26.06.2014
Autor*in
Leonie Krutzinna
studierte Skandinavistik und Literaturwissenschaft an der Georg August-Universität Göttingen.
Johanna Karch
Referat für Kultur, Schule und Sport
Das Gute und Schöne bewahren? Kulturpolitische Perspektiven auf die Kulturförderung in Würzburg
Muchtar Al Ghusain leitet das Kultur-, Schul- und Sportreferat der Stadt Würzburg. Im Interview mit Kulturmanagement Network spricht er über die Herausforderung, kulturelles Engagement zu bündeln und die kulturelle Diversität zu stärken. Das Interview führten Leonie Krutzinna und Johanna Karch.
KMN: Herr Al Ghusain, Sie haben Musik studiert. Spielt die Hochkultur, bedingt durch ihren akademischen Hintergrund, eine besondere Rolle in Ihrer politischen Arbeit?
Al Ghusain: Ich bin studierter Pianist und komme sozusagen aus der Hochkultur. Ich spiele aber auch Gitarre bzw. E-Gitarre und interessiere mich für aktuelle Entwicklungen der Popmusik und allgemein dafür, was in der Jugend- und Subkultur passiert. In der Vergangenheit hat im Kulturreferat der Stadt Würzburg vorrangig klassische Hochkultur stattgefunden. Jugendkultur hat in diesem Bereich vor zwanzig Jahren kaum eine Rolle gespielt.
KMN: Ist das nun mit der Zusammenlegung der Referate für Kultur, Schule und Sport anders geworden?
Al Ghusain: Vor meiner Zeit gab es einen eigenständigen Kulturreferenten, der nur für die Kultur zuständig war. Es wurde dann sehr kritisch betrachtet, als die Referate für Kultur, Schule und Sport 2003 zu einem einzigen Referat zusammengelegt wurden. Ich bin seit 2006 hier und begrüße die Zusammenlegung, weil sich die Kultur dadurch stärker mit dem öffentlichen Leben und der Kommunalpolitik vernetzt. Sie wächst hier nicht als kleine Orchidee am Rand.
KMN: Funktioniert die Sportpolitik denn analog zu der in der Kultur?
Al Ghusain: Die Personalstruktur in der Kultur zeichnet sich in Deutschland dadurch aus, dass sie relativ stark durch ausgebildete bzw. studierte und hauptamtliche Mitarbeiter geprägt ist, z.B. in Stadttheatern, Museen, der Stadtbücherei, im Stadtarchiv, in Musikschulen und Volkshochschulen usw. Das ist im Sport in der Regel nicht der Fall, er ist überwiegend in Vereinen und das heißt ehrenamtlich bzw. über die Verbände und damit privatrechtlich organisiert. Der Sport schaut deshalb sehnsuchtsvoll, manchmal auch neidvoll, auf die Kultur. Das führt dann bisweilen auch zu bizarren Debatten wie z.B. in Bonn, wo es in der Diskussion um den Bau des Beethovensaals heißt: Weg mit diesem Luxus in der Kultur.
KMN: Gibt es solche Konkurrenzen wie in Bonn auch in Würzburg?
Al Ghusain: Auch unsere Sportleute haben gelegentlich solche Zuckungen. Ich verstehe das zwar und ich bin auch bereit, alles für den Sport zu tun. Aber es ist meiner Meinung nach der falsche Weg, das eine kaputt zu machen, um das andere zu ermöglichen.
KMN: Welche Strukturen braucht der Sport?
Al Ghusain: Es reicht nicht, das Ehrenamt zu feiern. Wir müssen es auch stärken, was wir dadurch erreichen können, dass wir ergänzend hauptamtliche Strukturen schaffen, wie es eben auch im Kulturbereich der Fall ist. Ich glaube, Ehrenamt funktioniert langfristig nur in engerer Zusammenarbeit mit einem Hauptamt.
Aber der Kulturbereich muss ebenfalls auf Ehrenamtliche setzen, um sich über Wasser zu halten. Ein funktionierendes Museum, ein funktionierendes Theater hat einen engagierten Förderverein. Die Leute dort haben eine Vision und sind aktiv, weil sie vom Projekt überzeugt sind. Sie brennen für ihr Thema und schöpfen Spaß aus ihrem Engagement. Aber als Förderverein tragen sie natürlich nicht die Gesamtverantwortung für das Museum. Das geht vielleicht noch in einem sehr kleinen Museum, aber nicht in einem Haus mit hauptamtlichen Mitarbeitern.
KMN: Ist Ehrenamt ein überholtes Konzept?
Al Ghusain: Der Begriff Ehrenamt lenkt in eine bestimmte Richtung. Wenn wir es einfach bürgerschaftliches Engagement nennen, tun sich ganz andere Fenster auf. Ehrenamt ist im allgemeinen Verständnis oft mit einem Verein verbunden und mit kulturellem, sportlichem oder sozialem Engagement verknüpft. Bürgerschaftliches Engagement ist auch oft Ehrenamt, erstreckt sich aber auf andere Themen, wie z.B. Stadtentwicklung, Verkehrsplanung, Umweltschutz. Bürgerschaftliches Engagement meint auch eher neue Ideen, während durch Ehrenamt eher traditionelle Strukturen unterstützt werden.
KMN: Was muss die Politik leisten, um bürgerschaftliches Engagement zu fördern?
Al Ghusain: Politik muss neue Impulse aufgreifen und sie ermutigen. Die Politik muss einen einladenden Gestus zeigen. Stadt, Stadtverwaltung, Stadtpolitik sind nicht statisch, sondern im stetigen Wandel. Es soll nicht nur unsere Aufgabe sein, das Gute, Schöne, Wahre zu bewahren. Wir wollen die hochkulturellen Einrichtungen natürlich nicht in Frage stellen. Es muss aber möglich sein, dass neben dem Alten auch Neues entstehen kann. Dazu braucht es Kommunikation, Gespräche, Vermittlung und Ausstrahlung. Es kommt auch darauf an, klar zu analysieren: Wo fehlt Neues? Wo ist etwas verkrustet, langweilig, innovationslos? Welche Bereiche liegen brach? Der nächste Schritt ist dann zu fragen, was konkret getan werden kann.
KMN: Was wird konkret in Würzburg getan, um Neues entstehen zu lassen?
Al Ghusain: Die Soziokultur oder Subkultur hat sich auch in dieser Stadt teils von alleine entwickelt. Das entsprach auch der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung der 60er bis 80er Jahre. Aus einem normalen Jugendzentrum, wie etwa dem Cairo, heraus haben sich Kulturprojekte entwickelt, eben weil es eine Leerstelle dafür gab. Die Sparten sind heute zum Glück nicht mehr so stark voneinander getrennt. Das Stadttheater hat sich dem Bereich der Jugendkultur geöffnet, z.B. durch Slam Poetry. Vor acht Jahren, als ich neu in meinem Amt war, habe ich ein Festival etabliert, den Hafensommer Würzburg. Dort gibt es Pop und Weltmusik, aber keinen Mainstream. Die Künstler dort sind sehr avanciert und innovativ, auch oft international etabliert. Von der Hochkultur kommend, wollte ich auf diese Weise ein Gegengewicht setzen. So entstehen auch Möglichkeiten zur Identifikation mit unserer Region für Menschen, die neu nach Würzburg kommen. Wer sich nicht für Theater und Museum interessiert, aber auch nicht mehr in der Jugendkultur zu Hause ist, der findet hier eine Möglichkeit. Auch Sponsoren finden das interessant. Und kleine Firmen unterstützen mit kleinen Summen, wir haben jetzt schon über 50 Partner. Auch das ist zivilgesellschaftliches Engagement.
KMN: Welche Probleme tun sich auf, wenn ein neues Format etabliert werden soll?
Al Ghusain: Ein neues Format will ja kein altes verdrängen. Aber manche Vertreter der freien Szene sehen es kritisch, wenn aus der Mitte der städtischen Kulturverwaltung neue Idee entstehen. Mit geht es vorrangig um Qualität und Innovation. Wenn die städtische Kulturpolitik hier Akzente setzt, dann wird das insgesamt das kulturelle Leben anregen. Ich wünsche mir, dass die Kulturszene darauf reagiert und ihrerseits mit neuen Ideen das kulturelle Leben beflügelt. Nun sind die finanziellen Ressourcen natürlich endlich und auch die Besucher bzw. Nutzer der Kulturangebote nehmen leider nicht in dem Maß zu wie das Angebot wächst. Aber ich denke, dass alle aufgefordert sind, sich immer wieder neu zu erfinden. Das ist mit Veränderungen und Anstrengungen verbunden, aber Selbstzufriedenheit und Trägheit wäre für ein Kulturleben sicher keine Alternative.
KMN: Nach außen macht Würzburg eher den Eindruck, dass hier relativ konstruktiv miteinander gesprochen wird.
Al Ghusain: Mir ist der regelmäßige Dialog mit allen Akteuren wichtig. Man muss nicht immer einer Meinung sein, und manches lässt sich auch nicht einfach umsetzen, aber ich lasse nicht locker, immer wieder das Gespräch zu suchen. Viele Ideen sind auch durch Runde Tische entstanden, die ich immer wieder neu zusammengestellt und eingeladen habe. Der Runde Tisch der jungen Kultur funktioniert autonom. Aber ich würde mir wünschen, die Kontakte zu den klassischen Kultureinrichtungen noch zu stärken. Außerdem bildet der Stadtrat aus seiner Mitte heraus einen Kulturausschuss, so wie es auch einen Finanzausschuss, einen Bauausschuss etc. gibt. Im Kulturausschuss sind 15 gewählte Stadträte. Eine Ebene darunter ist der Kulturbeirat, dem auch Externe angehören, d.h. Sachverständige aus der Kulturszene und die Hauptamtlichen aus Museen etc., sodass wir insgesamt ca. 30 Leute sind. Ein Gremium dieser Art muss man erst einmal dazu bringen, zu unterschiedlichsten Themen inspiriert zu diskutieren. Denn viele vertreten ja auch erst einmal ihre Sparte bzw. Einrichtung und da ist es nicht immer einfach, engagierte Debatten zu allen Themen anzustoßen. Insofern muss man bisweilen die Eigenschaften eines Zirkusdirektors oder Entertainers in sich hervorkitzeln, um das Gremium richtig in Schwung zu bringen.
KMN: Sie wünschen sich also eine engere und interdisziplinäre Zusammenarbeit?
Al Ghusain: Es darf natürlich nicht bei den üblichen Vernetzungsfloskeln bleiben. Allzu schnell sprechen wir von Synergieeffekten. Es geht immer wieder um den konkreten Mehrwert, um Ziele und Visionen und darum, Neues entstehen zu lassen. Nur wenn am Ende erkennbare Ergebnisse entstehen, kann man das Interesse an übergreifender Zusammenarbeit wach halten und neu entfachen.
KMN: Wie kann man als Politiker dann die Hoch- und die Subkultur zusammen bringen?
Al Ghusain: Ich darf keine Über- und Unterordnungen akzeptieren. Deshalb lehne ich das Wort Subkultur eigentlich ab. Es drückt Hierarchien aus, man taucht ab, man ist unten. Im Keller kann es durchaus kuschelig sein, aber die Frischluft kommt nicht von allein hinunter. Auf Dauer wird es dort muffig und irgendwann muss man ans Tageslicht. Der Slam Poetry-Freak ist mir genauso lieb und wertvoll wie der Staatsschauspieler oder die promovierte Kunsthistorikerin mit performativen Kunst-Installationen in heruntergekommen Industriebrachen. Aber als Kulturpolitiker müssen wir uns auch daran messen lassen, wie weit es gelingt, diese insgesamt wachsende Anerkennung auch in der Höhe der finanziellen Förderung sichtbar werden zu lassen.
Al Ghusain: Ich bin studierter Pianist und komme sozusagen aus der Hochkultur. Ich spiele aber auch Gitarre bzw. E-Gitarre und interessiere mich für aktuelle Entwicklungen der Popmusik und allgemein dafür, was in der Jugend- und Subkultur passiert. In der Vergangenheit hat im Kulturreferat der Stadt Würzburg vorrangig klassische Hochkultur stattgefunden. Jugendkultur hat in diesem Bereich vor zwanzig Jahren kaum eine Rolle gespielt.
KMN: Ist das nun mit der Zusammenlegung der Referate für Kultur, Schule und Sport anders geworden?
Al Ghusain: Vor meiner Zeit gab es einen eigenständigen Kulturreferenten, der nur für die Kultur zuständig war. Es wurde dann sehr kritisch betrachtet, als die Referate für Kultur, Schule und Sport 2003 zu einem einzigen Referat zusammengelegt wurden. Ich bin seit 2006 hier und begrüße die Zusammenlegung, weil sich die Kultur dadurch stärker mit dem öffentlichen Leben und der Kommunalpolitik vernetzt. Sie wächst hier nicht als kleine Orchidee am Rand.
KMN: Funktioniert die Sportpolitik denn analog zu der in der Kultur?
Al Ghusain: Die Personalstruktur in der Kultur zeichnet sich in Deutschland dadurch aus, dass sie relativ stark durch ausgebildete bzw. studierte und hauptamtliche Mitarbeiter geprägt ist, z.B. in Stadttheatern, Museen, der Stadtbücherei, im Stadtarchiv, in Musikschulen und Volkshochschulen usw. Das ist im Sport in der Regel nicht der Fall, er ist überwiegend in Vereinen und das heißt ehrenamtlich bzw. über die Verbände und damit privatrechtlich organisiert. Der Sport schaut deshalb sehnsuchtsvoll, manchmal auch neidvoll, auf die Kultur. Das führt dann bisweilen auch zu bizarren Debatten wie z.B. in Bonn, wo es in der Diskussion um den Bau des Beethovensaals heißt: Weg mit diesem Luxus in der Kultur.
KMN: Gibt es solche Konkurrenzen wie in Bonn auch in Würzburg?
Al Ghusain: Auch unsere Sportleute haben gelegentlich solche Zuckungen. Ich verstehe das zwar und ich bin auch bereit, alles für den Sport zu tun. Aber es ist meiner Meinung nach der falsche Weg, das eine kaputt zu machen, um das andere zu ermöglichen.
KMN: Welche Strukturen braucht der Sport?
Al Ghusain: Es reicht nicht, das Ehrenamt zu feiern. Wir müssen es auch stärken, was wir dadurch erreichen können, dass wir ergänzend hauptamtliche Strukturen schaffen, wie es eben auch im Kulturbereich der Fall ist. Ich glaube, Ehrenamt funktioniert langfristig nur in engerer Zusammenarbeit mit einem Hauptamt.
Aber der Kulturbereich muss ebenfalls auf Ehrenamtliche setzen, um sich über Wasser zu halten. Ein funktionierendes Museum, ein funktionierendes Theater hat einen engagierten Förderverein. Die Leute dort haben eine Vision und sind aktiv, weil sie vom Projekt überzeugt sind. Sie brennen für ihr Thema und schöpfen Spaß aus ihrem Engagement. Aber als Förderverein tragen sie natürlich nicht die Gesamtverantwortung für das Museum. Das geht vielleicht noch in einem sehr kleinen Museum, aber nicht in einem Haus mit hauptamtlichen Mitarbeitern.
KMN: Ist Ehrenamt ein überholtes Konzept?
Al Ghusain: Der Begriff Ehrenamt lenkt in eine bestimmte Richtung. Wenn wir es einfach bürgerschaftliches Engagement nennen, tun sich ganz andere Fenster auf. Ehrenamt ist im allgemeinen Verständnis oft mit einem Verein verbunden und mit kulturellem, sportlichem oder sozialem Engagement verknüpft. Bürgerschaftliches Engagement ist auch oft Ehrenamt, erstreckt sich aber auf andere Themen, wie z.B. Stadtentwicklung, Verkehrsplanung, Umweltschutz. Bürgerschaftliches Engagement meint auch eher neue Ideen, während durch Ehrenamt eher traditionelle Strukturen unterstützt werden.
KMN: Was muss die Politik leisten, um bürgerschaftliches Engagement zu fördern?
Al Ghusain: Politik muss neue Impulse aufgreifen und sie ermutigen. Die Politik muss einen einladenden Gestus zeigen. Stadt, Stadtverwaltung, Stadtpolitik sind nicht statisch, sondern im stetigen Wandel. Es soll nicht nur unsere Aufgabe sein, das Gute, Schöne, Wahre zu bewahren. Wir wollen die hochkulturellen Einrichtungen natürlich nicht in Frage stellen. Es muss aber möglich sein, dass neben dem Alten auch Neues entstehen kann. Dazu braucht es Kommunikation, Gespräche, Vermittlung und Ausstrahlung. Es kommt auch darauf an, klar zu analysieren: Wo fehlt Neues? Wo ist etwas verkrustet, langweilig, innovationslos? Welche Bereiche liegen brach? Der nächste Schritt ist dann zu fragen, was konkret getan werden kann.
KMN: Was wird konkret in Würzburg getan, um Neues entstehen zu lassen?
Al Ghusain: Die Soziokultur oder Subkultur hat sich auch in dieser Stadt teils von alleine entwickelt. Das entsprach auch der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung der 60er bis 80er Jahre. Aus einem normalen Jugendzentrum, wie etwa dem Cairo, heraus haben sich Kulturprojekte entwickelt, eben weil es eine Leerstelle dafür gab. Die Sparten sind heute zum Glück nicht mehr so stark voneinander getrennt. Das Stadttheater hat sich dem Bereich der Jugendkultur geöffnet, z.B. durch Slam Poetry. Vor acht Jahren, als ich neu in meinem Amt war, habe ich ein Festival etabliert, den Hafensommer Würzburg. Dort gibt es Pop und Weltmusik, aber keinen Mainstream. Die Künstler dort sind sehr avanciert und innovativ, auch oft international etabliert. Von der Hochkultur kommend, wollte ich auf diese Weise ein Gegengewicht setzen. So entstehen auch Möglichkeiten zur Identifikation mit unserer Region für Menschen, die neu nach Würzburg kommen. Wer sich nicht für Theater und Museum interessiert, aber auch nicht mehr in der Jugendkultur zu Hause ist, der findet hier eine Möglichkeit. Auch Sponsoren finden das interessant. Und kleine Firmen unterstützen mit kleinen Summen, wir haben jetzt schon über 50 Partner. Auch das ist zivilgesellschaftliches Engagement.
KMN: Welche Probleme tun sich auf, wenn ein neues Format etabliert werden soll?
Al Ghusain: Ein neues Format will ja kein altes verdrängen. Aber manche Vertreter der freien Szene sehen es kritisch, wenn aus der Mitte der städtischen Kulturverwaltung neue Idee entstehen. Mit geht es vorrangig um Qualität und Innovation. Wenn die städtische Kulturpolitik hier Akzente setzt, dann wird das insgesamt das kulturelle Leben anregen. Ich wünsche mir, dass die Kulturszene darauf reagiert und ihrerseits mit neuen Ideen das kulturelle Leben beflügelt. Nun sind die finanziellen Ressourcen natürlich endlich und auch die Besucher bzw. Nutzer der Kulturangebote nehmen leider nicht in dem Maß zu wie das Angebot wächst. Aber ich denke, dass alle aufgefordert sind, sich immer wieder neu zu erfinden. Das ist mit Veränderungen und Anstrengungen verbunden, aber Selbstzufriedenheit und Trägheit wäre für ein Kulturleben sicher keine Alternative.
KMN: Nach außen macht Würzburg eher den Eindruck, dass hier relativ konstruktiv miteinander gesprochen wird.
Al Ghusain: Mir ist der regelmäßige Dialog mit allen Akteuren wichtig. Man muss nicht immer einer Meinung sein, und manches lässt sich auch nicht einfach umsetzen, aber ich lasse nicht locker, immer wieder das Gespräch zu suchen. Viele Ideen sind auch durch Runde Tische entstanden, die ich immer wieder neu zusammengestellt und eingeladen habe. Der Runde Tisch der jungen Kultur funktioniert autonom. Aber ich würde mir wünschen, die Kontakte zu den klassischen Kultureinrichtungen noch zu stärken. Außerdem bildet der Stadtrat aus seiner Mitte heraus einen Kulturausschuss, so wie es auch einen Finanzausschuss, einen Bauausschuss etc. gibt. Im Kulturausschuss sind 15 gewählte Stadträte. Eine Ebene darunter ist der Kulturbeirat, dem auch Externe angehören, d.h. Sachverständige aus der Kulturszene und die Hauptamtlichen aus Museen etc., sodass wir insgesamt ca. 30 Leute sind. Ein Gremium dieser Art muss man erst einmal dazu bringen, zu unterschiedlichsten Themen inspiriert zu diskutieren. Denn viele vertreten ja auch erst einmal ihre Sparte bzw. Einrichtung und da ist es nicht immer einfach, engagierte Debatten zu allen Themen anzustoßen. Insofern muss man bisweilen die Eigenschaften eines Zirkusdirektors oder Entertainers in sich hervorkitzeln, um das Gremium richtig in Schwung zu bringen.
KMN: Sie wünschen sich also eine engere und interdisziplinäre Zusammenarbeit?
Al Ghusain: Es darf natürlich nicht bei den üblichen Vernetzungsfloskeln bleiben. Allzu schnell sprechen wir von Synergieeffekten. Es geht immer wieder um den konkreten Mehrwert, um Ziele und Visionen und darum, Neues entstehen zu lassen. Nur wenn am Ende erkennbare Ergebnisse entstehen, kann man das Interesse an übergreifender Zusammenarbeit wach halten und neu entfachen.
KMN: Wie kann man als Politiker dann die Hoch- und die Subkultur zusammen bringen?
Al Ghusain: Ich darf keine Über- und Unterordnungen akzeptieren. Deshalb lehne ich das Wort Subkultur eigentlich ab. Es drückt Hierarchien aus, man taucht ab, man ist unten. Im Keller kann es durchaus kuschelig sein, aber die Frischluft kommt nicht von allein hinunter. Auf Dauer wird es dort muffig und irgendwann muss man ans Tageslicht. Der Slam Poetry-Freak ist mir genauso lieb und wertvoll wie der Staatsschauspieler oder die promovierte Kunsthistorikerin mit performativen Kunst-Installationen in heruntergekommen Industriebrachen. Aber als Kulturpolitiker müssen wir uns auch daran messen lassen, wie weit es gelingt, diese insgesamt wachsende Anerkennung auch in der Höhe der finanziellen Förderung sichtbar werden zu lassen.
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