18.04.2011

Autor*in

Martina Zadrazil
Rückblick Gesprächsstunde Kunstraum 2011

Das Fremde ist dem Eigenen sehr nahe

Formen der Begegnung zwischen aktueller Kunst und Publikum Gesprächsabend im Rahmen der Serie Gespräche zur Kunst im öffentlichen Raum am 31.03.2011 im Kunstraum NOE
Den möglichen Wegen der Kunstvermittlung aus unterschiedlichen Blickwinkeln nachzuspüren, lud Bärbl Zechner, Kuratorin für Kommunikation im Museums- und Ausstellungsbereich, Edith Futscher, Ruth Noack, Simon Wachsmuth, Monika Ankele, Anton Sutterlüty und alle Interessierten im Namen von Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich zur gemeinsamen Gesprächsrunde.

Am Beginn stand der Tanz: Monika Ankele und Anton Sutterlüty lenkten die Eintretenden tanzend ins Gespräch und in die Ausstellungsräumlichkeiten des Kunstraums NOE, in dem aktuell die Ausstellung Extreme zu sehen ist (www.kunstraum.net). Als Methapher bzw. Mittel an Kunst heranzuführen, nutzten die beiden KünstlerInnen den rhythmischen Prozess des Tanzens auch in ihrer anschließenden performativen Rede: ... Zu einem Raum wird die Kunst, indem a) einer vorgegebenen Bewegung gefolgt wird und/oder b) eine eigene Bewegung gefunden wird. Dabei ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass in vielen Fällen etwas gefunden wird, was bislang noch gar nicht gesucht wurde.... Zeigt sich die Kunst als goldenes Kalb, so zeigt sich die Kunstvermittlung oft zum Tanz um dasselbe verleitet. Anstatt zu wildern, wird dann der Choreografie folgend getanzt.

Bärbl Zechner betonte in ihrer Einführung die sehr unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüche des Publikums in ihrer täglichen Arbeitspraxis innerhalb der Kunstvermittlung, unter anderem während der von ihr konzipierten und geführten Landpartien zur Kunst im öffentlichen Raum, die ganz verschiedene Formen von Kommunikation nachfragen, gleichzeitig aber auch ein Bedürfnis nach Autorität zu Tage treten lassen, das in keinem Fall mit der Beantwortung nicht gestellter Fragen befriedigt werden darf.

Im Folgenden erläuterte Edith Futscher unter dem Fokus der Kunsthistorikerin die Position und Funktion der Vermittlung als sowohl störendes, wie auch unabdingbares drittes Element innerhalb der Beziehung zwischen Kunstwerk und BetrachterIn und veranschaulichte beides anhand zweier künstlerischer Betrachtungsszenarien. Einerseits mit Bezug auf Joseph Beuys Aktion Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt von 1965 in der Düsseldorfer Galerie Schmela, andererseits in Zusammenhang mit dem Oeuvre Francis Alys bzw. im Speziellen mit seiner 16minütigen Videoarbeit The Nightwatch, gedreht in der National Portrait Gallery London, 2004. In beiden Fällen ersetzt das Tier die BetrachterIn. Wiederum zeigt sich Kunsterfahrung als Prozess der Bewegung im Raum, wenn Beuys erklärend mit dem toten Hasen von einer Zeichnung zur nächsten wandert, wie der verunsicherte Fuchs durch die Gemäldesammlung in Francis Alys Kurzfilm. Mit dieser dritten Dimension verbunden, kam nicht nur der Mythos von der exklusiven Beziehung zwischen Zweien, also dem Kunstwerk und dem Kunstliebhaber zur Sprache, sondern auch jener von der unmittelbaren Verständlichkeit eines Werkes, ebenso wie der Einfluss des institutionellen Rahmens, der Rezeptionshaltungen bestimmt und deren mögliche Pluralisierung durch Öffentlichkeit bzw. öffentlichen Raum.

Anknüpfend an den Titel der Veranstaltung wäre demnach idealer Weise das Fremde im Eigenen enthalten bzw. damit verschränkt anzusehen und zwar ohne Dominanzverhältnis, vielmehr als sich ablösende Figuren. Differenz erhaltend sollte Kunstvermittlung folglich wirken, nicht auf Ähnlichkeiten mit bekannten Sehgewohnheiten setzend, sondern auf ein Verfremden derselben ohne dabei eine Nivellierung zwischen Betrachtung und Autorenschaft anzustreben, das Kunstwerk zu verdecken oder das Publikum an der eigenen Sichtweise zu hindern.

Aus dem Blickwinkel der Kuratorin beleuchtete Ruth Noack im Anschluss jene praktische Einbeziehung von Vermittlung, die als Teil des Ausstellungsmachens in die kuratorischen Tätigkeit einfließt und diese mitbestimmt, nicht als Betrachterin, sondern als Gestalterin von Räumen und Raumbeziehungen, die ja immer auch Machtbeziehungen bedeuten. Nicht zu vernachlässigen dabei ist, welche Möglichkeiten ein gegebener Ausstellungsraum für Vermittlung zulässt. Anhand der gegebenen Ausstellungsarchitektur der dokumenta 12 schilderte Ruth Noack die Möglichkeit oder Unmöglichkeit in historischer Architektur Vermittlungsinseln einzurichten. Während diese eher für intime Begegnungen mit Kunst nutzbar sind, müssen für großzügigere Raumsituationen, in denen mehrere Menschen mit Kunst sein und sich über diese austauschen sollen, oftmals zeitgenössische Lösungen Verwendung finden. In diesem Zusammenhang stellte sie sich die Frage, was eigentlich jener Moment an der Vermittlung ist, der dem Kuratieren eigen ist und umgekehrt mit dem Schluss, dass es das in Verhältnis Stellen von Kunstwerken ist, das Kunstwerke sich einander vermitteln lassen. Wobei sich für die Vortragssituation zu diesem Thema zwangsläufig das Problem ergibt, dass die Exponate über die es zu sprechen gilt bzw. deren Vermittlung untereinander nicht zur Veranschaulichung dienen können, sondern lediglich Abbildungen derselben als Repräsentanten. Aus diesem Grund wählte Ruth Noack ein Vermittlungsexperiment zur Verdeutlichung des Unterschieds zwischen Schauen und Sprechen bzw. Betrachtung und textualisierter Erläuterung, wobei gleichzeitig eine Korrespondenz zwischen beiden Wahrnehmungen entstand. Wurde vorerst eine Bilderfolge, begleitet durch einen ausgewählten Text gezeigt bzw. vorgetragen, folgte in unmittelbarem Anschluss eine Reihe von Projektionen die ohne das gesprochene Wort auf das Publikum wirkte, das für sich diese Differenz bzw. Qualität beurteilen konnte.

Wie Vermittlung vom Standpunkt des Künstlers aus funktionieren kann, zeigte Simon Wachsmuth über den Umweg fremder Fußstapfen, nämlich jener des rumänisch-französischen Künstlers Andrè Carderes und dessen Impulse auf seine eigene Arbeit. Der 1978 in Paris jung verstorbene Andrè Cardere hinterließ ein schmales aber beeindruckendes Oeuvre, hauptsächlich bestehend aus Barres de bois rond genannten Holzstäben, zusammengefügt aus farblich unterschiedlich lackierten Holzelementen, die permutativ aufgebaut, sich innerhalb der Reihung aber systematisch verändern, die Reihe also durchbrechen und damit ein nicht oder schwer mitteilbares Moment transportieren. Wurden die Barres de bois rond innerhalb der ersten großen Retrospektive in der Kunsthalle Baden-Baden 2007 an der Wand lehnend oder am Boden liegend gezeigt, führte der Künstler sie zu Lebzeiten, gleich einem Hirtenstab mit sich, um selbst zu entscheiden, wann und wie er sie präsentieren und erklären wollte und machte sich damit zum aktiven Vermittler seiner Kunst, auch und oftmals im öffentlichen Raum, den er mit seinen Stäben besetzte. Eine zusätzliche Rezeption ließ er seinen Objekten an der Grenze zwischen Skulptur und Malerei in Form von comicartigen Zeichnungen zu Teil werden, die die Herstellung der Stäbe illustrierten und damit ein zusätzliches Element der Vermittlung darstellten. Cardere scheute sich dabei nicht, auf den Autorenbegriff zurückzugreifen, zu einer Zeit als die Diskussion um den Tod des Autoren in vollem Gange war. In Anlehnung an Carderes Praxis und beschäftigt mit der Frage nach dessen Werdegang ohne seinen frühen Tod entwickelte Simon Wachsmuth eigene Wege der Besetzung des öffentlichen Raumes mit hölzernen Stabobjekten, die Autorenschaft dabei allerdings nicht verstärkend, sondern zurücknehmend, indem er zum Beispiel innerhalb eines Projekts in Brno zum Thema Skulptur und öffentlicher Raum die Veranstalter anleitete, die Stangen nach deren Maßgabe an Orten ähnlich den von ihm vorgeschlagenen zu platzieren im Bewusstsein, dass diese dort verschwinden würden. Dieser Aktion verwandt erfolgte im Rahmen der Ausstellung reduction and suspence zusammen mit dem Kuratorenteam eine Verteilung von zuerst im Bregenzer Magazin4 präsentierten schwarz/weiß lackierten Stangen im öffentlichen Stadtraum. In beiden Fällen blieb die fotografische Dokumentation der Vermittler nach Beendigung der Aktion.

Die anschließende Diskussion mit den Anwesenden verdeutlichte noch einmal den Prozess der Kunstvermittlung als einen der Bewegung, der Verhandlung im Raum zwischen Irritation und Konsolidierung.

Trotz dem innerhalb der Diskussion angesprochenen, immer wieder auch gegebenen Unbehagen zwischen KünstlerInnen, deren Kunst und KunstvermittlerInnen, thematisiert auch durch die als Gast in Form einer Projektion am Abend teilnehmende Arbeit von Andrea Lüth What you see is what mir egal, wurde auch die Lösung der Autoren als Vermittler nur als begrenzt einsetzbare Möglichkeit erkannt. Das Konzept der Kontaktzone in Form eines Gravitationsfeldes zwischen verschiedenen Sichtweisen, unleugbaren Differenzen und einer möglichst großen Varietät an Kommunikationsmitteln stand am Ende des Gesprächs, bevor es in Form vieler kleiner an Schorsch Böhmes Tafel fortgesetzt wurde.

www.kunstraum.net




 

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