03.04.2017

Autor*in

Dirk Feldmann
Dirk Feldmann ist Rechtanwalt und Gründungspartner der Hamburger Kanzlei Unverzagt von Have. Dort ist er tätig als Spezialist für Urheberrecht, Medienrecht und Arbeitsrecht. Er ist Justitiar der Fotografenorganisation Freelens e.V. sowie des VDS Verband Deutscher Sportjournalisten, der I.O. Illustratoren Organisation e.V. sowie Berater der SAZ Spieleautorenzunft und diese Verbände als auch deren Mitglieder in Rechtsfragen, die ihre berufliche Tätigkeit betreffen.
Arbeitnehmenerüberlassungsgesetz

Die Auswirkungen der Reform auf den Kulturbereich

Ab dem 01.04.2017 treten Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) in Kraft, die insbesondere für solche Kultureinrichtungen und Unternehmen von Bedeutung sind, die zukünftig Leiharbeitnehmer beschäftigen wollen. Werden diese Vorschriften außer Acht gelassen, besteht die Gefahr unerwünschter vertraglicher Konsequenzen und der Festsetzung von Ordnungsgeldern.
Leiharbeit wird im Bereich Kultur regelmäßig benötigt. Am häufigsten anzutreffen sind Leiharbeitnehmer als Aufsichts- und Sicherheitspersonal sowie für dauerhafte Reinigung und Veranstaltungsservice. In den letzteren Bereichen wird auch mit Werkverträgen gearbeitet, in denen die Erbringung eines bestimmten Leistungspakets vereinbart wird.
 
I. Die Kennzeichnungspflicht
 
Eine neue Regelung, die zunächst nach einer bloßen Formalie aussieht, kann für den Entleiher schwerwiegende Konsequenzen auslösen. In der Neufassung des §1 Abs. 1 S. 5 AÜG heißt es: Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Leiharbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie den Leiharbeitnehmer überlassen oder tätig werden.
 
Der Gesetzgeber will mit dieser Regelung der ausdrücklichen Bezeichnung erreichen, dass für alle Beteiligten, einschließlich der Leiharbeitnehmer, von Beginn an eindeutig festgelegt wird, dass es sich um ein Leiharbeitsverhältnis handelt. Grund dafür ist, dass in der Vergangenheit häufig eine Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung stattgefunden hat und die Verträge z.B. als Werkverträge bezeichnet wurden, in deren Rahmen ein bestimmtes Aufgabengebiet übernommen und erledigt werden sollte. Dabei war es relativ unproblematisch, wenn nachträglich festgestellt wurde, dass eigentlich eine Arbeitnehmerüberlassung vorlag. Es reichte dann aus, dass der Verleiher eine behördliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hatte. Die Verträge wurden nachträglich entsprechend behandelt.
 
Dies ist nach der neuen Regelung nicht mehr möglich. Die gravierende Rechtsfolge für das entleihende Unternehmen ist dabei, dass im Fall verdeckter Arbeitnehmerüberlassung ungeachtet der vorhandenen AÜG-Erlaubnis ein Arbeitsverhältnis mit dem vermeintlichen Werkbesteller bzw. Auftraggeber zustande kommt. Zwar kann der Leiharbeiter diese Rechtsfolge des Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher verhindern. Dazu muss er aber gebunden an bestimmte Fristen gegenüber der Agentur für Arbeit sowie dem Ent- oder Verleiher erklären, dass er am ursprünglichen Arbeitsvertrag (also mit dem Zeitarbeitsunternehmen) festhalten möchte. Gibt er diese Erklärung nicht form- und fristgemäß ab, wird er als Arbeitnehmer des Entleihers behandelt. Der Entleiher, also die Kultureinrichtung, hat in diesem keine Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten darüber, ob sie den Leiharbeitnehmer beschäftigen möchte.
 
Darüber hinaus wird die Durchführung einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung künftig als Ordnungswidrigkeit auch des Entleihers angesehen, die mit einer Geldbuße bis zu 30.000,00 geahndet werden kann.
 
Neben der Kennzeichnung der abzuschließenden Verträge als Arbeitnehmerüberlassung müssen darin die Arbeitnehmer vor Beginn der Überlassung konkret benannt werden. Im Fall von Rahmenverträgen muss dies für jeden bestimmten Einsatz ganz konkret im Einzelauftrag geschehen. Ein Verstoß gegen diese Informationspflicht kann ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit sein und ein Ordnungsgeld auslösen.
 
II. Neue Überlassungshöchstdauer
 
Gem. § 1 Abs.1b des AÜG wird die Höchstdauer für die Überlassung von Zeitarbeitnehmern auf 18 Monate begrenzt. Die Regelung hat folgenden Wortlaut: Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als 3 Monate liegen.
 
Liegen zwischen zwei Einsätzen desselben Leiharbeitgebers beim gleichen Entleiher mehr als 3 Monate, beginnt die Berechnung des Überlassungshöchstdauer von vorne. Hierbei ist zu beachten, dass es nicht darauf ankommt, ob der Leiharbeitnehmer an unterschiedlichen Arbeitsplätzen eingesetzt wird. Die Vorschrift ist ausschließlich personenbezogen. Das entleihende Unternehmen muss also darauf achten, dass spätestens nach 18 Monaten ein Wechsel erfolgt. Es dürfen aber durchaus im direkten Anschluss auf demselben Arbeitsplatz andere Leiharbeitnehmer eingesetzt werden.
 
Ziel der Regelung ist es, dass künftig weniger Stammarbeitnehmer durch Leiharbeitnehmer verdrängt werden. Die Karenzzeit von 3 Monaten soll Umgehungsstrategien vermeiden helfen. Deswegen gelten auch solche Zeiten als Einsatzzeiten, während der der Leiharbeitnehmer (pro forma) bei einer anderen Zeitarbeitsfirma angestellt ist, aber weiter in demselben Entleiherbetrieb arbeitet. Erst wenn die Karenzzeit von 3 Monaten und einem Tag eingehalten ist, wird eine erneute 18-monatige Beschäftigung des Leiharbeitnehmers im bisherigen Betreib wieder zulässig. Ausnahme von dieser Regelung können in Tarifverträgen der Entleiherbranche vorgesehen werden; für Kultureinrichtungen wird dies wohl eher selten relevant werden.
 
In §19 Abs. 2 AÜG ist im Übrigen eine Übergangsregelung vorgesehen. Danach werden Überlassungszeiten, die vor dem 01.01.2017 liegen, bei der Berechnung der Überlassungszeiten gem. § 1 Abs.1b AÜG nicht mitgerechnet.
 
III. Equal pay Anspruch auf gleichen Lohn nach 9 Monaten
 
Ziel des Gesetzgebers ist es, dass Leiharbeitnehmer wie vergleichbare Stammarbeitskräfte des Einsatzbetriebes bezahlt werden. Theoretisch besteht bereits nach bisherigem Recht (§ 9 Nr.2 AÜG) ein Anspruch auf gleiche Bezahlung und Behandlung. Hiervon kann aber in Tarifverträgen der Leiharbeitsbranche abgewichen werden. Diese gesetzlich erlaubte Schlechterstellung von Leiharbeitnehmern ist künftig auf eine Höchstdauer von 9 Monaten begrenzt. Dies ist in §8 Abs. 4 AÜG geregelt. Ab April 2017 müssen Leiharbeiter und vergleichbare Stammarbeitskräfte daher spätestens nach 9 Monaten gleich bezahlt werden. Ergänzend hierzu wird in § 8 Abs.4 S.4 AÜG jetzt klargestellt, dass Unterbrechungen von Einsatzzeiten bei der Berechnung der Frist keine Rolle spielen, wenn diese drei Monate oder weniger lang dauern. Entsprechend der Höchstüberlassungsdauer hat der Gesetzgeber auch hier eine Übergangsvorschrift vorgesehen (§ 19 Abs. 2 AÜG), wonach Überlassungen vor dem 01.01.2017 nicht zählen.
 
Die Fragestellung, die der Gesetzgeber nicht beantwortet, ist, wie das Vergleichsentgelt der Stammkräfte des Einsatzbetriebes ermittelt werden soll und welche Gehaltsbestandteile zur Berechnung des vergleichbaren Entgeltes eines Stammmitarbeiters einzubeziehen sind. Diese Frage taucht insbesondere dann auf, wenn in den Bereichen, in denen das entleihende Unternehmen Leiharbeitnehmer einsetzt, überhaupt keine vergleichbaren Stammkräfte beschäftigt werden wie dies in Kultureinrichtungen etwa im Bereich des Aufsichts- und Garderobenpersonals öfter der Fall ist. In diesem Fall wird man sich seitens des Entleihers auf Angaben des Verleihers und ggf. auf einschlägige Tarifverträge beziehen müssen.
 
IV. Kein Einsatz der Arbeitnehmern in bestreikten Unternehmen
 
Bislang sah das Gesetz lediglich vor, dass Leiharbeitnehmer nicht dazu verpflichtet sind, bei einem bestreikten Entleiher tätig zu sein. Nun wird den Entleihern gem. § 11 Abs. 5 AÜG verboten, Leiharbeitnehmer zu Streikbrucharbeit heranzuziehen.
 
V. Betriebsratsinformation und Schwellenwertberechnung
 
Die Neuregelung des AÜG hat sich auch auf das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ausgewirkt. Zwar sind die nun festgelegten Unterrichtungspflichten des Betriebsrates nicht neu, sie sollen jedoch mehr Klarheit beim Einsatz von Fremdpersonal sorgen. § 80 Abs. 2 BetrVG wurde dahingehend erweitert, dass der Betriebsrat des Entleiherunternehmens bei der Beschäftigung von Fremdpersonal insbesondere zum zeitlichen Umfang des Einsatzes, zum Einsatzort und zu den Arbeitsaufgaben umfassend zu unterrichten ist. Im Hinblick auf die Unterrichtung zur Personalplanung wird deshalb der Einsatz von Fremdpersonal explizit aufgenommen. Eine weitere Änderung ergibt sich aus § 14 AÜG: Zeitarbeitnehmer sind für die Berücksichtigung der Schwellenwerte des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Unternehmensmitbestimmung zu berücksichtigen. Dies gilt allerdings erst ab einer Einsatzdauer von 6 Monaten. Soweit es für die Rechte des Betriebsrates auf die Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb ankommt, zählen die Leiharbeitnehmer mit. Dies gilt allerdings erst ab einer Einsatzdauer von 6 Monaten.
 
Welche konkreten Auswirkungen diese Gesetzesänderungen in der Praxis haben und ob die Ziele des Gesetzgebers dadurch erreicht werden, bleibt abzuwarten. Wegen der erheblichen Konsequenzen, die den Entleiher bei Verstößen gegen die Vorschriften treffen können, sollte aber ab sofort auf die Einhaltung der Vorschriften geachtet werden.
 

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