23.10.2023

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Autor*in

Martin Spantig
studierte Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie und promovierte über "Kunst und Konsum". Er war an verschiedenen Museen, in der Tourismusforschung und bei Bayern Tourismus Marketing tätig, bevor er Projektleiter von "Museum und Tourismus" wurde, einem Kooperationsprojekt von Bayern Tourismus Marketing und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern.
KI im Kulturmarketing

Findet Künstliche Intelligenz mein Museum?

KI-Chatbots sind vielerorts bereits ein fester Teil des Marketings, auch im (Kultur-)Tourismus. Häufig werden sie für die Entwicklung von Konzepten oder das Verfassen und Verbessern von Texten genutzt. Doch Tools wie ChatGPT eignen sich auch, um die Bekanntheit des eigenen Hauses besser einzuschätzen und darauf aufbauend zu verbessern.

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Anders als die Nutzung von ChatGPT als einzelnes Tool kann dessen Integration in die Suchmaschine Bing von Microsoft direkt auf das Internet zugreifen und dort recherchieren. Was bedeutet das für das Informationssuchverhalten potenzieller Museumsbesucher*innen vor ihrem Besuch, aber auch für die Qualität und vor allem für die "Portionierung" von Informationen über Kultureinrichtungen? Das bayerische Projekt "Museum und Tourismus" hat hierzu "Trainingsfragen" für Museen erarbeitet, die man der KI in Form von Prompts stellt, um zu erfahren, ob und wie ein Museum via KI erfasst und dargestellt wird. Abgeändert können die Prompts auch anderen Kultureinrichtungen helfen, den aktuellen Standort in der Wahrnehmung durch KI zu bestimmen.
 
Was erzählen ChatGPT, Bing Chat oder Google Bard über mein Kulturangebot? 
 
Die große Frage, die sich aktuell alle im Marketing stellen: Wie und mit welchen Folgen wird sich die erwartbare Verlagerung weg von der Websuch-Zentrierung hin zur Befragung Künstlicher Intelligenz bei unserer täglichen Informationsbeschaffung gestalten? Was muss ich tun, damit mein Angebot von KI erfasst und perfekt, sprich attraktiv, wiedergeben wird?
 
Durch das Stellen von speziellen Fragen an KI-Chatbots können Kultureinrichtungen besser beurteilen, wie gut diese digital veröffentlichte Inhalte bereits verarbeiten. Oder ob die Systeme dazu neigen, Halluzinationen - also Falschinformationen - zu generieren, Wissenslücken aufweisen oder Zusammenhänge verkennen. Zudem lohnt es sich besonders, aus der Perspektive von Kulturtourist*innen Fragen zur Region und zum eigenen Haus zu stellen. 
 
Mit dem Angebot ChatGPT von OpenAI bekam im November 2022 die breite Öffentlichkeit erstmals die Möglichkeit, eine vergleichsweise umfassende Text-KI mit Deep-Learning-Funktion im eigenen Alltag zu nutzen. Gleichzeitig tauchten auf breiter Front grundsätzliche ethische Fragestellungen sowie ungelöste Probleme betreffend Datenschutz und Urheberrecht auf. Trotzdem überschritt ChatGPT innerhalb von nur zwei Monaten die Marke von 100 Millionen Nutzenden. Damit wurde diese Plattform die - noch vor Instagram und Spotify - mit Abstand am schnellsten wachsende digitale Verbraucheranwendung des vergangenen Jahrzehnts. Diese rasante Entwicklung führte dazu, dass wir uns bei der Landesstelle der nichtstaatlichen Museen in Bayern eingehender mit KI beschäftigten. Es fand sich eine kleine Arbeitsgruppe zusammen, die sich mit unterschiedlichsten (auch ethischen) Perspektiven dazu befasst, wie man auf KI blicken kann. An dieser Stelle wird lediglich die Relevanz für das Museumsmarketing beleuchtet.
 
Aktuell geht es also für die Museen und andere Kultureinrichtungen darum, nicht noch einmal den nächsten digitalen Zug mit hoher Marketingrelevanz zu verpassen. Nur wenige hatten sich frühzeitig um Instagram (seit 2010), Facebook (seit 2004), Wikipedia (seit 2001 in deutscher Sprache) oder Tripadvisor (seit 2000) gekümmert. Auch auf TikTok (seit 2018) sind bisher kaum deutschsprachige Museen zu finden. Zugleich ist es immer schwerer, Veränderungen in der Gesellschaft aufgrund digitaler Neuerungen, wie etwa Interaktion in den Sozialen Medien, nachträglich für die Marketing-Kommunikation eines Museums zu erlernen, wenn man kaum Erfahrungen auf den entsprechenden Plattformen gemacht hat. 
 
Was kann KI für uns im Kultur-Marketing und in der Öffentlichkeitsarbeit leisten? 
 
Mit den richtigen Prompts erhält man von KI-Chatbots Antworten und Ergebnisse für unterschiedlichste, auch komplexe Arbeitsaufträge, die weit über das hinausgehen, was bis dato von Suchmaschinen wie Google zur Verfügung gestellt wurde. So hat der Autor dieser Zeilen zu Beginn des Jahres dem Chatbot von OpenAI den Auftrag erteilt: "Schreibe mir einen kurzen Fachartikel zu dem Verhältnis von Museen und Tourismus." Der von ChatGPT in zwei Minuten erstellte Text war sauber strukturiert und enthielt das Wesentlichste, das es im Netz zu meinem Arbeitsfeld zu finden gibt. Nur wenige Dinge hätten geändert werden müssen, um ihn beispielsweise an eine Redaktion einer Fachpublikation weiterleiten zu können. 
 
Auch ein erster Textentwurf für einen Artikel mit 1000 Zeichen Länge für ein Endkund*innenmagazin im Tourismus zur Thematik "Freilichtmuseen in Bayern, Nachhaltigkeit und Brotbacken" war schnell erstellt. Statt lange zu googeln und dann zu formulieren, hatte man sofort eine hilfreiche Textbasis zur Verfügung, die natürlich noch bearbeitet werden musste. Auch eine Aufgabe wie "Erstelle einen Redaktionsplan für Instagram mit 10 Posts zum Thema zeitgenössische Kunst in Bayern" war in 120 Sekunden befriedigend erledigt. Befriedigend, weil man alles nochmal prüfen sollte und, wie zu erwarten war, nicht alles korrekt war. Kleiner weiterer Nachteil zu der Zeit: Das System war lediglich mit Daten bis 2021 befüllt. 
 
Die ersten Museumsleiter*innen, mit denen ich im Projekt "Museum und Tourismus" dazu im Austausch stehe, kümmerten sich bereits seit Dezember 2022 um KI-Fragestellungen. So findet Roman Weindl vom Museum Quintana in Künzing ChatGPT besonders spannend, "weil der Chatbot intuitiv zu bedienen ist und nicht wie viele andere KI-Anwendungen, z. B. der Web-Crawler von Google, im Hintergrund arbeitet, sondern mit den Nutzenden interagiert und dabei seine Rechercheergebnisse kompakt und in verständlicher Form zusammenfasst." 
 
Bezüglich des Künzinger Museums hat er bereits erste Erfahrungen gemacht. "Wenn man ChatGPT Fragen zu Spezialthemen stellt, wie sie beispielsweise in einem archäologischen Museum behandelt werden, gerät der Bot schnell an seine Grenzen. Der Grund hierfür liegt, denke ich, daran, dass es sich dabei um Themen handelt, die in der digitalen Welt nur wenig repräsentiert sind. Hierin läge meiner Meinung nach eine große Chance für die Institution des Museums als eine der ,Hüterinnenʻ dieses spezialisierten Wissens. Sobald Anwendungen wie ChatGPT beginnen, das Internet in Echtzeit zu durchforsten, sind die Museen gefordert, hier von Anfang an dabei zu sein und Wege zu finden, um museale Inhalte so zu platzieren, dass diese in die Datenbankrecherchen von KI-basierten Anwendungen einfließen können." Für die kommenden Jahre sieht Weindl, "dass man sich zukünftig möglicherweise noch mehr Gedanken machen muss, welche Inhalte man wo im Internet platziert, wenn Nutzende verstärkt über eine rein textbasierte Software wie ChatGPT auf Inhalte zugreifen."
 
Inzwischen hat Microsoft ChatGPT an seine Suchmaschine Bing angedockt. Seitdem werden auch diejenigen Inhalte im Netz, die gerade erst online gestellt wurden, von der KI erfasst und verarbeitet. Das bedeutet: Alle Kulturakteur*innen müssen darauf achten, wie sie die Ergebnisse der KI so beeinflussen können, dass Angaben über die eigenen Angebote korrekt sind und optimalerweise zum Besuch einladen. Aktuell ist noch weitgehend unbekannt, nach welchen Kriterien der hinterlegte Algorithmus arbeitet. 
 
Wie suchen die Besucher*innen der Zukunft nach Informationen über kulturelle Angebote?
 
Wir werden bald weit weniger googeln als heute noch. Wir werden uns auch weniger durch die uns vertrauten Trefferlisten klicken. Einige Kulturinteressierte machen dies bereits jetzt, viel mehr werden in Zukunft komplexe Fragestellungen an ihre bevorzugte textverarbeitende KI stellen, um sich für einen bestimmten Kulturbesuch zu entscheiden. Um eine Standortbestimmung vornehmen zu können, wie mein eigenes Haus bei solchen Fragestellungen abschneiden würde, haben wir vorhersehbare Prompts entwickelt, wie sie z.B. von Kulturtourist*innen verwendet werden.
 
Fragen wie "Welche Exponate darf ich im Museum XY nicht verpassen?" sollten valide Ergebnisse liefern. Es sollte ausgetestet werden, ob das eigene Haus auch bei Fragen wie "Welche Museen sind in der Oberpfalz sehenswert?" dargestellt wird. An dieser Stelle entscheidet sich in der Zukunft die Wahrnehmbarkeit eines Museums. Nicht nur gegenüber Tourist*innen, die erstmalig in eine Region reisen, sondern auch bei Bürger*innen vor Ort, die zum größten Teil keine allzu enge Bindung an ein bestimmtes Museum haben. 
 
Man könnte sich als Museumsverantwortliche*r für das Marketing Aufgaben überlegen wie "Erstelle mir einen Reiseplan am Main" und überprüfen, ob das eigene Würzburger Museum darin enthalten ist. Wer heute nicht vorgeschlagen wird, wird in der nahen Zukunft schnell in Vergessenheit geraten. Mittelfristig muss man sehen, ob über gezielte Aufgabenstellungen und anschließende Korrekturen im jeweiligen Chatbot die Deep-Learning-Funktion des Systems so trainiert werden kann, dass das eigene Museum hier mit genannt wird.
 
Der Prompt "Wo führe ich Besuch aus Hamburg in der Stadt XY (meines Museums) hin, um meine Heimat von der besten Seite zu zeigen?" sollte als Teilergebnis das eigene Haus auflisten. Wenn die Frage "Was ist das Sehenswerteste in der Stadt XY (meines Museums)?" nicht dazu führt, dass die eigene Einrichtung mit aufgeführt wird, darf man sich als Museumsleiter*in zurecht Sorgen entweder über seine Relevanz vor Ort oder über seine digitale Reputation machen. 
 
Wenn ich ChatGPT die Aufgabe stelle "Mir gefallen Museen wie das Museum X (ähnliche Sammlungsschwerpunkte wie mein eigenes Museum) in Y. Wo in Deutschland kann ich ein ähnliches Museum besuchen?" wäre es gut, wenn mein eigener musealer Arbeitsplatz genannt würde. Wenn nicht, kann es schlicht daran liegen, dass auch die natürliche Intelligenz im bundesweiten Kolleg*innenkreis das eigene Haus nicht als gleichrangig einstufen würde.
 
Auch ein dreistufiger Fragenkomplex kann sehr erhellend für die digitale Fremdwahrnehmung sein: erstens "Warum lohnt ein Besuch im Museum X?", zweitens "Welche Dinge sollte ich unbedingt im Museum Z gesehen haben?" und drittens "Was kann ich im Museum Y lernen?". Wie groß ist die Abweichung der KI generierten Ergebnissen von dem, was mir als wünschenswerte Antworten vorschwebt?
 
Spannend fand ich auch bei den Testläufen in unserem Projekt den relativ komplexen Prompt "Welche Dinge (Bilder, Skulpturen, Objekte etc. aus dem Sammlungsschwerpunkt meines Museums) sollte ich unbedingt im Museum Y (benachbartes Museum, das diese Dinge nicht ausstellt) gesehen haben?" Ich habe das im Frühling 2023 für ein Münchener Museum durchgespielt, indem ich der KI die für Fachleute unsinnige Frage "Welche Gemälde von Leonardo da Vinci sollte ich unbedingt im Museum Städtische Galerie im Lenbachhaus gesehen haben?" gestellt habe. Die Antwort war überraschend: 
 
 
Was können wir daraus lernen? Wenn wir viele fachspezifische Datensätze online gestellt haben, so wie offensichtlich die Alte Pinakothek, oder unsere Sammlung auf Wikipedia gut präsentiert ist, dürfen wir damit rechnen, dass KI potenzielle Besucher*innen zu unserem Haus bringt, sogar mit Empfehlung, die von alleine mangels Wissens dort nicht hingefunden hätten. Unser gesamter, über zwanzig Punkte umfassender Fragenkatalog ist online (Fragen an KI-Chatbots - Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern ) zu finden.
 
Wie kann ich meine Sichtbarkeit gegenüber KI-Anwendungen erhöhen?
 
Wenn mithilfe der Fragen an die Chatbots Wissenslücken und Schwachstellen identifiziert wurden, können konkrete Verbesserungen an der eigenen digitalen Präsenz vorgenommen werden. Diese helfen auch jenseits der Künstlichen Intelligenz dabei, die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen und an Reichweite zu gewinnen.
 
Die folgenden Fragen können dabei als Leitlinien helfen: Gibt es auf der Museumswebsite bereits Texte zu den identifizierten Wissenslücken? Können diese erstellt oder verbessert werden? Liegen die Inhalte der Museumswebsite maschinenlesbar und suchmaschinenoptimiert vor? Wo kann ich mein Museum gewinnbringend online platzieren, auch über die eigene Website hinaus? Gibt es bereits einen inhaltlich optimierten Wikipedia-Artikel über mein Museum? Wird mein Museum in Artikeln zur Stadt, zur Region erwähnt? Ist der Eintrag zu meinem Museum auf einem überregionalen Portal wie museen-in-bayern.de korrekt und vollständig? Dann stehen die Museums- und Ausstellungsdaten  oftmals unter offener Lizenz allen zur Verfügung, die mit touristischen Daten arbeiten.
 
Aktuell geht es also für Kultureinrichtungen darum, nicht wieder den nächsten digitalen Zug mit Marketingrelevanz zu verpassen. Es ist zu empfehlen, selbst einmal ChatGPT über die Suchmaschine Bing auszuprobieren. Und sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass KI bei den Besucher*innen von Kulturinstitutionen - und vor allem bei den potenziellen Erstbesucher*innen - bereits in der Informationsbeschaffung vor der Besuchsentscheidung angekommen ist.

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