18.07.2019

Themenreihe Karriere

Autor*in

Martin Lücke
Martin Lücke ist Professor für Musik- und Kulturmanagement an der Hochschule Macromedia in Berlin. Zudem veröffentlicht er regelmäßig Fachpublikation und texte mit Schwerpunkten im Bereich der akademischen Ausbildung und der Erforschung von (Populärer) Musik und Musikwirtschaft sowie neuen Formen der (Kultur-)Finanzierung.
Vera Allmanritter
ist Politikwissenschaftlerin und Kulturmanagerin. Sie leitet das Institut für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf) Berlin und ist Honorarprofessorin für Kultur und Management an der Fachhochschule Potsdam. Zuvor war sie freiberuflich und als Mitarbeiterin an verschiedenen Hochschulen, Stiftungen und Kultureinrichtungen tätig. Sie ist Co-Sprecherin der Arbeitsgruppe "Methoden der empirischen (Kulturbesucher*innen-)Forschung". 
Sarah Chloé Mikus
ist Geschäftsführerin der Künstler- und Konzertagentur Hofmusik und Orchesterinspektorin beim Beethoven Orchester Bonn. Sie war als Assistentin KBB und Marketing für verschiedene Orchester tätig. Sie studierte Musikmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Macromedia. 
Maximilian Schneider
ist Chief Account Manager bei recordJet. Er studierte, nach einer abgeschlossenen Ausbildung zum Kaufmann, Media Management an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Macromedia. Er war zudem im Bereich Editorial & Marketing bei Deezer, als Bandmanager im Rockmusik-Bereich und als Social Media Redakteur tätig. 
Studie zur Berufswahl klassisch ausgebildeter Musiker in Berlin

Persönliches Glück versus finanzielle Absicherung?

Viele Menschen träumen davon, ein gefeierter Künstler zu werden - und sehen dabei vor allem die Stars, nicht aber die Vielzahl prekär Beschäftigter. Doch welche Rolle spielt das Einkommen für das Dasein als klassischer Musiker? Und sind Klassische Musiker mit ihrer Berufswahl mit ihrer derzeitigen bzw. mit der langfristigen Lebens- und Einkommenssituation zufrieden?

Themenreihe Karriere

Musiker sein, auf der Bühne stehen und das Publikum begeistern ist nach wie vor ein von vielen gehegter Traumberuf. Darauf lassen auch die Studierenden- und AbsolventInnenzahlen schließen - Tendenz steigend. Auf der anderen Seite stehen die Planzahlen für Orchesterstellen in Deutschland. Existierten 1992 noch 12.159 Stellen, so verringerte sich deren Anzahl bis 2014 kontinuierlich auf nur noch 9.825 - Tendenz sinkend. Einem wachsenden Zuspruch bei den Studienangeboten, speziell Instrumental- und Orchestermusik, stehen somit immer weniger Orchesterplanstellen mit einem verhältnismäßigen sicheren und hohen Einkommen (abhängig von der Tarifstufe des Orchesters nach TVK) gegenüber. Gleichzeitig liegt die Arbeitslosenquote bei derselben Berufsgruppe bei 4,3 Prozent unter Männern und nur 2,1 Prozent unter Frauen - und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Dies zeigt, dass ausgebildete Musiker offenbar andere Formen der Beschäftigung suchen - und finden. Allein bei der Künstlersozialkasse (KSK) waren (Stand: 2013) knapp 50.000 Künstler in der Berufsgruppe Musik versichert, verfügten nach eigenen Angaben der Musiker jedoch gerade einmal über ein Durchschnittseinkommen von 12.625 Euro jährlich. 
 
Vor diesem Hintergrund entstand im Sommersemester 2014 an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (Campus Berlin) ein studentisches Forschungsprojekt zur finanziellen und beruflichen Situation von Musikern. Dafür wurde eine kleine, qualitative Befragung durchgeführt, die von der bisherigen Forschung bewusst einen Schritt zurücktreten und das Feld möglichst neu, offen und unvoreingenommen betrachten wollte. Im Mittelpunkt der Studie standen die individuelle Biografie und die subjektive Sichtweise der Teilnehmer: Gerald Mertens (Geschäftsführers des Berufsverbandes der deutschen Orchestervereinigung, DOV), Philipp Mayer (Gesangsstudent Hochschule für Musik - Hanns Eisler, Berlin), Ole Bækhøj (Chief Executive Mahler Chamber Orchestra), Andreas Wittmann (Geschäftsführer der Orchester-Akademie, Berliner Philharmoniker) sowie Andreas Richter (ehemals Intendant Mahler Chamber Orchestra). 
 
Repräsentative Ergebnisse im Sinne großangelegter, quantitativer Datenerhebungen konnten hierbei nicht erzielt werden. Die Studie kann jedoch als Vertiefung bereits erlangter quantitativer Ergebnisse dienen und zeitgleich als Vorstudie Ideen und Anregungen für weitergehende qualitative oder quantitative Erhebungen liefern. 
 
Konzeption und Methode 
 
In einem ersten Schritt wurde die Grundgesamtheit der Untersuchung definiert, sprich die Menge von Objekten, über die geforscht werden sollte. Die Forschungsfragen ließen hierfür einen großen Spielraum, denn zunächst konnte es sich um Musiker aller Art handeln. Im Bereich der U-Musik gibt es sehr unterschiedliche und wenig vergleich- und somit bewertbare Ausbildungen und Lebensläufe, während der Bereich der E-Musik für eine Tätigkeit als Musiker in der Regel eine fundierte Ausbildung voraussetzt. Deshalb wurde sich für eine Eingrenzung auf Musiker der klassischen Musik entschieden. 
 
Um zudem den logistischen Aufwand zu reduzieren, wurde der Erhebungsort auf Berlin eingeschränkt. Wie für qualitativen Erhebungen üblich, wurden die zu untersuchenden Fälle nach inhaltlicher Relevanz ausgewählt. Die Befragten sollten einerseits über tiefergehendes Wissen hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands verfügen. Andererseits sollten sie alternative Wahrnehmungen, Positionen und Sichtweisen innerhalb des Themenfeldes repräsentieren. Im Sinne einer inhaltlichen Varianz der Erhebungsergebnisse, wurden die Interviews deshalb mit Personen geführt, die über eine musikalische Ausbildung verfügten, aber in verschiedenen musikalischen Bereichen tätig waren. 
 
Die Interviews fanden Ende Mai/ Anfang Juni 2014 statt, wurden digital aufgezeichnet, nach vorab festgelegten Regeln transkribiert und mit dem Analyseprogramm f4 analyse ausgewertet. Anwesend waren immer zwei Interviewer und der jeweilige Interviewpartner.  Um eine gleichbleibende Gesprächsstruktur und somit eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten wurde für die Durchführung der Interviews ein Leitfaden entwickelt. Zur Vorbereitung der Interviews wurde zudem ein Steckbrief erarbeitet, in dessen Rahmen die Befragten nach einer Einschätzung ihrer aktuellen finanzielle Lage und finanziellen Absicherung sowie Informationen zu ihrem aktuellen Arbeitsverhältnis, Alter und höchstem Bildungsabschluss gefragt wurden. Diese Abfrage zielte darauf ab, an Hinweise bezüglich einer Zugehörigkeit der Befragten zu einer sozialen Schicht zu gelangen, von der ein Einfluss auf das Antwortverhalten der Befragten vermutetet wurde. 
 
Ergebnisse 
 
Alle im Berufsleben stehenden Befragten schätzen ihre aktuelle finanzielle Situation und Absicherung als mindestens gut ein. Einzig für den befragten Gesangsstudent galt dies nicht, denn dieser schätze seine finanzielle Lage als mittel bis schlecht ein. Unabhängig von ihrer eigenen Finanzlage gaben jedoch alle Befragten bezüglich der Frage "Würden Sie der gängigen Aussage ,Geld macht glücklich‘ zustimmen?" einstimmig an, dass dies für sie nicht zutraf. 
 
Auch in Bezug auf die Frage "Könnten Sie sich vorstellen, einen Beruf auszuüben, der Ihnen zwar eine hohe finanzielle Sicherheit gewährleistet, Sie aber bei der Ausübung unglücklich sind?" konnte sich keiner der fünf Befragten für sich eine solche Prioritätensetzung vorstellen. 
 
So wundert es auch nicht, dass auf die Folgefrage "Was steht bei Ihnen an erster Stelle? Die persönliche Zufriedenheit? Oder eine gut bezahlte Arbeit?" von allen Befragten die besondere Relevanz der eigenen Zufriedenheit für die Berufswahl betont wurde (bspw. Andreas Wittmann: "Das ist die Musik und nichts anderes. Dass der Job jetzt gut bezahlt ist, ist ein schöner Nebeneffekt, aber in erster Linie ist es das Glück, überhaupt Musik machen zu dürfen und vor allem mit so guten Leuten zusammen musizieren zu dürfen."). 
 
Die Befragten sahen aber nicht nur für sich selbst eine finanzielle Absicherung als weniger wichtig an als berufliche Zufriedenheit, auch auf die Frage "Warum glauben Sie, dass sich jemand für den Beruf des Musikers entschieden hat?" betonten sie persönliche und ideelle Gründe (bspw. Ole Bækhøj: "Dass man diesen inneren Drang hat Musiker zu werden, weil man es will und Musik zu einer Lebensnotwendigkeit wird."). Dennoch wurde bekräftigt, dass eine gewisse finanzielle Absicherung wichtig sei, aber oft nicht erreicht wird (bspw. Andreas Richter: "Wenn es gut läuft, dann erfolgt aus einer persönlichen Zufriedenheit auch beruflicher Erfolg und der wird dann hoffentlich auch angemessen honoriert. [...] Jedoch ist mir schon bewusst, dass das vielleicht bei ausübenden Musikern eher ein Problem sein könnte."). 
 
Entsprechend gingen Wünsche und Anregungen für weitere Forschungsfragen auch primär in Richtung einer vertieften Untersuchung dieses Zwiespalts (bspw. Gerald Mertens: "Wie [gehen] Musiker, mit den sich verändernden [...] Berufsaussichten um [...]? Wovon leben die? Welche Wertschätzung wird den gut ausgebildeten, hochmotivierten jungen Musikern entgegengebracht?"). 
 
Fazit & Ausblick 
 
Für die Befragten im Rahmen dieser Studie zeigte sich, dass das finanzielle Einkommen bei ihrer Berufswahl eindeutig weniger wichtiger war als das Streben nach einer hohen persönlichen Zufriedenheit. Die zu Beginn dargestellten Zahlen, vor allem zum geringen Durchschnittseinkommen freiberuflicher Musiker stimmen in dieser Studie jedoch nicht mit der Eigeneinschätzung der Finanzlage der hier Befragten überein. Zudem arbeiten nicht alle Befragten aktuell tatsächlich als Musiker. Möglich wäre somit, dass ihre zumeist gute bis sehr gute finanzielle Situation eine Argumentation aus einer "gesättigten Fremd-Perspektive" bewirkte. 
 
Für eine Überprüfung dieser Vermutung wäre es interessant, eine weitere ähnlich angelegte Studie ausschließlich mit aktiven Musikern durchzuführen, deren Finanzlage als deutlich schlechter einzuschätzen ist als die der hier Befragten. Dennoch liefert diese Vorstudie wichtige Aspekte rund um das Thema "Glück und Zufriedenheit von Musikern". Wichtig wäre im nächsten Schritt vor allem, öffentlich zugängliches Datenmaterial zur objektiven Finanzlage von Musikern mit ihrer tatsächliche Lebens-, Sozial- und Zufriedenheitssituation in Beziehung zu setzen. Würden Musiker generell der Aussage zustimmen, dass ihre innere Zufriedenheit ihnen wichtiger ist als ihre finanzielle Absicherung? 
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Rost".

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