20.02.2011

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick Kongress Taten.Drang.Kultur 2011

Aufbruch in eine neue kulturelle Gründerzeit?

Taten.Drang.Kultur - das klang nach Aufbruch. Und wenn uns dieses Signal vom Institut für Kulturmanagement in Ludwigsburg verkündet wird, war der Andrang gleich so groß, dass der Kongress aus Kapazitätsgründen kurzfristig nicht an der Filmakademie, sondern auf dem Campus der Pädagogischen Hochschule stattfinden musste.
Mehr als 200 Besucher konnten die Veranstalter an beiden Tagen zählen. Während der Kongress organisatorisch perfekt verlief, blieb seine inhaltliche Zielrichtung zeitweilig unklar. Allerdings gab es zwei zentrale Feststellungen: zum einen sind Kulturmanager unverzichtbar. Zum anderen war man sich weitestgehend einig, Kulturförderung künftig an originären Zielen zu orientieren. Das ist viel Konsens in diesen diskursiven Zeiten.
 
Das Institut gehört zweifellos zu den aktivsten Ausbildungsstätten für Kulturmanager. Dazu tragen mehrere Dozenten mit ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit ebenso bei wie deren veröffentlichte Ergebnisse durch Publikationen und Tagungen. Seit der Gründung des Studiengangs 1989/90 hat das Institut mehr als 400 Absolventen in die Welt geschickt. Hinzu kommen hunderte Teilnehmer, die als Berufstätige das Kontaktstudium wählten. Wie Rektor Prof. Martin Fix in seiner Begrüßung hervorhob, kommen sie aus allen Teilen Deutschlands und Europas. Die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg schickt sich nun auch mit einem Leitbild an, sich als wissenschaftliches Kompetenzzentrum für Bildung und Kultur weiter zu positionieren. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht.
 
Institutsleiter Prof. Thomas Knubben erinnerte an die Anfänge. Da galten Studiengänge für Kulturmanagement noch als "akademische Bastards, als Miss-Alliance zwischen Kultur und Management". Hier die hehre Kultur, dort das effiziente Management. Doch ganz ehrlich: tut man dem Management Recht, wenn man es ausschließlich auf das Ökonomische reduziert? Gerade in letzter Zeit gewinnt in der kulturellen Praxis das Unternehmerische eine immer stärkere Rolle. Diesem Unternehmertum wohnen Chancen wie Risiken gleichermaßen inne.
 
Prof. Armin Klein verwies anschließend auf die Pionierfunktion, die der Studiengang gemeinsam mit den Kollegen in Wien, Hamburg und Berlin gerade in den Anfangsjahren der Kulturmanagement-Ausbildung einnahm. Vorausgegangen war allerdings eine Reformentwicklung, die in den 70er Jahren durch eine Ausweitung des kulturellen Angebots ausgelöst wurde.
 
Der renommierte Berliner Kultursoziologe Prof. Albrecht Göschel skizzierte in einem pointierten Eingangsreferat genau diese Entwicklung. Mag man diesen kulturpolitischen Aufbruch, postuliert durch Hilmar Hoffmanns Anspruch einer "Kultur für alle", auch nicht für "alternativlos" halten, so war ein Ende des elitären Kulturbegriffs durchaus angebracht. Zweifellos hatte die Ausweitung des kulturellen Angebots zur Folge, das größere Teile der Gesellschaft daran partizipieren konnten. Göschel sieht darin nicht nur den Paradigmenwechsel vom Anbieter- zu einem Nachfragemarkt. Er beobachtete auch eine Steigerung der öffentlichen Kulturausgaben zu einer relevanten Größe in den Haushalten. Die Kultur wurde damit nach seiner Einschätzung zu einem normalen Politiksektor, der in Konkurrenz stand zu anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern. Deren Vertreter freilich wollten nicht darüber diskutieren, warum Kultur so wichtig sei. Das Ergebnis sehen wir heute: Kulturpolitiker bedienen sich der gleichen Instrumentarien, um die Interesse ihres Klientels durchzusetzen. Wie schön, dass man sich diesen Bevölkerungskreis - anders als vielleicht in der Landwirtschaft - durch die Verbindung mit Aspekten wie Bildung oder Traditionspflege - nahezu beliebig vergrößern kann. Eine wichtige Rolle spielen hierbei nun die Kulturmanager. Sie werben um Publikum und versuchen gleichwohl, die internen Arbeitsabläufe in den Kulturbetrieben in den Griff zu kriegen. Aber ist, so Göschel, "das Kunsthandwerk überhaupt so effizient zu ermöglichen? Gilt nicht Kultur als letztes Refugium eines Geniemythos'? Da dieses Genie schwer zu beweisen ist, versichert man sich den Nachweis der Professionalität dann doch besser durch Qualifikationsnachweise. Ausgestattet damit, kann der Kulturmanager sich Spielräume erarbeiten, ohne der Schönheit der Kultur - gerade in der Musik enthält sie für Göschel sakrale Elemente - Abbruch zu tun. Vieler der Leser werden jetzt ob ihrer Existenzberechtigung erleichtert sein.
 
Doch droht Gefahr von anderer Seite. Kulturpolitiker neigen nach Meinung des Beraters Dieter Haselbach (ICG Culturplan, Berlin/Wien) dazu, vorhandene Strukturen zu verteidigen. Die meisten Förderungen werden fortgeschrieben, neue Impulse allenfalls mit der Gießkanne tröpfchenweise anzupflanzen versucht. Verbands- und Institutionsinteressen tun ein übriges, um einen sich selbst stabilisierenden Kulturbetrieb am Leben zu erhalten, dessen Ziele unklar bleiben. Die Zielformulierung wird einfach den Geförderten überlassen, was für Haselbach geradezu eine Einladung für die Etablierten ist, eigene Interessen zu verfolgen. Kultur wird dabei als Gegenkonzept vom Markt verstanden. Die Neigung ist dann besonders groß, zum Zwecke des Selbsterhalts sekundäre Begründungen zu artikulieren, warum Kultur gut sei: Kultur als Wirtschaftsfaktor, Kultur als Standortfaktor, Kultur als Integrationsfaktor, und - nicht zu vergessen: der unschätzbare Wert kultureller Bildung. Jeki lässt grüßen.
 
Prof. Oliver Scheytt war nach Ludwigsburg diesmal weniger in seiner Rolle als Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, sondern als Personaler eines großen Kulturbetriebs gekommen. Die Erfahrung als Geschäftsführer der Ruhr.2010 GmbH hat ihn das Kulturstadtjahr zumindest eines gelehrt: Personal ist das wichtigste, was wir in der Kultur haben. Umso frappierender: das Thema Personalmanagement ist in Ausbildung und Literatur zum Kulturmanagement völlig unterbelichtet. Eine systematische Mitarbeitergewinnung findet kaum statt. Dies wurde auch auf der Tagung "KM Konkret" vergangenen November in Weimar erstmals deutlich, dessen Vorreiterrolle Scheytt ausdrücklich hervorhob. Er brachte es auf eine einfache Formel: Ziel der Personalbeschaffung ist es, den passenden Kandidaten zu finden und beiderseitige Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Dabei brauche es aus seiner Sicht zwei Perspektiven: die des Generalisten ebenso wie die des Spezialisten. Der Generalist versteht es, die unterschiedlichen Wege zur Lösung komplexer Probleme und Prozesse zu analysieren und angrenzende Bereiche dabei einzubeziehen. Der Spezialist wiederum gilt als Experte in seinem Fachgebiet. Oliver Scheytt sagte voraus, dass auch der Kultursektor im Kampf um die besten Köpfe zunehmend auf Personaldienstleister setzen wird und dürfte damit langfristig bei Führungspositionen sicher nicht falsch liegen.
 
 
Haselbachs Beraterkollege Peter Vermeulen hatte vor 5 Jahren die Seiten gewechselt und ist seither Dezernent für Schule, Jugend und Kultur in Mülheim a.d.Ruhr. Diese neue Funktion merkte man seinem Vortrag allerdings kaum an. Vielmehr beklagte er das schlechte Image des öffentlichen Dienstes. Das größte Budget sei durch Personal und Infrastruktur gebunden, der geringste Teil für die kulturellen Inhalte übrig. Das ist alles andere als neu und verstärkte den Eindruck, dass man insgesamt in der Kulturpolitik an einem Scheideweg steht. Man wird sich entscheiden müssen, wie man Veränderungen vermittelt, ohne sie allein mit Einsparzwängen zu erklären. Eine aktivierende Kulturarbeit, so Vermeulen, müsse gesellschaftliche Funktionen unterstützen. Braucht es mehr Kulturmanager in der Verwaltung, wie es der Mülheimer Dezernent fordert? Das Thema Kultur und Gesellschaft nahm schon auf der Tagung des Fachverbands Kulturmanagement in Basel breiten Raum ein. Insofern darf man davon ausgehen, dass inzwischen viele Kulturschaffende die Frage umtreibt, ob ihr Angebot, ihr Handeln und ihre Vision eine gesamtgesellschaftliche Relevanz hat. Hierüber wird zweifellos beim bevorstehenden 56. Kulturpolitischen Kolloquium in Loccum weiter lebhaft diskutiert.
 
Dort wird einmal mehr auch der Direktor der Schweizer Stiftung Pro Helvetia als Referent erwartet, der schon in Basel und Ludwigsburg mit unbequemen Thesen für Aufsehen sorgte. Warum benötigen wir Kulturmanager, fragte Pius Knüsel die Anwesenden, die sich dank Albrecht Göschel am Vortag noch ihrer Existenzberechtigung sicher schienen. Kulturmanager waren für den Schweizer Stiftungschef in den letzten 30 Jahren zweifellos Träger der kulturellen Expansion. Aber nun? Sind sie in Zeiten knapper Haushalte lediglich die bedauernswerten Verwalter des Mangels? Kulturmanager wollen selbstverständlich ihren Auftrag erfüllen und ihr jeweiliges Haus erhalten - Knüsel sieht darin sogar ihr Ethos. Doch für ihn wird inzwischen die künstlerische Leistung durch ihr inflationäres Vorhandensein geradezu entwertet. Der Referent warb erneut für mehr unternehmerisches und individuelles Engagement: "Künftiges Kulturmanagement muss davon ausgehen, dass es das Ehrenvollste ist, ein privates Unternehmen zu managen, das sich am Markt behauptet". Sich damit Freiheit und Unabhängigkeit vom Misstrauen der Geldgeber und vom Subventionsauftrag zu erwerben, könne letztlich zu neuen inhaltlichen Spielräumen führen. Mancher wird bereits von einer neuen kulturellen Gründerzeit träumen, insbesondere wenn er noch den Hype um die Kreativwirtschaft einbezieht. Aber es braucht auch die richtigen Rahmenbedingungen. Kostendeckende Preise beispielsweise, meint Pius Knüsel. Kunst sei oft zu billig für die Konsumenten. Und welcher Kulturmanager will schon der Billigheimer sein?
 
Bei der Kulturpolitik wird diese Aussicht schon eher auf ein geteiltes Echo stoßen, schließlich sind sie auch der breiten gesellschaftlichen Teilhabe an Kultur verpflichtet. Und insofern läuft alles auf die Frage hinaus, inwieweit sich beide berechtigte Ziele - eine innovative, lebendige und unabhängige Kunst einerseits und ihre breite gesellschaftliche Akzeptanz und Nutzung andererseits - zusammenbringen lassen. Der Kongress in Ludwigsburg hat entscheidende Fragen gestellt und erste Antworten gegeben. Die kommenden Monaten werden entscheidend sein, ob der Tatendrang der Kulturmanager in die Sackgasse oder zu einem Aufbruch in neue Zeiten führt.
 
 

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