25.10.2023
Bericht zur Lage der Bibliotheken 2023

Mehr Besuche und Angebote, aber nicht mehr Geld

Der "Bericht zur Lage der Bibliotheken" des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) legt Zahlen und Fakten zur Entwicklung und der Arbeit der Bibliotheken vor. Für 2023 zeigt der Bericht, dass sich die Gesamtsituation im Vergleich zum Vorjahr kaum verbessert hat, trotz deutlich höherer Besuchs-, Verleih- und Veranstaltungszahlen.
Der "Bericht zur Lage der Bibliotheken 2023" gibt Einblicke, welche Themen für Bibliotheken aktuell besonders wichtig sind und welche politischen Forderungen sich daraus für den Deutschen Bibliotheksverband ergeben. Neben Fragen der Sonntagsöffnung sind das die Transformation von Bibliotheken, der Ausbau von Open Access, der Verleih von E-Books sowie der Fachkräftemangel.
 
Nutzung
 
Die Bibliotheken haben sich 2022 von den pandemiebedingten Maßnahmen erholt und erfreuen sich auch als analoge Orte wieder größerer Beliebtheit. Deutschlandweit wurden öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken über 132 Mio. Mal besucht und damit über 50 Mio. Mal häufiger als 2021. Die vorpandemischen Besuchszahlen von 223 Mio. Besuchen im Jahr 2019 sind damit zwar noch nicht wieder erreicht, die 104 Mio. des ersten Pandemiejahres 2020 aber deutlich übertroffen.  
 
Die gestiegenen Besuchszahlen zeigen sich auch an den Ausleihen. 2022 wurden in öffentlichen Bibliotheken 292 Mio. Medien ausgeliehen, davon 44 Mio. E-Medien. Die Gesamtzahl liegt damit um über 40 Mio. Ausleihen höher als 2021, die der E-Medien ist etwas gesunken. Trotz der häufigeren Besuche bleibt das Online-Angebot der Bibliotheken aber wichtig für die Nutzer*innen. Dies gilt umso stärker für wissenschaftliche Bibliotheken, die 2022 über 220 Mio. Euro und damit zwei Drittel ihrer Gesamtausgaben für Anschaffungen für E-Medien aufgebracht haben. Entsprechend ist der Bestand deutlich stärker gewachsen als in den Vorjahren. 
 
Finanzierung
 
Trotz der steigenden Zahlen und Anforderungen stagnieren die Bibliotheksbudgets seit Jahren, wie die aktuelle dbv-Umfrage zur Finanzsituation öffentlicher Bibliotheken zeigt: Über 80 Prozent der Bibliotheken geben an, dass ihr Gesamtbudget und ihr Medienetat gleichbleibt (14 Prozent) oder sinkt. Nur 14 Prozent sehen eine Steigerung ihres Budgets voraus. 2021 waren dies nur 10 Prozent, aber auch die neuen Zahlen sind zu gering angesichts von Inflation, Kosten für digitale Medien, Digitalisierung der Infrastrukturen und Prozesse sowie Anpassung an gesellschaftliche Herausforderungen. 
 
Im dbv-Bericht 2021 sprachen noch 90 Prozent der Befragten von stagnierenden oder sinkenden Budgets, es ist also ein Trend zu erkennen, wenn auch nur sehr langsam. Dieser zeigt sich bei weiteren Maßnahmen eher nicht. So werden derzeit mit 14,4 Prozent bei etwas mehr Bibiotheken als im Vorjahr Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen realisiert (2021: 13,8 Prozent). Dabei sind Bibliotheken in großen Städten besonders stark betroffen und ebenfalls häufiger als im Vorjahr. Eine Kürzung der Zuweisung berichten mit 11,6 Prozent etwas weniger Bibliotheken weniger als im Vorjahr. Damit einher geht für 7 Prozent die Forderung, ihre Einnahmen zu steigern. Knapp 14 Prozent der Bibliotheken unterliegen zudem einer globalen Haushaltssperre, 2021 waren das knapp 12 Prozent. Inflation und finanzielle Überforderung der Träger zeigen sich auch in reduzierten Medienetats, die mit 14 Prozent ebenfalls leicht höher liegen als 2021 mit 12 Prozent. Hingegen berichten nur knapp 14 Prozent eine Steigerung des Medienetats. 
 
Auch wenn dies nur eine Minderheit betrifft, wirken sich die Kürzungen zumindest zeitlich begrenzt auf die Angebote der Bibliotheken aus, wenn auch insgesamt etwas weniger als 2021. So reduzieren 4,7 Prozent ihre Öffnungsstunden (2021: 7,7 Prozent), 9 Prozent reduzieren Angebote z.B. im Veranstaltungsbereich (2021: 12 Prozent), 8 Prozent verzichten auf geplante Projekte wie Baumaßnahmen, technische Erneuerungen usw. (2021: 7 Prozent), sechs müssen Bibliotheken womöglich Zweigstellen oder Abteilungen schließen und drei befürchten die komplette Schließung. Die Zahlense gelten für zeitlich begrenzte Maßnahmen, die Zahlen für dauerhafte Reduzierungen liegen niedriger. Insgesamt sind die Bibliotheken in größeren Städten stärker betroffen als der Durchschnitt. Weitgehend ähnlich wie im Vorjahr fallen die Einschränkungen in Hinblick auf die Finanzierung relevanter aktueller Aufgaben aus: 
 
  • 40 Prozent benötigen zusätzliche Mittel zur Einstellung von Personal (2021 noch 35 Prozent)
  • 11 Prozent benötigen zusätzliche Mittel für die Fortbildung von Personal 
  • 41 Prozent geben an, dass mit dem bestehenden Budget die Bereitstellung und der Ausbau digitale Angebote nicht möglich ist 
  • 24,1 Prozent können sich mit dem vorhandenen Budget nicht an Kooperationen und Projekten beteiligen
  • 39 Prozent brauchen zusätzliche Mittel, um Bildungsangebote für Zielgruppen mit besonderen Bedarfen bereitzustellen (Bildungsbenachteiligte, Senioren, Menschen mit Behinderungen, geflüchtete Menschen u.a.)
  • 47 Prozent können bauliche Maßnahmen nicht mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umsetzen 
  • 47 Prozent der Bibliotheken brauchen zusätzliche Mittel für die Infrastrukturerneuerung 
 
Teilhabe und Personal
 
Ein wichtiger Aspekt gerade in Bezug auf Teilhabe ist die Sonntagsöffnung von Bibliotheken, die der deutsche Bibliotheksverband seit vielen Jahren fordert, aber von den Gewerkschaften kritisiert werden. Pilotprojekte zeigen, dass Bibliotheken an Sonntagen von ihren Besucher*innen regelrecht überrannt werden. Vor allem für Familien, alleinerziehende oder beruflich stark beanspruchte Menschen ist der Sonntag oftmals der einzige Tag, an dem sie von Bibliotheksdienstleistungen mit Zeit und Muße Gebrauch machen können. Für Bibliotheken soll deshalb laut dbv die Möglichkeit, aber kein Zwang bestehen, an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Denn für eine erfolgreiche Umsetzung ist die jeweilige Situation vor Ort entscheidend sowie eine ausreichende Personal- und Finanzausstattung. 
 
Erneut thematisiert der dbv in seinem Bericht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für den Erwerb und den Verleih von E-Books durch Bibliotheken. Um hier zu einer Lösung zu kommen, hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien einen Runden Tisch mit Vertreter*innen von Bibliotheken, Verlagen und Autor*innen ins Leben gerufen und eine Studie in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden Anfang 2024 erwartet. Parallel dazu will das Bundesministerium für Justiz den Regulierungsbedarf im Urheberrecht für digitale Ausleihen in Bibliotheken prüfen. Der Zugang zu E-Books, aber auch zu gedruckten Medien ist dabei insbesondere im ländlichen Raum von hoher Bedeutung. Im Jahr 2022 haben Bibliotheken hier über 290.000 Veranstaltungen und Schulungsangebote durchgeführt sowie im Bereich der Lese- und Medienkompetenzförderung mehr als 132.000 Veranstaltungen für Kinder angeboten. Das sind jeweils mehr als doppelt so viele wie 2021. 
 
Diese ist auch relevant in Bezug auf das Thema Personal, denn auch in Bibliotheken wird der Fachkräftemangel spürbar. Ihnen fehlt es seit einigen Jahren an qualifiziertem Personal, nicht nur durch die hohe Zahl an Mitarbeitenden, die in den Ruhestand gehen, sondern auch durch enge Vorgaben der Verwaltungen, die eine personelle Anpassung an neue Aufgaben nur bedingt zulassen. Gefragt sind nicht nur Menschen mit bibliothekarischen Fachkenntnissen, sondern auch mit hohen kommunikativen und sozialen Kompetenzen, Erfahrungen in der Medienbildung, im Marketing, im IT- oder Open-Science-Bereich. Oftmals stimmen aber die Vorgaben des öffentlichen Dienstes bei der Personalgewinnung nicht mit dem Bedarf in den Bibliotheken überein und schließen z.B. spezielle Abschlüsse von Quereinsteiger*innen aus. Für zeitgemäße Anforderungen und Besetzungsverfahren sind jedoch meist die Träger, also die Kommunen zuständig. Wie für andere öffentliche Kultureinrichtungen brauchen die Bibliotheken deren Verständnis und Anpassungswillen, um dem Personalmangel entgegenzuwirken. Entsprechend müssen die Verwaltungen die Personalprofile für Bibliotheken zeitgemäß anpassen, offene Stellen mit flexibleren Kriterien ausschreiben, Quereinsteiger*innen berücksichtigen und Besetzungsverfahren beschleunigen. Dass etwa 4 Prozent der Bibliotheken über Stellenstreichungen berichten sowie 9 Prozent über eine Wiederbesetzungssperre - mehr als im Vorjahr -, ist dabei ein großes Problem. 
 
Seit 2010 veröffentlicht der dbv jährlich den "Bericht zur Lage der Bibliotheken". Der Bericht 2023 kann hier heruntergeladen werden.
 
Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) vertritt bundesweit über 9.000 Bibliotheken mit 25.000 Beschäftigten und 11 Millionen Nutzer*innen. Der Verband setzt sich ein für die Entwicklung innovativer Bibliotheksleistungen für Wissenschaft und Gesellschaft. Als politische Interessensvertretung unterstützt der dbv die Bibliotheken insbesondere auf den Feldern Informationskompetenz und Medienbildung, Leseförderung und bei der Ermöglichung kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe für alle Bürger*innen.

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