03.08.2020

Buchdetails

Kulturbetriebslehre: Zur Dialektik von Kultur und Organisation
von Werner Hasitschka
Verlag: Loecker Erhard Verlag
Seiten: 300
 

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Autor*in

Matthias Munkwitz
ist akademisch geprüfter Kulturmanager. Er war von 2001 bis zu seiner Emeritierung 2017 ord. Prof. an der Hochschule Zittau/Görlitz für Kulturbetriebslehre sowie Studiendekan der Studiengänge Kultur und Management (Bachelor und Master). Lehraufträge an Universitäten und Institutionen in Deutschland, Österreich, Ungarn, Litauen vervollständigen sein berufliches Portfolio.
Buchrezension

Kulturbetriebslehre. Zur Dialektik von Kultur und Organisation

Seit einigen Jahren betrachtet die Forschung (Teil)-Aspekte der Arbeit von Kulturbetrieben. Dabei spielen verschiedene Themen eine Rolle, wie beispielsweise Untersuchungen zur kulturellen Bildung, zur Kulturpolitik und zu Kulturentwicklungskonzeptionen. Systematische Gesamtüberblicke und vor allen Dingen Überlegungen zu Theoriebildungen sind aber immer noch Mangelware. Das könnte sich mit der Publikation "Kulturbetriebslehre - Zur Dialektik von Kultur und Organisation" ändern.
 
Zentraler Ansatz der Publikation des Österreichers Werner Hasitschka, veröffentlicht 2018 im Löcker Verlag, ist die Analyse des Begriffspaars Kultur und Ökonomie, das in seinen unterschiedlichen Bestimmungen zueinander in Verbindung gesetzt wird. Großen Raum nimmt deshalb die Erklärung von Kultur und Organisation ein.

Die Gliederung des Buchs umfasst zehn Kapitel, die keine Untergliederungen aufweisen. Damit sei gleich eine Anmerkung verbunden: Das Fehlen eines Stichwortregisters erschwert das Wiederfinden bestimmter Definitionsstränge nach der Lektüre. Hierzu muss sich der Leser selbst umfangreiche Notizen machen. Ebenso fehlt eine stringente Gliederung, weshalb es eine Vielzahl von Wiederholungen gibt. Allerdings ergeben sich dadurch immer wieder neue Perspektiven auf einen, wie der Leser meint, schon einmal herausgearbeiteten Argumentationsstrang.

Zudem zeigt ein Blick auf die Gliederung bereits, dass es in der "Kulturbetriebslehre" nicht vorrangig um eine betriebswirtschaftliche Sichtweise geht. Es überwiegen philosophisch erkenntnistheoretische Überlegungen. Die Schrift soll auch kein Praxisbuch mit Handlungsanweisungen zum Führen und zur Steuerung von Kulturinstitutionen sein. Es steht nicht  der Kultur-BETRIEB als Institution im Vordergrund, sondern  dessen soziokulturelles Umfeld, wie der Autor selbst erklärt: Es geht "in der vorliegenden Publikation (…) nicht um das >>Wesen<< von Kultur, sondern pragmatisch um den bedeutenden Beitrag von Kultur im Rahmen menschlicher Problemlösung." (S. 45). 
Im Mittelpunkt des Buchs steht Theoriebildung unter dem Gesichtspunkt "wider die Theoriemüdigkeit in den Geisteswissenschaften" (S. 28). Dazu wird eingangs der Versuch unternommen, Kultur zu definieren bzw. festzuschreiben, was Kultur sein könnte, auch durch historische Betrachtung der Begriffsbestimmung.

Was Hasitschka dabei sehr gut gelingt, ist das Herstellen eines Zusammenhangs von Kultur-Definition (Wertesystem) und dem (selbst gestellten) Kultur-Auftrag von Kulturbetrieben, anhand dessen komplexe Symbole als Sinn und Hauptziel der Produktion entwickelt werden. Das ist durchaus eine interessante Herleitung. Zur Theoriebildung ist dabei die Hermeneutik als "Kunst der richtigen Auslegung bzw. Deutung von Texten" (S. 54) wichtig.

Der Unterschied zwischen Wort und Begriff - der Kulturbetrieb als Wissenschaftsgegenstand

Betrachtet man Kulturbetriebe aus wissenschaftlicher Sicht, muss darauf verwiesen werden, dass man sich hier im Feld der Bindestrich-Wissenschaften bewegt. Das erschwert wissenschaftlich exakte Begriffsbestimmungen in Form von Definitionen durch eine Wissenschaftsdisziplin. So bedienen sich beispielsweise sowohl die Kulturwissenschaften als auch die Wirtschaftswissenschaften derselben Worte - es kann aber sein, dass jede Disziplin daraus inhaltlich unterschiedlich definierte wissenschaftliche Begriffe als Kategorien ableitet.
 
Obwohl Hasitschka das im gesamten Text so nicht formuliert: Man hat den Eindruck, dass er einen Denkanstoß in Richtung der Entwicklung eines kultur-philosophisch-ökonomischen Wörterbuchs leisten möchte, d. h. wissenschaftliche Definitionen zu entwickeln, auf die sich die verschiedenen Disziplinen im Bereich des Kulturmanagements einigen können. Dass Theoriebildung ein, wenn nicht das, entscheidende Ziel des Buchs ist, wird im Text immer wieder hervorgehoben. Doch dass damit der Praxisaspekt nicht weiterverfolgt wird, ist keineswegs ein Manko, möchte doch der Autor zur Entwicklung eines Grundmodells "Theorie der Kulturbetriebslehre" beitragen. Dazu beschreibt er ein Schema zur Entwicklung einer transdisziplinären Kulturbetriebslehre (S. 202), in der die Praxis wenig Raum hat.

Das zentrale Gerüst, um das sich alles im Buch dreht - und dessen Herleitungen immer wieder auftauchen und geradezu inflationär gebraucht werden - ist das Begriffspaar Kultur und Organisation als Basisthese der Kulturbetriebslehre (S. 145). Eine Sichtweise ist dabei, den Zusammenhang zum Begriff der zielgerichteten Handlung herzustellen. Hier sieht der Autor einen weiteren Aspekt für die Entwicklung einer Theorie der Kulturbetriebslehre und leitet daraus eine "Kulturalistische Handlungstheorie" (KHT) ab. Damit stellt Hasitschka eine Beziehung zwischen Kultur und der einzelnen Person her, die sowohl als Erkenntnis- als auch als Handlungssubjekt fungiert. "Analog zur Kulturalistischen Erkenntnistheorie (KET) mit dem Kernstück einer dreidimensionalen Interaktion zwischen Subjekt (Erkenntnis), Kultur und Situation präsentiert sich die Kulturalistische Handlungstheorie (KHT) als Interaktion zwischen Subjekt (Handlungsprozess, Organisation), Kultur und Situation" (S. 137). Der Autor formuliert weiter: "Im Sinne einer entscheidungsorientierten praxisnahen Kulturbetriebslehre kommt der Auswahl einer zweckmäßigen Handlungstheorie wesentliche Bedeutung zu" (S. 136).

Die Darstellung der Gliederung eines Grundmodells "Kulturbetrieb und Dialektik" (DIACULT) erfolgt ab Seite 170 als "grundsätzliche dialektische Sichtweise einer transdisziplinären Kulturbetriebslehre i. S. einer wissenschaftlichen Methodik und eines Modells für praktische Problemlösungen". Hierzu werden im Rahmen des Modells DIACULT I bis V unterschieden und hergeleitet. Bevor es im Kulturbetrieb zu Entscheidungen kommen kann, beschreibt DIACULT I die "möglichst genaue Situationsanalyse für jeden einzelnen Kulturbetrieb" (Seite 171) durch Wahrnehmung und Erkenntnis einer Problemsituation. DIACULT II beinhaltet dann die genaue Beschreibung bzw. Erkenntnis der Relation zwischen Kultur und Organisation. Letztlich sollen über die anderen Stufen des Modells Problemlösungen des Konflikts zwischen Kultur und Organisatin gefunden werden.
 
Aufgrund der Komplexität der Angebote von Kulturbetrieben fordert Hasitschka zudem "spartenspezifische Kulturbetriebslehren". Er entwickelt ein Gerüst anhand von Beispielbereichen: Bildung, religiöse Organisationen und Literaturbetrieb als Beispiele für mögliche Spartenlehren innerhalb der Kulturbetriebslehre.
 
Fazit

Jeder Interessent verbindet mit dem Lesen des Titels eines Buchs eine Vorstellung davon, was in diesem dargestellt werden könnte. In der Publikation sind dies auf den ersten Blick die Begriffe Kultur-Betriebs-Lehre. Damit verbunden war bei dem Rezensenten zum einen die Vorstellung, dass es sich um ein Lehrbuch handeln könnte, und zum anderen, dass darin kulturbetriebswirtschaftliche Inhalte präsentiert werden würden. Diese Überlegungen stellten sich allerdings als falsch heraus. Der Untertitel des Buchs von Werner Hasitschka konkretisiert, worum es bei dieser Publikation geht: Um die Dialektik von Kultur und Organisation.

Zudem sei noch einmal betont: Die vorliegende Publikation ist keine Anleitung zum praktischen Handeln, sondern will einen Rahmen schaffen und darstellen, welche Wissenschaftsdisziplinen welche Beiträge zu einer Wissenschaft der "Kulturbetriebslehre" leisten könnten. Es wäre zu wünschen, dass diese Publikation als Anregung verstanden wird, an einer Theoriebildung mitzuwirken. Gleichfalls finden sich schon in diesem Buch genügend Ansätze, um wissenschaftliche Diskussionen auch kontrovers zu führen. Dieses Buch könnte man also als Basisangebot im Sinne einer kulturmanagerialen Erkenntnistheorie betrachten. Vertreter verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen sind aufgerufen, hier mitzuwirken.

Damit ist auch gesagt, an wen sich diese Publikation nicht vorrangig wendet: an Kulturmanager*innen, die ein entsprechendes Unternehmen führen. Auch Studentinnen und Studenten, die sich in ihrem Studium inhaltlich mit praktischer Anwendbarkeit theoretischen Wissens, wie ein Kulturbetrieb zu betreiben ist, finden sich in diesem Buch nicht.

Diese Feststellung soll allerdings nicht bedeuten, dass sich ein Studium dieser Publikation für diese Adressaten nicht lohnen würde. Sie kann eine Bereicherung zu theoretischen Diskursen sein. Es ist so gesehen eine Publikation, die sich an Studierende von Universitätsstudiengängen richtet sowie an Vertreter verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zum Kulturmanagement.

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