20.06.2016

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Volker Kirchberg
ist Kultursoziologe und seit 2004 Professor für Kulturvermittlung und Kulturorganisation an der Fakultät Kulturwissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg. Zuvor war er Leiter des Basica Forschungsinstituts Hamburg sowie an den Instituten für Soziologie der FU Berlin und der William Paterson Universität New Jersey tätig. 
Verena Teissl
Verena Teissl ist Professorin für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft an der FH Kufstein Tirol. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Festivalmanagement und Kulturtourismus.
Interview mit dem Vorstand des Fachverbands Kulturmanagement

Kontinuität und Pluralismus

Der Fachverband Kulturmanagement hat einen neuen Vorstand. Die Mehrheit der neun ExpertInnen aus Lehre und Forschung ist zum ersten Mal in diese Funktion gewählt worden. Als Vorstandsmitglieder haben Sie die Aufgabe, den Fachdiskurs im Kulturmanagement zu stärken. Wir sprachen mit den Vorsitzenden Prof. Dr. Volker Kirchberg und Dr. Verena Teissl über die wichtigsten Themen und die strategische Ausrichtung des Fachverbandes in den nächsten Jahren.
KMN: Der im Januar 2016 neugewählte Vorstand möchte den Fachverband Kulturmanagement neu positionieren und auch inhaltlich stärken. Was waren die Ergebnisse der bisherigen Strategie-Sitzungen?
 
Volker Kirchberg: Schon in der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahl war für uns klar, dass wir aus den unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen des 9-köpfigen Teams schöpfen möchten. Bei den Aspekten, die wir künftig bearbeiten möchten, sind wir uns ziemlich einig. Dabei geht es um Öffentlichkeitsarbeit, Finanzierung oder neue Kooperationen und inhaltlich beispielsweise um Internationalisierung und Nachwuchsförderung. Eine absolute Neupositionierung ist aber nicht notwendig, denn der Fachverband hat eine gute Mission und die bleibt auch bestehen.
 
Verena Teissl: Der alte Vorstand hat Pionierarbeit geleistet, den Fachverband mit der Jahrestagung, der peer-reviewed-Zeitschrift und einer sehr umfassenden Homepage aufgebaut. Karen van den Berg und ich waren schon einmal dabei und versuchen, diese Kontinuitätsgedanken mitzutragen. Da wir jetzt ein sehr großer Vorstand sind, ergeben sich geänderte Dynamiken und es entsteht eine breite Fülle an unterschiedlichen Zugängen. Die Potenziale dieses Pluralismus gehören im Kulturmanagement zu den zentralen Aspekten. Außerdem sehen sich Leticia Labaronne und ich als Ländervertreterinnen für die Schweiz und Österreich und ich möchte die Unterschiede und verschiedenen Schwerpunkte der nationalen und regionalen Kulturlandschaften stärker aufs Tablett bringen und positiv nutzen.
 
KMN: Welche Aufgabenbereiche sollen mit der Vielzahl an Vorstandsmitgliedern ausgebaut werden? Wo liegen auch Schwierigkeiten, zum Beispiel für die Abstimmungsprozesse?
 
VK: Ich finde neben den genannten Punkten zum Beispiel eine bessere Nutzung der digitalen Medien wichtig, um gleichberechtigt mit Mitgliedern, Interessierten und Partnern sprechen zu können. Ein zentraler Punkt ist auch die Förderung der Kulturmanagement-Lehre und den Fachverband hier als Vertretung für deren Weiterentwicklung zu verstehen. Wir haben von Beginn an als Team Verantwortlichkeiten verteilt, um effektiver arbeiten zu können. Insgesamt wollen wir viele Aspekte verstärkt zusammen besprechen und bearbeiten.
 
VT: Der Austausch ist absolut wichtig auch als Signal nach außen. Die meisten der Punkte, die Volker Kirchberg genannt hat, waren bereits schon im alten Vorstand gegenwärtig, aber es hat an Ressourcen gefehlt, wie man mit ihnen umgehen, sie vertiefen und ausbauen kann. Ich würde noch den stärkeren Diskurs über die Potenziale zwischen FH und Unis ergänzen. Das kann sehr befruchtend sein in Hinblick auf Forschungsmodelle, Erwartungen an Forschung und Angewandtheit oder den Austausch zwischen Hochschulen und Bildungseinrichtungen. Und der neue Vorstand bildet diese Mischung der akademischen Landschaft sehr gut ab.
 
VK: Das zeigt sich auch daran, dass Verena Teissl als Vertreterin der Fachhochschule und ich als Soziologe an einer kulturwissenschaftlichen Fakultät zusammen den Vorsitz haben. Für mich ist es wichtig, dass wir diese beiden Seiten vereinen und über Stärken, Schwächen und Ergänzungen anstatt über Statusdünkel sprechen. Genauso werden wir uns als Vorstand möglichst oft treffen und die vorstandsinterne Kommunikation ausbauen, um Spannungen aufdecken und nutzen zu können. Mit den verschiedenen Perspektiven kann man ja kreativ umgehen und transdisziplinär arbeiten. Sie befördern beispielsweise Forschungskooperationen und die Frage, mit wem wir und die Mitglieder inhaltlich zusammenarbeiten könnten.
 
VT: Dazu gehört, die Mitgliederbindung zu verstetigen und sie aktiver in die Diskussionen und Themen einzubeziehen. Wir möchten die Meinungsvielfalt, die wir im Vorstand und bei den Mitgliedern haben, für die Entwicklung des Fachverbandes nutzen und die Bedürfnisse und Erwartungen besser abbilden.
 
KMN: Ein wichtiges Thema im Kulturmanagement ist der Transfer zwischen Forschung und Praxis. Wie möchte der Fachverband hier künftig als Vermittlungsstelle agieren?
 
VK: Für mich sind Forschung und Praxis kein Gegensatz und das möchten wir als Vorstand mit unseren verschiedenen Hintergründen künftig verdeutlichen. Natürlich gibt es Forschung, die rein theoretisch orientiert ist. Und es ist klar, dass nicht jeder, der in einer Kultureinrichtung arbeitet, die Zeit hat, jede Publikation zu lesen oder seine Informationsbedarfe an die Hochschulen weiterzugeben. Deshalb gehört das Thema Transfer für mich ganz klar zum Bereich der schon angesprochenen inter- und vor allem transdisziplinären Forschung. Während interdisziplinär bedeutet, dass die unterschiedlichsten Disziplinen gemeinsam und mutig neue Wege beschreiten müssen, geht transdiziplinär noch einen radikalen Schritt weiter: Auf der einen Seite müssen die Akademiker ihren häufig noch vorhandenen Statusdünkel ablegen und mit und von den Erfahrungen der Praktiker auf Augenhöhe lernen wollen. Auf der anderen Seite müssen auch die Praktiker ihre Distanz zur (Grundlagen-)Wissenschaft aufgeben, denn nur gemeinsam können beide den Gegensatz einer wissenschaftlichen und einer praktischen Beschäftigung mit dem Kulturmanagement überwinden.
 
VT: Ich glaube, man muss sich damit auseinandersetzen, dass es ein bestimmtes Bild von den Menschen gibt, die im Kulturbetrieb arbeiten, und dass das je nach Region oder Sektor ein anderes sein kann. Mein Bild ist eines von Menschen, die zum Großteil aus geisteswissenschaftlichen Studiengängen kommen, eher theoretisch orientiert sind und sich als Arbeiter an der Gesellschaft verstehen. Das deckt sich weitgehend mit dem Anspruch, den ein Wissenschaftler im weiter gefassten kulturwissenschaftlichen Feld hat. Diese Gemeinsamkeit zwischen Praxis und Forschung sollte man nicht vergessen. Außerdem ist es für die Forschung wichtig, Erfahrungswissen zu sammeln und empirisch zu belegen. Kulturmanagement schaut natürlich auf die Kulturwissenschaften, ist aber auch ein Feld der empirischen Auseinandersetzung und Methoden. Transfer zu verstetigen ist dabei ein Prozess, den wir im Vorstand erst beginnen. Gerade bei den Tagungen erleben wir es immer wieder, dass die Teilnehmer aus den Kulturbetrieben konstruktives Feedback an die Forschung geben, und es zu schätzen wissen, ihre Arbeit durch die Brille der Theorie sehen zu können.
 
VK: Mir persönlich liegt die Grundlagenforschung sehr am Herzen, aber ich habe immer Wert darauf gelegt, sie an diejenigen im Kulturbetrieb zu vermitteln, die damit etwas anfangen können. Mit meinem kultursoziologischen Wissen kann ich zum Beispiel helfen, mehr über die jeweiligen Zielgruppen zu erfahren oder über neue Konzepte für ein Haus zu diskutieren. Gleichzeitig lasse ich mich gern anregen, in welchen Bereichen es noch an Grundlagenforschung fehlt.
 
KMN: Nun gibt es immer spezialisiertere Aufgabenbereiche im Kulturmanagement und zugleich immer mehr verwandte Studiengänge. Ist deren Ausdifferenzierung und Profilierung ein Thema Ihrer Agenda auch in Hinblick auf die Employability der Absolventen?
 
VT: Das ist ein komplexes Thema. Ich glaube, dass der Fachverband vor allem die Aufgabe hat, Wissen darüber zu transportieren, vor welchen konkreten Problemen die einzelnen Studiengänge stehen. Dazu gehört, den Austausch zu verstärken zwischen den Spezialisierungen, Tätigkeitsfeldern und Perspektiven auf das Fach zu stärken. Gleichzeitig glaube ich, dass es wichtig ist, das Operative und das Gesellschaftskritische in der Lehre zu trennen. Denn auch wenn die Methoden der Reflexion dieselben bleiben, ändern sich die Themen, die die Studierenden und den Kulturbetrieb beschäftigen.
 
VK: Da kann ich nur zustimmen. Die Dozenten aus der Praxis, die ja potentielle Arbeitgeber sind, bestätigen uns immer wieder, dass die Studenten das harte Handwerkszeug in der Praxis lernen können, aber das kritische Denken, die verschiedenen Blickwinkel auf die Kultur und die gesellschaftskritischen Zusammenhänge, in denen sie stattfindet und funktioniert, müssen ihnen die Studiengänge beibringen.
 
KMN: Schon öfter wurde diskutiert, ob der Fachverband Mitglieder aus der Praxis, aus anderen Disziplinen oder Studenten aufnehmen sollte. Soll solcher Input künftig eine größere Rolle spielen?
 
VK: Wir möchten die Möglichkeit, Mitglied zu werden, in jedem Fall lockern. Zu Beginn wollte der Fachverband sich als akademisch orientierter Verband des Kulturmanagements vorstellen und von anderen abgrenzen. Diesen Schwerpunkt werden wir nicht ändern, aber nach zehn Jahren können wir eine größere Offenheit zeigen, um einen größeren Kreis von potentiellen Mitgliedern anzusprechen. Wir haben zum Beispiel die Idee, es durch neue Mitgliedsund Zahlungsstrukturen attraktiver für Studierende zu machen, im Fachverband mitzuarbeiten.
 
VT: Genau, wir möchten mithilfe des Verbands künftig mehr Wissen vermitteln und die Vernetzung stärken und zwar in verschiedenste Richtung. Wir möchten zum Beispiel aktivierende Methoden verwenden und Perspektiven erweitern, sodass etwa aus der Nachwuchsförderung Wissen an die Lehrenden zurückfließt.
 
VK: Das ist ein wichtiger Punkt und passt gut zu dem Komplex der Inter- und Transdisziplinarität, also über die Disziplin hinaus auf Augenhöhe mit den Praktikern zusammen zu arbeiten und zu erkennen, dass die Grenzen zwischen Praxis und Wissenschaft eben oft verschwimmen. Forschung findet nicht nur an den Hochschulen statt, sondern auch an den Kultureinrichtungen. Sie zusammenzubringen, sehen wir als Aufgabe des Fachverbands. Als Forscher im akademischen Bereich können wir Kultureinrichtungen mit einem externen, objektiven Blick und anderen Kompetenzen, beispielsweise aus der empirischen Forschung, konstruktiv aufzeigen, was im jeweiligen Haus nicht so gut funktioniert und warum. Aber gleichzeitig ist es für Mitarbeiter an Universitäten aus rechtlichen Gründen nicht mehr so einfach, hier tätig zu werden, und da sehe ich den Fachverband als Schnittstelle. Diesen Bereich haben wir aber erst in Ansätzen besprochen.
 
VT: Aus Sicht der (österreichischen) Fachhochschulen kann man auf das Paradigma der sogenannten angewandten Forschung anstatt Grundlagenforschung verweisen, das in manchen Fällen auch Auftragsforschung beinhaltet, wie beispielsweise Evaluationen von öffentlichen Förderungen oder Status-Quo Analysen zur Interkulturalität in Kulturbetrieben. In die sind Studierende eingebunden. Das ganze Potenzial der unterschiedlichen Forschungskonzepte aus Uni und FH und der Fachverbandsmitglieder besser zu nutzen, wird eine große Aufgabe sein, für die wir Zeit brauchen. Dabei werden wir auf die Aufbauarbeit des alten Vorstands zurückgreifen können.
 
VK: Zudem wollen wir gern die Kooperation mit anderen akademischen Verbänden stärken, die zumindest in Deutschland genauso wie zum Beispiel die DFG Kulturmanagement als Forschungsdisziplin nicht anerkennen. Als Lobbyorganisation sollte der Fachverband sich dafür einsetzen, dass sich das ändert, auch weil die typischen überspezialisierten Fachkommission nicht zur heutigen Vorstellung von Interdisziplinarität passen. Das sieht man am Beispiel Kulturmanagement sehr gut. Da ist der Schweizer Nationalfond schon viel weiter.
 
VT: In Österreich ist es ähnlich wie in Deutschland, da sind auf nicht-akademischer Ebene vor allem Interessensvertretungen von Kunst- und Kulturschaffenden interessante Partner: Sie betreiben Forschung und kulturpolitisches Lobbying für den alternativen, gemeinnützigen Sektor, der hohes Potenzial hat. Forschungsgelder zu akquirieren ist im Fachhochschulsektor an sich schon um einiges schwieriger, aber auch auf Uni-Ebene sind die Möglichkeiten beschränkt. Hierfür kann sich das länder- und institutionsübergreifende Netzwerk der Fachverbandsmitglieder als wertvoll erweisen.
 
Das Interview führte Kristin Oswald.
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im KM Magazin Juni 2016
 

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