im öffentlich-rechtlichen Sektor anders als Evaluationen in privaten Unternehmen unterliegen übergeordneten, meist verwaltungsrechtlichen Regelungen. Im Fokus solcher Evaluationen liegt neben der Evaluation von öffentlich geförderten Projekten oder Organisationen vor allem auch das öffentliche Handeln selbst, z.B. einschlägige Regelungen, implementierte Verfahren, konzeptionelle und programmatische Aspekte, Zielerreichung und nicht-intendierte Effekte.
 
Evaluationsstudien des kulturpolitischen Handelns können idealerweise die Sachlichkeit und demokratiepolitische Qualität von Entscheidungen fördern. Manchmal gibt es parteipolitische Interessen, wenn es darum geht, bestimmte Entscheidungen nachträglich oder antizipierend zu legitimieren. Manchmal geht es um Kontrolle, wenn etwa der Gemeinderat oder Landtag nach einer Evaluation ruft. Manchmal gibt es auch eine genuine Veränderungsbereitschaft, so dass die Verantwortlichen durch den fremden Blick der EvaluatorInnen zu neuen Ideen kommen wollen.
 
Ich bin davon überzeugt, dass Evaluationen in der Kulturpolitik notwendig sind, wenn die Zivilgesellschaft bzw. die Öffentlichkeit und diese schließt auch die Kulturorganisationen selbst ein eine Begründungs- und Rechenschaftspflicht einfordert. Aber Evaluationen lösen nicht immer die Kernprobleme, denn auch sie sind manipulativ und manipulierbar. So stelle ich bezugnehmend auf meine Erfahrungen mit Bedauern fest, dass die zugrundeliegenden Motive und Interessen für die Beauftragung einer Evaluationsstudie oft intransparent bleiben oder manchmal nur Nebenschauplätze evaluiert werden. Dies gilt sowohl für die Evaluation der Kulturpolitik selbst als auch der von ihr geförderten Projekte und Organisationen. Außerdem kommt es vor, dass Evaluationsstudien nur unvollständig veröffentlicht werden bzw. aus angeblich datenrechtlichen Gründen gänzlich in den Schubladen der zuständigen PolitikerInnen verschwinden. Selten habe ich ein Evaluationsteam gesehen, dass sich der Öffentlichkeit gestellt und gemeinsam mit dem Auftragsgeber und den Betroffenen die Ergebnisse der Evaluation kritisch reflektiert hat. Hier sollten Kultureinrichtungen ansetzen, um Evaluationsergebnisse als Argument für ihr Handeln, ihr Planen und ihre Unterstützung nutzen zu können.
 
Tasos Zembylas ist Professor für Kulturbetriebslehre an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Von 2002-2007 leitete er das dortige Aufbaustudium für Kulturmanagement und war mehrere Jahre im Vorstand des Fachverbands Kulturmanagement sowie des European Research Networks Sociology of the Arts aktiv.

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