27.03.2023

Buchdetails

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Autor*in

Susanne Paesel
studierte Kunstgeschichte, Neue Deutsche Literatur und Medien sowie Management von Kultur- und Non-Profit-Organisationen. Sie arbeitet freiberuflich als Dozentin, Autorin, Kunstvermittlerin, Ausstellungs- und Seminarorganisatorin.
Buchrezension

Wie überlebe ich als Künstler*in?

Mit ihrer Kreativität und Fantasie besitzen Künstler*innen wichtige Voraussetzungen für eine gelingende Selbstvermarktung. Oft haben sie aber eine Scheu vor Selbstdarstellung, die es abzulegen gilt, um im Kulturbereich für potenzielle Förderer*innen und Käufer*innen sichtbar zu werden. "Wie überlebe ich als Künstler*in?" bietet Kreativen dabei praxistaugliche Anregungen und konkrete Hilfestellungen.
 
Eine überarbeitete Werkzeugkiste für die künstlerische Selbstvermarktung
 
Die erste Auflage des Buches "Wie überlebe ich als Künstler?" von Ina Ross ist 2013 im transcript-Verlag erschienen. Die Neuauflage erschien 2022 und wurde vor allem um Inhalte zu Social-Media- und Crowdfunding-Abo-Plattformen erweitert, was einen echten Mehrwert darstellt. Das nur wenige Seiten umfassende Kapitel "Frauen und Kunst" wurde ebenfalls neu aufgenommen. Hier appelliert Ross vor allem für mehr Austausch und Solidarität unter Künstlerinnen, um den immer noch bestehenden wirtschaftlichen Nachteil gegenüber männlichen Kollegen aufzufangen. Der zusätzliche Fokus auf Künstlerinnen spiegelt sich auch in dem nun gegenderten Titel des Buches wider.
 
Auch sind Interviews der Autorin mit Fachleuten aus der Kultur(-förder-)landschaft hinzugekommen, die interessante Einblicke in ihre Arbeitsbereiche geben. Die Spanne der im Buch zu Wort kommenden Gesprächspartner*innen reicht von dem Bühnenkünstler und Puppenspieler Jarnoth über Karin Heyl, Leiterin des kulturellen, sportlichen und sozialen Engagements von BASF, bis hin zum freischaffenden bildenden Künstler Max Rübensal. 
 
Gleich geblieben ist der Untertitel, der "eine Werkzeugkiste für alle" verspricht, "die sich selbst vermarkten wollen". Diese Werkzeugkiste versteht die Autorin als Sammlung praxistauglicher Anregungen, aus der sich Leser*innen je nach Bedürfnis bedienen und sie im Laufe der Zeit um eigene Ideen und Erfahrungen ergänzen können. 
 
Der Inhalt des Buches gliedert sich in sechs Hauptkapitel, die mit Ausnahme des letzten in weitere Themengebiete unterteilt und mit aussagekräftigen Überschriften versehen sind. Der Schwerpunkt der 234 Seiten starken Publikation widmet sich in den beiden umfangreichsten Kapiteln den Fragen "Wie mache ich mich bekannt?" und "Wie finanziere ich mich?" als Künstler*in. Der Schreibstil ist locker und mit Strichmenschen-Zeichnungen illustriert. Die Autorin spricht ihre Leserschaft direkt an und duzt sie, was suggeriert, sie wende sich an ihre ratsuchenden Studierenden.
 
Warum fällt eine authentische Selbstdarstellung oft so schwer?
 
Als Dozentin für Kulturmanagement und Selbstmarketing kennt Ina Ross die Ängste und Unsicherheiten von Studierenden, wenn es um eine realistische Selbsteinschätzung und -vermarktung geht. Einerseits befürchten viele Künstler*innen, ihre Kunstwerke bekämen durch Marketingstrategien ein Image aufgezwungen, dass der künstlerischen Autonomie entgegensteht. Andererseits fällt es besonders jungen Künstler*innen meist schwer, über ihre eigene Arbeit zu sprechen. Allzu oft herrscht die Meinung vor, es bedürfe keiner Vermittlungsarbeit zwischen Erschaffenden und Rezipient*innen, da das jeweilige Werk für sich spreche. Doch genau hier setzt nach Auffassung der Autorin authentisches Künstler*innen-Marketing an. 
 
Gleich im Anfangskapitel "Startvorteil Kreativität" ermutigt sie ihre Leser*innen, "Marketing als ein Werkzeug zu betrachten, um die Freude, die man an seiner eigenen Arbeit hat, mit anderen zu teilen" (S. 10). Nur wer unter Einbringung seiner Persönlichkeit emotional mitreißend und authentisch über das eigene Oeuvre sprechen kann, wird bei potenziellen Käufer*innen und Unterstützer*innen Begeisterung wecken und sich sein künstlerisches Überleben auf einem ressourcenarmen Markt sichern.
 
Welche Möglichkeiten bietet zeitgemäßes Künstler*innen-Marketing?

Der Wandel der Medien- und Meinungslandschaft hat dazu geführt, dass die Kunstöffentlichkeit sowohl in den Printmedien als auch im Internet weniger von Großkritiker*innen bestimmt wird. Für Künstler*innen bedeutet dies, einerseits unabhängiger von der Meinung der "Kritikerpäpste" zu sein, andererseits aber einer unübersichtlicheren Anzahl an Ansprechpartner*innen gegenüberzustehen, die mit passgenauen Informationen versorgt werden wollen.

Die digitalen Marketing-Möglichkeiten ¬- wie beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit auf diversen Social-Media-Plattformen, Guerilla-Marketing oder Crowdfunding im Abo-Modell - ermöglichen es nach Ross allen Kreativen, sich eine persönliche "Werkzeugkiste für die Selbstvermarktung" zusammenzustellen. Damit können sie sich den verschiedenen Akteur*innen gezielt präsentieren und den beruflichen Erfolg unabhängiger von den Gatekeeper*innen der etablierten Medien und der Kunstwelt gestalten.

Was die Autorin hier zu Recht als Chance darstellt, bedeutet aber auch eine noch größere Belastung der Kreativen. Trotz Social Media können sie nicht auf klassische Pressearbeit verzichten, denn nur mit der "Bestätigung durch Autoritäten von außen" (S. 48) erhält das eigene Oeuvre eine "Qualitätsbescheinigung", die Türen zu den eher konservativ ausgerichteten Fördermöglichkeiten öffnen kann. Gleichzeitig müssen Kreative, wenn sie ein Publikum direkt ansprechen oder Kunst-Influencer*innen für sich einnehmen wollen, auf den Social-Media-Plattformen mit aufsehenerregenden Inhalten präsent sein, um aus der großen Masse der Konkurrent*innen herauszustechen. 

Die Pflichten beim künstlerischen Marketing

Es gilt, so Ross, zunächst, die "künstlerische Position" klar zu formulieren, also das Charakteristische der eigenen Kunst in einem "kurzen, aussagekräftigen, neugierig machenden, werbenden Text" (S. 18-19) zu erfassen. Hier hilft es, sich in die potenziellen Kunstkonsument*innen oder Unterstützer*innen hineinzuversetzen, um dann aus einer Außenperspektive auf die eigene Arbeit zu blicken und das Unverwechselbare daran herauszuarbeiten. Diese verinnerlichte "künstlerische Position" befähigt Kreative jedes Genres, authentisch über sich selbst reden und schreiben zu können und somit Pressemitteilungen, Interviews, Sponsoringanträge, Interviews, Atelier- oder Probenbesuche und andere Pflichttermine erfolgreich zu meistern. Da dieser Perspektivwechsel Künstler*innen oft schwerfällt, stellt die Autorin ihren Leser*innen neben praktischen Umsetzungsstrategien auch einige gelungene "Artist Statements" zur Inspiration vor.

Steht das "Artist Statement", folgt die weitere Grundlagenarbeit des künstlerischen Marketings, auf die Ina Ross in den beiden Schwerpunktkapiteln ihrer Publikation ausführlich eingeht. Zu den wesentlichen Pflichten von Künstler*innen gehört es demnach beispielsweise, professionelle Pressemitteilungen zu erstellen. Neben einer detaillierten Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Verfassen eines solchen Textes erhalten die Leser*innen interessante Einblicke in den redaktionellen Alltag verschiedener Medienvertreter*innen. Sie helfen, den Perspektivwechsel zu den Adressat*innen zu vollziehen und passgenauere Pressetexte zu erstellen. Eine eigene Website und die Kommunikation per gut vorbereitetem Newsletter-Versand sind weitere im Buch erklärte Pflichtschritte beim Selbstmarketing. Auch hier bekommen die Leser*innen viele praxistaugliche Tipps sowie Links zu hilfreichen Internetseiten. 

Die zeitliche Investition in das eigene Marketing führt nach der Autorin im besten Fall zu einer wachsenden Bekanntheit der Künstler*innen und einem zunehmenden Erfolg auf dem "Käufer*innen-Markt". Dies reicht bei noch nicht etablierten Kreativen jedoch meist nicht zum Überleben aus. Ina Ross widmet sich daher in dem Kapitel "Wie finanziere ich mich?" den Möglichkeiten, sich als Künstler*in über den "Geldgeber*innen"- und "Förder"markt weitere Geldquellen zu eröffnen. Hier liegt eindeutig die Stärke der Publikation: Breitgefächert, aber prägnant geht Ross auf vielfältige Finanzierungsmöglichkeiten ein. Ihre Hilfestellung erstreckt sich dabei vom richtigen Ausfüllen der Antragsformulare über das Erstellen eines Projekttextes oder Kosten- und Finanzierungsplans bis zu einer Auswahl an Anlaufstellen im Internet für die eigene Recherche. 

Die Selbstdarstellung in den Social Media als Marketing-Kür

Stehen die Basics des Künstler*innen-Marketings, bieten nach Auffassung der Autorin die Social Media eine gute Möglichkeit, mit einem jüngeren und international vernetzten Publikum in Kontakt zu kommen und sich mit diesem auszutauschen. Sie stellt die Eigenheiten, Vor- und Nachteile verschiedener digitaler Plattformen und Formate kurz vor. Dies hilft bei der Einschätzung, welcher Kanal für die Vermarktung welches Künstler*innencharakters und -oeuvres passen könnte, bietet aber keine tieferen Einblicke in die tatsächlichen Anforderungen der Social-Media-Arbeit. Die arbeits- und zeitintensive Beschäftigung mit der jeweiligen Plattform kann diese Kurzdarstellung also nicht ersetzen. 

Wer sich als Kreative*r im Social-Media-Bereich gut aufgestellt und vernetzt hat, kann versuchen, sich über Crowdfunding weitere Geldquellen zu erschließen. Allerdings spielt dieses Finanzierungsmodell bisher in Europa eine eher untergeordnete Rolle. Trotzdem stellt Ross die Idee sowie den Ablauf eines Crowdfunding-Gebotes ausführlich vor, vielleicht in der Hoffnung, dass dieses Format bald auch hierzulande für Kreative bessere Chancen bietet. Spannend ist, dass Einblicke in die beiden auf langfristige Unterstützung ausgelegten Abo-Plattformen Steady und Patreon gegeben werden, was die Neuauflage mehr als rechtfertigt. 

Fazit

Mit ihrem "aktualisierten Werkzeugkasten" füllt Ina Ross eine Lücke innerhalb der Publikationen zum künstlerischen Selbstmarketing. Erfasst werden sehr viele Facetten des Themas: die Besonderheiten einer Vermarktung von kreativen Werken; Kreativität und Originalität als Stärken, die bei der Vermarktung einen Vorteil bieten und für eine Positionierung eingesetzt werden können; eine detaillierte, praxisorientierte Vorstellung klassischer sowie digitaler Werbe- und Finanzierungsmöglichkeiten und vieles mehr. 

Aufgrund ihrer thematischen Bandbreite bleibt die Publikation zwangsweise bei einigen Themen wie den digitalen Plattformen zu oberflächlich. Sie richtet sich an Kreative aller Genres, ist aber mit ihren Tipps nicht immer für alle Berufsgruppen weiterführend. Vor allem bildende Künstler*innen und Schauspieler*innen finden viele konkrete Hinweise, wohingegen Kreative aus anderen Bereichen, wie etwa Musiker*innen, sich mit eher allgemeinen Informationen zufriedengeben müssen. 

Für eine bessere Les- und Merkbarkeit wäre es auch wünschenswert, wenn gelegentlich eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Informationen erfolgen würde, da ansonsten besonders in den längeren Interviews der ein oder andere wertvolle Gedanke oder Hinweis droht, überlesen zu werden.

Dennoch ist das Buch ein guter Ausgangspunkt für Kreative, die sich besser im Kunstmarkt oder Kulturbereich präsentieren wollen, denn es ermutigt sie, sich intensiv mit der Besonderheit der eigenen Kunst und deren Vermittlung auseinanderzusetzen - Fähigkeiten, die ein klassisches Kunststudium für gewöhnlich eher vernachlässigt.

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