08.09.2016

Autor*in

Andri Jürgensen
Künstlersozialkasse

Wie funktioniert sie, für wen ist sie zuständig, wer muss Abgaben zahlen?

Für viele selbstständige KünstlerInnen und PublizistInnen leistet die Künstlersozialversicherung einen unverzichtbaren Beitrag zur Existenzsicherung. Unternehmen hingegen ist sie oftmals nur ein Dorn im Auge. Vor kurzem kritisierten Unternehmensverbände erneut das Modell, das ihrer Ansicht nach Bürokratie und hohe Kosten verursache. Dabei sinkt der Abgabesatz für Unternehmen bereits 2017 von 5,2 auf 4,8 Prozent.
Grund für die Absenkung des Beitrages ist Medienberichten zufolge eine größere Abgabegerechtigkeit, die durch intensivere Kontrollen der Deutschen Rentenversicherung und der Künstlersozialkasse bei den Arbeitgebern erreicht werden konnte. Dadurch kamen insgesamt mehr Unternehmen ihrer Abgabepflicht nach, sodass die Abgabelast nun gleichmäßiger verteilt werden kann und damit für das einzelne Unternehmen geringer ausfällt. Zudem basiert die Kritik von Seiten der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände auf einer wohl nicht aussagekräftigen Studie von 2008, die die Belastung der deutschen Wirtschaft durch die Künstlersozialabgaben belegen soll. Sollten die Abgaben zur Künstlersozialkasse wegfallen, müssten selbstständige Kreative ihre soziale Absicherung auf ihren Stundenlohn aufschlagen - eine Praxis, die sich kaum ein Selbstständiger im ständigen Wettbewerb der Kreativwirtschaft leisten kann.

Eine Absicherung für künstlerische Existenzen

Eine Existenzgründung im Kunst- und Medienbereich ist besonderen Bedingungen unterworfen. Oft geringe und zudem stark schwankende Einkünfte der Selbständigen machen den Start in die eigene berufliche Existenz nicht leicht. Auf der Strecke bleibt unter solchen Bedingungen in vielen Fällen die eigene Vorsorge für Krankheit und Alter - das eingenommene Geld wird für andere Dinge ausgegeben, aber nicht für eine Rentenvorsorge, zuweilen bleibt auch die Krankenversicherung auf der Strecke.

Um diesem Umstand abzuhelfen, hat die Bundesregierung in den 70er Jahren das Projekt Künstlersozialkasse auf den Weg gebracht. Der Grundgedanke: für die selbständigen Künstler und Publizisten wird die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung eingeführt. Um die Finanzierung der Beiträge zu erleichtern, zahlt die Künstlersozialkasse 50 % der Beitragshöhe als Zuschuss. Selbständige Künstler und Publizisten sind damit ähnlich abgesichert wie Arbeitnehmer.

Erwirtschaftet werden die Beitragszuschüsse insbesondere durch die Künstlersozialabgabe. Diese müssen alle Unternehmen und Einrichtungen leisten, welche regelmäßig künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten: Bühnen, Verlage und Museen ebenso wie TV-Produktionsfirmen oder Musikschulen. Abgabepflichtig sind aber auch die sog. Eigenwerber, also Unternehmen und Einrichtungen, welche Werbung für sich betreiben und freie Grafiker, Designer, Texter oder Fotografen hiermit beauftragen. Die Rechtsform schützt dabei nicht vor der Abgabepflicht: Auch als gemeinnützig anerkannte, gemeinnützige Vereine sind erfasst, ebenso Verbände, Stiftungen und auch öffentlich-rechtliche Körperschaften.

Der Vorteil für die freien Künstler und Publizisten liegt auf der Hand: Sie erhalten trotz ihrer Selbständigkeit eine geförderte Absicherung in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung. Natürlich lässt sich fragen, warum gerade Künstler und Publizisten diese bevorzugte Behandlung erfahren und nicht auch andere Freiberufler. Kritisch wird auch angemerkt, dass der Aufwand durch die Künstlersozialabgabe für die Unternehmen in keinerlei Verhältnis steht zu der geringen Anzahl der Versicherten - derzeit sind über 180.000 Personen bei der KSK als versicherungspflichtig gemeldet.

Für wen ist die Künstlersozialkasse zuständig?


Im Alltag stellen sich den Versicherten aber andere Fragen. Zunächst einmal natürlich: Welche Berufsgruppen sind künstlerisch oder publizistisch tätig und damit versicherungspflichtig? Wonach bemisst sich die Beitragshöhe? Und welche Veränderungen wird es künftig geben?

Schon die erste Frage gehört zu den schwierigsten im ganzen Recht der KSK. Denn eine Definition der Begriffe Kunst und Publizistik der Gesetzgeber - in weiser Zurückhaltung - gar nicht erst versucht. Es wäre ihm auch nicht gelungen. In § 2 KSVG heißt es lediglich, dass Kunst im Sinne des KSVG das Ausüben, Schaffen oder Lehren von Musik, darstellender Kunst oder bildender Kunst sei. Was aber darstellende Kunst oder bildende Kunst sind, wurde ebenso wie der Begriff der Publizistik der Ausarbeitung durch die Praxis der Verwaltung und Gerichte überlassen.

Im Laufe der Jahre hat sich in der Rechtsprechung herausgebildet, dass Kunst stets ein »Mindestmaß eigenschöpferischer Gestaltung« erfordere. Wer nicht schöpferisch tätig wird -wobei ein geringes Niveau ausreicht - ist nicht Künstler im Sinne des KSVG. Kuratoren beispielsweise sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht selbst schöpferisch tätig, sie stellen lediglich fremde Kunst aus. Assistenten sind ebenfalls nicht eigenschöpferisch tätig, sondern weisungsabhängig, und damit keine Künstler (sie versuchen dies oftmals dadurch zu umgehen, dass sie ihre Rechnungen an die Auftraggeber anders formulieren. Dann allerdings muss der Auftraggeber auf die vermeintlich künstlerische Leistung die Künstlersozialabgabe leisten).

Die KSK prüft die Voraussetzungen der Versicherungspflicht und insbesondere die ausgeübte Tätigkeit normalerweise sehr kritisch. Denn infolge des steten Anstiegs der Versichertenzahlen ist auch der Zuschussbedarf gestiegen und damit auch der Abgabesatz für die Künstlersozialabgabe. Die Bundesregierung hat deshalb erheblichen Druck auf die KSK ausgeübt, den Anstieg der Versichertenzahlen abzubremsen. Manche Berufsgruppen, die früher problemlos aufgenommen wurden, werden deshalb heute aus der Versicherungspflicht rausgehalten. So hatte das Bundessozialgericht beispielsweise im Bereich Tanz nur Ballett und Modern Dance als Kunst eingestuft; erst vor einigen Monaten wurde diese rigorose Linie aufgeweicht und auch Hip Hop und Jazz Dance wieder in den Kreis der künstlerischen Tänze aufgenommen.

Überblick über die eigenen Finanzen

Wer zum Kreis der Versicherungspflichtigen gehört, zahlt monatliche Beiträge an die KSK. Diese leitet die Beiträge mitsamt den Zuschüssen an die zuständige Krankenkasse weiter als der Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Höhe der Beiträge stellt eine Besonderheit dar, die immer wieder Anlass für Kritik und Irritationen gibt. Denn Grundlage für die Beitragshöhe ist eine Prognose: Welchen Gewinn erwartet der Versicherte im kommenden Kalenderjahr? Jeder Versicherte muss der KSK zum 1. Dezember eines Jahres melden, welchen Gewinn er im kommenden Jahr erwartet. Gibt er beispielsweise 10.000 also Prognose an, berechnen sich die Beiträge auf der Grundlage dieser Zahl.

Natürlich ist der künftige Gewinn nur schwer abzuschätzen, kaum eine Prognose wird sich einmal genau mit der Realität treffen. Deshalb kann der KSK jederzeit im Laufe des Jahres auch eine Korrekturmeldung vorgelegt werden. Die Beiträge werden dann anhand der neuen Gewinnprognose nach oben oder unten angepasst - dies allerdings nur für die Zukunft, nicht für die bereits vergangenen Monate des Jahres.

Faktisch aber nutzen viele der Versicherten die Prognose, um wissentlich eine zu geringe Gewinnerwartung abzugeben und darüber eine günstige Absicherung in der Sozialversicherung zu erhalten, insbesondere in der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit aber stehen den heuten Sozialkassen weniger Einnahmen zur Verfügung, als dies bei realistischen Prognosen der Fall wäre. Das wiederum hat die Bundesregierung auf den Plan gerufen: sie will durch verstärkte Überprüfungen der Versicherten erreichen, dass realistische Prognosen abgegeben werden. Im Rahmen der Prüfungen fordert die KSK Kopien der Einkommensteuerbescheide der vergangenen Jahre an und vergleicht die Prognosen mit den tatsächlich erzielten Gewinnen. Weichen die Prognosen zu stark nach unten ab, verhängt die KSK auch Bußgelder.

Eine Pflichtabsicherung für selbstständige Künstler

Wie beim Arbeitnehmer steigt mit einem zunehmenden Einkommen auch der monatliche Beitragssatz. Gut verdienenden Künstlern und Publizisten stellt sich daher oft die Frage, ob sich die KSK für sie noch »lohnt« - oder ob eine private Absicherung nicht lukrativer wäre. Nur: es handelt sich um eine Pflichtabsicherung, es besteht keine Freiwilligkeit und kein Wahlrecht. Man kann der KSK also nicht durch einen einfachen Brief mitteilen, dass man »austreten« will. Wer einmal als Versicherungspflichtig bei der KSK gemeldet ist, bleibt es auch, solange er eine selbständige künstlerische Tätigkeit ausübt. Auch, wenn das Einkommen steigt.

Ausnahmen gibt es laut KSVG nur, wenn ein Versicherter noch andere Tätigkeiten ausübt, entweder eine selbständige nichtkünstlerische oder in abhängiger Beschäftigung arbeitet, und die Einkünfte hieraus über bestimmten Werten liegen.

Jeden selbständigen Künstler und Publizisten trifft eine gesetzliche Pflicht, sich bei der KSK zu melden, damit diese die Versicherungspflicht prüfen und dann feststellen kann. Allerdings regelt das KSVG keine Sanktionen, wenn sich ein selbständiger Künstler bei der KSK nicht meldet. Die KSK sucht auch nicht aktiv nach Versicherungspflichtigen, die noch nicht gemeldet sind. Die Versicherungspflicht gilt auch stets erst ab der Meldung bei der KSK, so dass keine Beiträge für die Vergangenheit nachzuentrichten wären.

Im Interesse aller: Unternehmen müssen Abgabepflicht nachkommen

Anders hingegen bei den abgabepflichtigen Unternehmen. Diese werden von der KSK aktiv gesucht, sie müssen die Künstlersozialabgabe für die vergangenen fünf Kalenderjahre nachzahlen. Derzeit ist nur ein kleiner Teil der abgabepflichtigen Verwerter auch bei der KSK gemeldet. Entsprechend hoch liegt der Abgabesatz - denn je weniger Unternehmen die nötigen Beitragszuschüsse erwirtschaften, umso mehr muss das einzelne, bei der KSK gemeldete Unternehmen zahlen. Wenn also die Zahl der bei der KSK gemeldeten Unternehmensteigt, kann der Abgabesatz sinken.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 2007 die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) mit ins Boot genommen. Die DRV erfasst bzw. prüft inzwischen 300.000 Unternehmen jedes Jahr. Die Zahl der erfassten Verwerter ist dadurch erheblich gestiegen, von 50.000 im Jahr 2005 auf nunmehr fast 200.000 (2016).

Für die Versicherten hat dies keine direkten Auswirkungen. Die Reformbestrebungen zeigen aber, dass die Bundesregierung ihr Ziel einer »Stärkung der Künstlersozialversicherung« auch erreichen will. Die Unkenrufe der Vergangenheit, welche das Gespenst einer Schließung der KSK beschworen, können also verstummen.

 
Weiterführende Informationen:
 
 

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