18.08.2022

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Raphaela Henze
ist Professorin für Kulturmanagement an der Hochschule Heilbronn. Ihre Forschungsschwerpunkte sind das internationale und transkulturelle Kulturmanagement. Sie ist Gründerin des vom Arts & Humanities Research Council geförderten internationalen Kulturmanagement-Netzwerks Brokering Intercultural Exchange.
Was erwarten Nutzer*innen von digitalen Kulturformaten?

Studie anhand der Digitalen Werkstatt der Klassik Stiftung Weimar

Wie hat sich die Wahrnehmung digitaler Kulturangebote während Corona verändert und welche Formate finden erwachsene Kulturnutzer*innen besonders ansprechend? Diesen Fragen ist eine erneute Studie der Hochschule Heilbronn nachgegangen.

Themenreihe Digitale Formate

Im Wintersemester 2021/22 führten Studierende des Bachelor-Studiengangs BWL mit Schwerpunkt Kultur- und Freizeitmanagement der Hochschule Heilbronn im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar eine Studie durch, die zum einen darauf abzielte, das Evaluationstool k:eavtool zu testen, und zum anderen, das Format Digitale Werkstatt zu evaluieren. Bei der Digitalen Werkstatt handelt es sich um eine Videoreihe, die mit einem Do-it-yourself-Angebot unter dem Hashtag #wirgestaltenzuhause stiftungsspezifische Themen aufgreift. Einige der Erkenntnisse aus der empirischen Untersuchung, an der sich 215 Personen beteiligt haben, dürften auch für andere digitale Kulturanbieter*innen relevant sein. 
 
Die Befragungsteilnehmer*innen wurden im November und Dezember 2021 über diverse Plattformen und Netzwerke sowohl der Stiftung wie auch der Hochschule angesprochen. Sie kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum sowie dem deutschsprachigen Ausland, sind im Durchschnitt 33 Jahre alt und verfügen über ein überdurchschnittlich hohes Bildungsniveau. Zudem definieren sich knapp ¾ der Befragungsteilnehmer*innen als weiblich. Das und das hohe Bildungsniveau sind in Anbetracht diverser Untersuchungen zum Kulturpublikum kaum überraschend, auch wenn bei der Befragung nicht gezielt ein kulturaffines Publikum angesprochen wurde, es aber unter den Teilnehmer*innen wohl die Mehrheit ausmacht.  
 
Ergebnisse digitale Angebote allgemein
 
65% der Teilnehmer*innen der quantitativen Studie gaben an, dass sie bereits digitale Kulturangebote genutzt haben. Bei einer ähnlichen Studie im Jahr zuvor gaben lediglich 52,2% an, bereits Erfahrungen mit digitalen Kulturformaten zu haben. Ein weiterer Corona-Winter und steigende Inzidenzen haben scheinbar dazu geführt, dass digitale Angebote stärker in Betracht gezogen werden. An erster Stelle mit 61% wurden hierbei gestreamte Konzerte und Festivals genannt. Hier könnte sich zum einen bemerkbar machen, dass die größte Teilnehmergruppe Studierende waren, die von diesen Formaten besonders angesprochen werden, zum anderen, dass das Streaming von Musik bereits vor der Pandemie geübtes Verhalten darstellte. Es folgen mit 45% Lesungen und Vorträge vor Diskussionsrunden und Podcasts (beide 37%) sowie Theater- und Opernaufführungen (33%). Abgeschlagen hinter virtuellen Museumsrundgängen mit 31% finden sich Workshopformate mit 25%. Mehr als die Hälfte der Befragten gab dabei an, digitale Kulturformate weniger als einmal im Monat zu nutzen. 
 
Bei den Gründen für die Nutzung digitaler Formate wurde überwiegend die Corona-Pandemie ins Feld geführt und der damit zusammenhängende Umstand, dass kaum Präsenzformate angeboten wurden. Einige Aussagenlassen jedoch vermuten, dass die digitalen Formate durchaus auch in Post-Covid-Zeiten nachgefragt werden könnten. So erläuterten mehrere Befragungsteilnehmer*innen, dass die Zeitersparnis aufgrund der wegfallenden Anreise für sie ausschlaggebend für die Nutzung digitaler Formate sei. Mehrere Personen fügten an, dass ihnen nun der zumindest virtuelle Besuch von Kulturveranstaltungen im Ausland problemlos möglich sei. Ein solches Angebot bieten beispielsweise das National Theatre in London. Als Subscriber kann man eine Vielzahl von Stücken zeitlich völlig unabhängig zu Hause sehen. Im Gegensatz zu vielen Kulturangeboten, die während der Pandemiezeit entstanden sind, ist dies aber durchaus kostspielig, womit ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen ist: Zwei Befragungsteilnehmer*innen erklärten etwa, digitale Formate wahrzunehmen, weil diese kostenlos angeboten werden. Dieses Argument für virtuelle Inhalte ist dahingehend schwierig als dass das Erstellen solcher Formate selbstverständlich Geld kostet. Auch vor dem Hintergrund, dass es durch diese Formate bis dato noch zu wenig gelingt, ein wirklich neues ggf. auch jüngeres oder bildungsferneres Publikum anzusprechen, bleibt die Frage im Raum, ob nicht ein entsprechender Beitrag von den Nutzer*innen verlangt werden kann respektive soll. 
 
Ergebnisse zur digitalen Werkstatt
 
Die im Rahmen dieser Studie näher betrachteten Videos stellen eins der vielfältigen, kostenlosen Angebote der Klassik Stiftung Weimar im Internet dar.  Besonderes Augenmerk galt hier dem Format der Digitalen Werkstatt In mehreren Videos wurden Projekte vorgestellt und im Anschluss relativ einfache Anleitungen zum Herstellen etwa von Weihnachtsschmuck mit Goethe-Konterfei gegeben. Ganz bewusst setzte die Stiftung auf einen bestehenden und durch die Pandemie noch verstärkten Trend zu Do it yourself (DIY). Interessant ist dabei die Frage, ob diejenigen, die zur Webseite der Klassik Stiftung Weimarmit den entsprechenden Videos finden, auch tatsächlich der DIY-Klientel angehören. 
 
63% der Befragungsteilnehmer*innen kannten die zweitgrößte deutsche Kulturstiftung nicht. Von denjenigen, denen die Stiftung ein Begriff war, verfolgten 57% die Aktivitäten online - meist genutzter Kanal war Instagram. Youtube und vor allem Twitter rangieren weit dahinter. Und 50% kannten die digitale Werkstatt. Im Rahmen der Befragung wurde den Teilnehmer*innen ein Video vorgespielt. Die Bewertung fiel positiv aus. 52% bewerteten das gezeigte Video gut bis sehr gut, allerdings gaben nur 21% der Befragungsteilnehmer*innen an, kreativ geworden zu sein und den Silhouetten-Anhänger nachgebastelt zu haben. Als Gründe wurde insbesondere genannt, dass Basteln eher etwas für Kinder und man mithin als Erwachsene nicht die richtige Zielgruppe sei. Besonders die männlichen Befragungsteilnehmer äußerten sich kritisch. Zwei exemplarische Kommentare lauteten:
 
"Ich würde mir digitale Kulturformate wünschen, die ohne eine Bastelanleitung auskommen. Für Kinder ist es vielleicht nett, für kulturinteressierte Erwachsene wohl eher nicht."
 
"Ich sehe ehrlich gesagt den Mehrwert von noch mehr Bastelvideos nicht. Das Internet ist voll davon … Das Video hat ja nur sehr indirekt was mit Weimar und Kultur zu tun."
 
Trotz des anhaltenden DIY-Trends, der mit dem Mega-Trend Nachhaltigkeit eng verknüpft ist, konnte dieses Format der Klassik Stiftung Weimar die Nutzer*innen also nur bedingt überzeugen. Neben einer Vielzahl weiterer Gründe, wie bspw. dem Nichtvorhandensein der benötigten Materialien oder mangelnder Zeit, scheint die eigene kreative Gestaltung von Gegenständen nicht das primäre Ziel von erwachsenen Nutzer*innen des Angebots der Stiftung gewesen zu sein. Der Informationsgehalt der Videos wurde allerdings überwiegend für gut befunden und Vorschläge seitens der Befragungsteilnehmer*innen für potenzielle Themen lauteten etwa: 
 
"Macht weiterhin tolle und informative Formate. Ich könnte mir das Thema Kunstepochen vorstellen in der Architektur und Malerei. Oder das Thema Farbkreis. Oder auch Bauhaus damals und heute…"
 
"Wechsel von (populär)wissenschaftlichen und durchaus lebensnahen, nacherlebbaren Themen"
 
Fazit
 
Es wurde im Rahmen dieser Befragung deutlich, dass die Teilnehmer*innen sich von digitalen Kulturformaten gerade im Museumskontext in erster Linie einen Informationsgewinn erhoffen, der unterhaltsam und komprimiert vermittelt wird. Edutainment scheint daher in diesem Kontext eher angezeigt als DIY. Darauf lässt auch die relativ geringe Zahl der an digitalen Workshop-Formaten Interessierten schließen. Dass für Workshops und andere digitale Angebote von Kultureinrichtungen dennoch durchaus hohe Preise verlangt werden können, sofern sie zielgruppenspezifisch zugeschnitten sind, arbeitet auch Kristin Oswald heraus. Dies gilt insbesondere für die Kinder, für die es von Museen, aber auch Theatern eine Vielzahl von gut angenommenen digitalen Workshops mit Mitmachoption gibt. Hier macht es einen Unterschied, ob das Angebot zu einem festen Zeitpunkt unter virtueller Einbindung mehrerer Personen stattfindet - mithin ein gewisses Maß an sozialer Interaktion gegeben ist - oder unabhängig vom Zeitpunkt abgerufen werden kann und keine Interaktion vorsieht. 
 
Wenn das Angebot einen Mehrwert in Form eines Lernwerts zeigt, scheint auch die Zahlungsbereitschaft höher. Gerade digitale Angebote müssen sich in der Aufmerksamkeitsökonomie behaupten. Anders als bei analogen Veranstaltungen ist die nächste Ablenkung nur einen Klick entfernt. 
 
Insgesamt hat sich das Kulturpublikum trotz der neuen Formate allerdings im Vergleich zu analogen Angeboten kaum geändert, wie das Cultural Value Project unter der Leitung von Ben Walmsley für UK nachgewiesen hat. Digitale Kulturformate sprechen demnach nur in den seltensten Fällen ein völlig neues, bisher in Kultureinrichtungen kaum vertretenes Publikum an. Ob diese Formate auch nach einem Wegfall der Beschränkungen weiter genutzt werden, bleibt fraglich - auch wenn einiges dafür spricht. Das gilt in Anbetracht der aktuellen Situation ebenso für die Frage, ob das bisherige Publikum überhaupt zu analogen Kulturangeboten zurückkehrt. 

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