14.02.2020

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Veronika Schuster
ist ausgebildete Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie hat mehr als 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Co-Kuratorin für verschiedene Ausstellungsprojekte und Kultureinrichtungen gearbeitet. Sie verantwortet bei Kultur Management Network die Leitfäden und Arbeitshilfen und arbeitet als Lektorin und Projektleiterin für unterschiedliche Publikationsformate.
Ralph Würschinger
hat während seines Studiums der Archäologie und Germanistik die Leidenschaft für’s Radio entdeckt. Nach dem Abschluss volontierte er an der Katholischen Journalistenschule ifp mit dem Schwerpunkt Hörfunk. Seit 2018 produziert er für das Deutsche Museum in München Podcasts und arbeitet als freier Journalist. 
Kultur-Podcasts

Ohren auf für neue Erlebnisse!

Podcast ermöglichen eine neue Art des Hörens: Das Wann, Was, Wo können NutzerInnen frei wählen. Was mit einem Podcast für Kultureinrichtungen alles möglich ist, erklärt der Multimedia-Journalist Ralph Würschinger.

Themenreihe Digitale Formate

Lieber Herr Würschinger, eine ganz persönliche Einschätzung von Ihnen: Warum sind Podcast im Augenblick ein derart beliebtes Medium?
 
Wir konsumieren mediale Inhalte anders als noch vor 10 oder 20 Jahren. Viele Menschen, die heute die Wahl haben, nutzen diese auch: Beim Fernsehen können wir nicht mehr nur auswählen, welchen Sender wir sehen möchten. Wir können entscheiden, wann wir die Inhalte sehen möchten, können Sendungen pausieren und später zu Ende schauen oder auf diverse Streaming-Plattformen zugreifen und aus deren Bibliothek Inhalte auswählen. Genauso ist es im Audiobereich mit Podcasts. Wir können aus verschiedenen Themenbereichen das auswählen, was uns gerade interessiert: Von den wichtigsten Nachrichten im Überblick bis zum dreistündigen Gespräch mit einem Prominenten; von der Aufarbeitung eines echten Kriminalfalls bis zum intimen Plausch über sexuelle Erfahrungen. Die Auswahl ist riesig und die NutzerInnen haben emanzipiert. Was Podcasts außerdem beliebt macht: Es braucht nicht viel, um sie anzuhören. Ich kann Podcasts über den Laptop anhören, über Smartspeaker wie Amazon Echo oder Alexa oder einfach über’s Smartphone; wenn ich in der U-Bahn sitze, während ich jogge oder auf der Autofahrt. 
 
Was kann ein Podcast sein (Erzählung, Reportage, Interview...)? Wie ist hier heute der journalistische Umgang mit dem Medium?
 
Die eine Definition von Podcasts gibt es nicht. Aber in der Regel ist ein Podcast ein Audioinhalt, der mehrere Folgen hat. Diese können in sich abgeschlossen sein oder aufeinander aufbauen. Ob ein klassisches Interview oder ein Beitrag mit einem Sprecher und O-Tönen oder ein eineinhalbstündiger Monolog - das ist alles Podcast. Sie können vorproduziert sein oder live. Das "Live" geht inzwischen sogar soweit, dass PodcasterInnen auf Tour gehen, um vor Publikum ihre Sendung aufzunehmen. Viele Radiosender stellen ihre Beiträge und Reportagen als Podcasts online. Das heißt, es werden alle journalistischen Darstellungsformen abgedeckt. Für Medienhäuser bieten Podcast-Plattformen eine Möglichkeit, neue HörerInnen zu gewinnen oder Inhalte auszuspielen, für die im täglichen Radioprogramm keine Zeit wäre. Podcasts können aber auch fiktive Inhalte liefern, die wir früher als Hörspiel bezeichnet haben. 
 
Auf welche häufigen Vorurteile bzw. Missverständnisse treffen Sie, wenn es um das Thema Podcast geht?
 
Viele Leute kennen inzwischen Podcasts und haben auch schon den einen oder anderen gehört. Sie denken dann aber, dass es nur die eine Darstellungsform gibt. Je nach eigenem Erfahrungswert kann das beispielsweise dazu führen, dass sie meinen, jeder Podcast dauert eine Stunde und ist ein 1-zu-1 ein Interview. Aber ein Podcast kann viel mehr sein und hier heißt es, dem Medium offen zu begegnen und die Möglichkeiten kennen zu lernen. 
 
Ein Museum mit "visuellen" Exponaten und ein Podcast mit auditiven Inhalten, das scheint erst einmal schwierig. Warum ist es das aber nicht? 
 
Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Museum. Sie sind an der Kasse vorbeigegangen und betreten eine große Aula. Links und rechts führt jeweils eine breite Türöffnung in die nächsten Ausstellungsräume. In der Mitte befindet sich ein Bereich, der durch eine Plexiglasabsperrung abgetrennt ist. Dort aufgebaut ist das Skelett eines Tyrannosaurus Rex. Sie sind beeindruckt davon, wie groß das Tier gewesen ist und wie scharf und spitz seine Zähne erscheinen. Wenn Sie kein/e Dinosaurier-ExpertIn sind, gibt das Skelett aber nicht viel mehr Informationen her. Wo und wann der Tyrannosaurus gelebt hat, was er gefressen hat, wie er gefunden worden ist usw. erfahren Sie, indem Sie es auf der Tafel neben dem Skelett nachlesen. Die Größe der Tafel ist aber begrenzt. Im Podcast gibt es dieses Platzproblem nicht. Hier habe ich die Möglichkeit, diese ganzen Informationen unterzubringen. Ich kann Dinge sichtbar machen, die sonst vor den Augen der BesucherInnen verborgen bleiben. Außerdem erzeugen Worte auch Bilder. 
 
Wie muss ein Podcast sein, der ja mitunter Wissen in sehr komplexen Kontexten vermitteln soll - vor allem wenn es etwa um Bilder, also visuelle Trägermedien geht?
 
Sie müssen vorab wissen, für wen Sie diesen Podcast produzieren. Wer ist meine Zielgruppe, wieviel Wissen kann ich voraussetzen? Sie können nicht davon ausgehen, dass jeder weiß, wie eine Dampfmaschine funktioniert. Sie brauchen die volle Aufmerksamkeit der HörerInnen. Verlieren Sie diese, verlieren Sie die HörerInnen. Also müssen Sie sich Zeit nehmen, sie bei der Hand nehmen und sorgsam durch das Thema führen. Schritt für Schritt. Es muss nachvollziehbar sein und unterhalten. Komplex heißt ja, dass mehrere Dinge ineinander verwoben sind. Meine Aufgabe ist es dann, die Einzelteile herauszupicken und zu zeigen, wie sie ineinander spielen. 
 
Wie versuchen Sie sich einem Thema zu nähern, sodass Sie es in einem Podcast transportieren können? Was sind für Sie wichtige Schritte, um dann den Inhalt/die Dramaturgie des Podcast zu entwickeln?
 
Nehmen wir als Beispiel die Podcasts, die ich für das Deutsche Museum erstellt habe: Jede Folge erzählt mindestens eine Geschichte. Die Geschichte der WissenschaftlerInnen bei der Forschungsarbeit. Grundlegend dafür ist, zu wissen, welches Ziel sie dabei verfolgen. Möchten sie ein Exponat restaurieren, die Biografie eines/ anderen WissenschaftlerIn aufarbeiten oder chemische Zusammenhänge besser verstehen? Mich interessiert, was den/die WissenschaftlerIn anspornt, auf welche Probleme er oder sie dabei stößt und welche Überraschungen er oder sie erlebt hat. Meistens finde ich noch andere Geschichten; z.B. der Weg von der Idee bis zum Anfertigen des Exponats oder der Weg des Exponats von seinem Bau bis hin zum Verbleib im Deutschen Museum. Sehr wichtige Fragen sind darüber hinaus: Welche Bedeutung hat die jeweilige Erfindung? Sowohl für mich als Individuum, aber auch für die heutige Gesellschaft. Oder: Was wäre, wenn es diese Erfindung nicht gegeben oder wenn sie sich durchgesetzt hätte? Was verbindet man mit dem Thema oder was ist eine ungewöhnliche Verbindung? 
 
Es beginnt also vor allem damit, dass Sie Fragen stellen... 
 
Fragen helfen mir dabei, einen Einstieg in das Thema zu finden und einen Zugang zu gestalten: In der Folge "Atlantropa - Ein Leben für die Vision" etwa geht es um einen Architekten, der u.a. eine direkte Zugverbindung von Berlin nach Kapstadt bauen und die Sahara bewässern wollte. Das wurde nie realisiert. Die Folge beginnt aber mit einer kurzen Hörspielpassage, die den HörerInnen eine Welt zeigt, in der das Projekt Wirklichkeit geworden ist. Natürlich könnte ich einfach sagen, was der Architekt vorhatte. Es zu zeigen, erzeugt aber meiner Meinung nach ein intensiveres Empfinden. Am Ende des Podcasts sollte die Frage, warum das Thema relevant ist, beantwortet sein. Die HörerInnen sollen erfahren, was mit dem Exponat passiert, wie weit der Forscher mit seinem Projekt ist und inwieweit dieses Thema den nächsten Museumsbesuch für sie bereichert. Mir ist es sehr wichtig, ihnen Wissen zu vermitteln. Genauso wichtig ist es aber auch, sie zu unterhalten. Ich möchte im Kopf bleiben. Dafür suche ich nach diesen Geschichten in der Geschichte, nach (fun) facts, die man weitererzählen möchte. Zum Beispiel, dass Glasfasern, die wir heute mit schnellem Internet verbinden, eigentlich aus der Modeindustrie kommen. 
 
Wie arbeiten Sie auch mit fachlichen ExterInnen zusammen, um die richtigen Inhalte herauszukitzeln?
 
Der Podcast des Deutschen Museums dreht sich um Forschungsprojekte, um technisch-relevante Themen. Beruflich komme ich aus einer ganz anderen Richtung. Das heißt, ich beginne meistens mit einem sehr geringen Wissensstand. In Interviews mit ExpertInnen muss ich darum sehr viel nachfragen - was gut ist. Denn dadurch stelle ich mir grundlegende Fragen, habe bestimmte Erwartungen an ein Thema oder auch Klischees darüber im Kopf, die vielleicht andere Laien auch beschäftigen. Von den ExpertInnen höre ich oft, dass sie dieses Fragen auch weiterbringen. Weil sie schon so tief in dem Thema eingearbeitet sind, setzen sie Dinge voraus, die für mich nicht selbstverständlich sind. Dadurch nehmen sie für die Kommunikation nach außen viel mit. Ich bin dann die Instanz, die versucht es nicht zu wissenschaftlich-kompliziert klingen zu lassen. 
 
Recherchiert man zu Podcast, wird dieser sehr häufig als Marketinginstrument verstanden. Sollte er in diesem Verständnis entwickelt werden? 
 
Medienhäuser, Firmen und Einrichtungen produzieren Podcasts nicht aus Langeweile. Natürlich steckt dahinter die Hoffnung, die eigene Marke zu stärken. Sie möchten neues Publikum gewinnen und bisheriges halten. Podcasts kosten schließlich Zeit und Geld. Das ist ein legitimer Ansatz. Ich würde einen Podcast allerdings nicht als plumpe Werbeplattform entwickeln, um Produkte zu verkaufen. Ein Podcast ist erst einmal ein Angebot an den Hörer. Er bietet Informationen und Unterhaltungswert, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Der Podcast-Bereich ist geprägt von Authentizität. Viele Privatpersonen podcasten mit ihren Freunden über Nischenbereiche und aus dem Spaß an der Freude. Es ist dieses Normale und Intime, das Podcasts für viele so anziehend macht. 
 
Und muss es bei einem solchen Podcast immer um die Kunst in den Museen gehen? Können Sie sich vorstellen, dass ein Podcast nicht nur Vermittler zu existierenden Inhalten ist, sondern eigene Inhalte für Museen produziert? 
 
Museen haben viel mehr zu bieten als das, was die BesucherInnen in den Ausstellungsräumen sehen. Es wird geforscht, restauriert, konzipiert und vieles mehr. Das ist alles hochspannend! Nur bekommt es keiner mit. Podcasts bieten die Möglichkeit, zu zeigen, was hinter den Kulissen passiert. Nicht nur die Objekte im Museum, sondern auch die Personen können greifbar werden. Lassen Sie den/die DirektorIn von einem ungewöhnlichen Hobby erzählen, begleiten Sie die RestauratorInnen bei ihrem Arbeitstag. Was passiert nachts im Museum? Mit dem relativ geringen Aufwand eines Podcasts wird das Museum plötzlich menschlich. Podcasts in diesem Bereich ersetzen meiner Meinung nach keinen Museumsbesuch. Sie ergänzen ihn. Wie ein Tag der Offenen Tür, nur für’s Ohr. 

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