Kulturvermittlungskonzept für Jugendliche
Kultur macht kompetent. Über den Stellenwert von Kultur in der Jugendarbeit
Steffen Deeg gehört seit 2001 dem Leitungsteam des städtischen Jugendkulturhauses Cairo in Würzburg an. Dort etablierte der studierte Sozialpädagoge und Kulturmanager ein Kulturvermittlungskonzept, das auf niedrigschwelligen Zugang und Partizipation setzt. Das Interview führte Leonie Krutzinna, Weimar.
KMN: Kulturförderung durch Kompetenzvermittlung das klingt ziemlich sperrig.
Deeg: Das impliziert, dass junge Menschen sich durch Kultur entwickeln können. Die Kommune muss dafür Angebote bereithalten, das ist durch das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz festgeschrieben und darauf basiert unser pädagogisches Konzept. Es geht darum, sich auszuprobieren. Alle reden von lebenslangem Lernen. Deshalb gehen wir auch als Erwachsene ins Theater oder ins Kino. Bei jungen Menschen ist alles noch etwas unstrukturiert und die Talente schlummern vielleicht noch.
KMN: Junge Menschen fürs Theater zu begeistern, ist nicht unbedingt einfach. Auf welche kulturellen Disziplinen setzt die Soziokulturarbeit?
Deeg: Offene Jugendangebote liegen auf jeden Fall im Trend und werden sehr gut nachgefragt. Wir haben hier im Haus vier Räume, die für unterschiedliche Nutzungen vorgesehen sind, nämlich ein Fotolabor, einen Videoschnittraum, eine Töpferei und einen Tanzraum. Zudem gibt es einen großen Theatersaal für Laien- und Schultheatergruppen. Auch der spielerisch-sportliche Bereich ist vertreten. HipHop ist zum Beispiel sehr populär. Es gibt im HipHop vier Elemente: Breakdance, Rap, Graffiti und Turntables. Fast jeder findet sich in einem der Bereiche wieder, entweder in der körperlichen Aktivität, dem musikalisch oder textlichen Bereich oder im technischen. Auf diese Weise wird Jugendkulturarbeit in ganz vielen Jugendzentren erfolgreich praktiziert.
KMN: Mit Töpfern und Fotolabor lassen sich die Jugendlichen vom PC weglocken?
Deeg: Uns wird schon unterstellt, dass unser Angebot nur für kulturell Vorgebildete funktioniert. Das stimmt insofern, als dass diese Vorgebildeten eher eine Komm-Struktur annehmen. Aber es ist durch alle Studien belegt, dass auch mit kulturferneren Gruppen hervorragend gearbeitet werden kann. Auf der Integrationsebene gibt es immer wieder Fördertöpfe, sodass mit Schulen aus den Stadtrandgebieten gearbeitet werden kann. Auf diesem Weg treten oft Leute an uns heran, die dann mithilfe von Projektmitteln auf unsere Personalressourcen zugreifen.
KMN: Welche Auflagen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen sind durch das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz verankert?
Deeg: Das Gesetz ist aufgegliedert in Erziehungshilfe, Freizeit, Sport und eben auch Kultur und Bildung. Genau diesen Aspekt bedienen wir. Wir möchten einen Raum zur Verfügung stellen, in dem man sich selbst betätigen und wo man vielleicht auch für seine spätere Profession etwas lernen kann. Dieses Bemühen sollen unsere Nutzer nach Möglichkeit gar nicht spüren. Obwohl wir pädagogische Arbeit machen, verstehen wir uns höchstens als Sozial- und Kulturmanager. Wir sind Partner, keine Erzieher. In seiner Freizeit möchte ja keiner erzogen werden. Dennoch sehen wir es als unseren Auftrag, das Bewusstsein der Nutzer zu schärfen, damit sie lernen, zwischen rein konsumorientierten, inhaltsleeren Angeboten und Kultur und Erlebnis zu differenzieren. Deshalb stellen wir hier im Haus auch nicht den Alkohol in den Vordergrund. Wir schenken zwar auch Bier und Wein aus, sonst würden wir die Konkurrenz unnötig stärken, aber es gibt keinen Hart-Alk und keine Mischgetränke.
KMN: Welche Zielgruppe möchte das Cairo ansprechen?
Deeg: Das Angebot richtet sich primär an 14 bis 27 Jährige. Wir verstehen und definieren unsere Arbeit eindeutig als stadtteilübergreifend. Je nach Veranstaltung kommt natürlich auch älteres Publikum, d.h. Mittdreißiger, Mittvierziger. Das ist mittlerweile auch von den Jüngeren akzeptiert, sodass, anders als in den 70er und 80er Jahren, durchaus mehrere Generationen gleichzeitig auf ein Konzert gehen können. Die Frage nach der Zielgruppe und unserer Besucherentwicklung bleibt weiterhin spannend, da wir unsere Finanzierung ja rein durch die Jugendhilfe, d.h. vom Sozialreferat, bekommen.
KMN: Wie ist der Veranstaltungsbereich im Cairo organisiert?
Deeg: Der Veranstaltungsbereich wird zu 80 bis 90% von Ehrenamtlichen gestemmt. Die meisten Veranstaltungen werden unentgeltlich in der Freizeit und mit eigener Programmhoheit durchgeführt außer dass es keine rassistischen, sexistischen und diskriminierenden Inhalte sein dürfen. Die Veranstalter sind gerade deshalb so motiviert, weil sie wirklich ihre Veranstaltung machen können. Auch die ganzen Aufgaben, die nebenbei anfallen, wie Essen kochen, die Band unterbringen, plakatieren, Facebook-Veranstaltungen erstellen, an der Kasse sitzen, Licht machen, Instrumente schleppen usw. werden selbst übernommen.
KMN: Die Ehrenamtlichen spielen für das Cairo also eine zentrale Rolle.
Deeg: Wir haben etwa 60 Ehrenamtliche, die von einmal im Quartal bis wöchentlich hier vorbeischauen. Sie sind in mehrfacher Hinsicht Multiplikatoren: Sie sichern, dass zu den Veranstaltungen Publikum kommt, da sie Leute aus dem eigenen Umfeld aktivieren. Nur so funktioniert es ja ohne Medienresonanz, die die Bands hier in der Regel nicht bekommen. Außerdem animieren sie andere, sich ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren.
KMN: Wie muss mit Ehrenamtlichen umgegangen werden, um sie dauerhaft halten zu können?
Deeg: Es wird oft unterschätzt, dass man sich auch in der Theorie mit diesem Beschäftigungsmodell auseinandersetzen muss. Man muss ergründen, warum Menschen bereit sind, so viel in eine Sache zu stecken. Das AKW (Autonomes Kulturzentrum Würzburg, Anm d. Redaktion) zum Beispiel war ja ein autonomes Kulturzentrum. Dort hat man verpasst einen Teil zu professionalisieren und die Energie der Ehrenamtlichen zu kanalisieren. Letztlich wollte keiner mehr ein Konzert in einem Laden machen, der noch vom Vorabend verraucht und voller Scherben war und in dem die Ehrenamtlichen erst mal die Klos putzen mussten.
KMN: Wie steht es um die Besucherauslastung im Cairo? Und wie lassen sich Nichtbesucher noch aktivieren?
Deeg: Zurzeit sind alle Bereiche bei uns gut bis sehr gut ausgelastet. Trotzdem kommt der Großteil der potenziellen Zielgruppe nicht (lacht). Schließlich sind hier keine 30.000 Studenten bei unseren Konzerten. Von ihnen sind nur 10 bis 20% offen für unsere Angebote. Deshalb stellen wir uns jedes Semester bei der Erstsemesterwoche vor. Und es gibt zum Beispiel ein Gutscheinheft für alle, die ihren Wohnsitz in Würzburg anmelden, darin ist auch eine Freikarte fürs Cairo. Das senkt spürbar die Zugangsbarrieren.
KMN: Ist das Cairo auch von Schwellenängsten betroffen, wie es vor allem in der Hochkultur der Fall ist?
Deeg: Die Zahl der Nutzer der Kultur, an der Gesamtgesellschaft gemessen, ist erschreckend gering. In der Jugendkulturarbeit haben wir es wahrscheinlich noch einfacher als in den etablierten Kulturbetrieben, weil wir einen höheren Durchlauf haben. Es kommen immer 2000 neue Studenten, die eher mit unseren Angeboten erreicht werden können als mit den herkömmlichen Kulturangeboten. Für uns ist es relativ einfach, immer neue Leute anzusprechen.
KMN: Welche Hürden gilt es trotzdem zu überwinden?
Deeg: Wir merken auf jeden Fall, dass das Bachelor- und Masterstudium den Ehrenamtlichen und auch den Besuchern zu schaffen macht. Es bleibt wesentlich weniger Zeit für Freizeit. Früher war niemand vier Mal die Woche um 8 Uhr in der Uni, da hat man sich eher auf die Abend- und Nachtaktivitäten konzentriert... Die Leute sind viel vernünftiger geworden. Heute bricht wohl niemand mehr sein Studium ab, um sich ganz dem Jugendzentrum zu verschreiben. Die Leute wollen am nächsten Tag fit in der Vorlesung sitzen. So gesehen ist auch die Uni für uns mittlerweile Konkurrenz.
Deeg: Das impliziert, dass junge Menschen sich durch Kultur entwickeln können. Die Kommune muss dafür Angebote bereithalten, das ist durch das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz festgeschrieben und darauf basiert unser pädagogisches Konzept. Es geht darum, sich auszuprobieren. Alle reden von lebenslangem Lernen. Deshalb gehen wir auch als Erwachsene ins Theater oder ins Kino. Bei jungen Menschen ist alles noch etwas unstrukturiert und die Talente schlummern vielleicht noch.
KMN: Junge Menschen fürs Theater zu begeistern, ist nicht unbedingt einfach. Auf welche kulturellen Disziplinen setzt die Soziokulturarbeit?
Deeg: Offene Jugendangebote liegen auf jeden Fall im Trend und werden sehr gut nachgefragt. Wir haben hier im Haus vier Räume, die für unterschiedliche Nutzungen vorgesehen sind, nämlich ein Fotolabor, einen Videoschnittraum, eine Töpferei und einen Tanzraum. Zudem gibt es einen großen Theatersaal für Laien- und Schultheatergruppen. Auch der spielerisch-sportliche Bereich ist vertreten. HipHop ist zum Beispiel sehr populär. Es gibt im HipHop vier Elemente: Breakdance, Rap, Graffiti und Turntables. Fast jeder findet sich in einem der Bereiche wieder, entweder in der körperlichen Aktivität, dem musikalisch oder textlichen Bereich oder im technischen. Auf diese Weise wird Jugendkulturarbeit in ganz vielen Jugendzentren erfolgreich praktiziert.
KMN: Mit Töpfern und Fotolabor lassen sich die Jugendlichen vom PC weglocken?
Deeg: Uns wird schon unterstellt, dass unser Angebot nur für kulturell Vorgebildete funktioniert. Das stimmt insofern, als dass diese Vorgebildeten eher eine Komm-Struktur annehmen. Aber es ist durch alle Studien belegt, dass auch mit kulturferneren Gruppen hervorragend gearbeitet werden kann. Auf der Integrationsebene gibt es immer wieder Fördertöpfe, sodass mit Schulen aus den Stadtrandgebieten gearbeitet werden kann. Auf diesem Weg treten oft Leute an uns heran, die dann mithilfe von Projektmitteln auf unsere Personalressourcen zugreifen.
KMN: Welche Auflagen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen sind durch das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz verankert?
Deeg: Das Gesetz ist aufgegliedert in Erziehungshilfe, Freizeit, Sport und eben auch Kultur und Bildung. Genau diesen Aspekt bedienen wir. Wir möchten einen Raum zur Verfügung stellen, in dem man sich selbst betätigen und wo man vielleicht auch für seine spätere Profession etwas lernen kann. Dieses Bemühen sollen unsere Nutzer nach Möglichkeit gar nicht spüren. Obwohl wir pädagogische Arbeit machen, verstehen wir uns höchstens als Sozial- und Kulturmanager. Wir sind Partner, keine Erzieher. In seiner Freizeit möchte ja keiner erzogen werden. Dennoch sehen wir es als unseren Auftrag, das Bewusstsein der Nutzer zu schärfen, damit sie lernen, zwischen rein konsumorientierten, inhaltsleeren Angeboten und Kultur und Erlebnis zu differenzieren. Deshalb stellen wir hier im Haus auch nicht den Alkohol in den Vordergrund. Wir schenken zwar auch Bier und Wein aus, sonst würden wir die Konkurrenz unnötig stärken, aber es gibt keinen Hart-Alk und keine Mischgetränke.
KMN: Welche Zielgruppe möchte das Cairo ansprechen?
Deeg: Das Angebot richtet sich primär an 14 bis 27 Jährige. Wir verstehen und definieren unsere Arbeit eindeutig als stadtteilübergreifend. Je nach Veranstaltung kommt natürlich auch älteres Publikum, d.h. Mittdreißiger, Mittvierziger. Das ist mittlerweile auch von den Jüngeren akzeptiert, sodass, anders als in den 70er und 80er Jahren, durchaus mehrere Generationen gleichzeitig auf ein Konzert gehen können. Die Frage nach der Zielgruppe und unserer Besucherentwicklung bleibt weiterhin spannend, da wir unsere Finanzierung ja rein durch die Jugendhilfe, d.h. vom Sozialreferat, bekommen.
KMN: Wie ist der Veranstaltungsbereich im Cairo organisiert?
Deeg: Der Veranstaltungsbereich wird zu 80 bis 90% von Ehrenamtlichen gestemmt. Die meisten Veranstaltungen werden unentgeltlich in der Freizeit und mit eigener Programmhoheit durchgeführt außer dass es keine rassistischen, sexistischen und diskriminierenden Inhalte sein dürfen. Die Veranstalter sind gerade deshalb so motiviert, weil sie wirklich ihre Veranstaltung machen können. Auch die ganzen Aufgaben, die nebenbei anfallen, wie Essen kochen, die Band unterbringen, plakatieren, Facebook-Veranstaltungen erstellen, an der Kasse sitzen, Licht machen, Instrumente schleppen usw. werden selbst übernommen.
KMN: Die Ehrenamtlichen spielen für das Cairo also eine zentrale Rolle.
Deeg: Wir haben etwa 60 Ehrenamtliche, die von einmal im Quartal bis wöchentlich hier vorbeischauen. Sie sind in mehrfacher Hinsicht Multiplikatoren: Sie sichern, dass zu den Veranstaltungen Publikum kommt, da sie Leute aus dem eigenen Umfeld aktivieren. Nur so funktioniert es ja ohne Medienresonanz, die die Bands hier in der Regel nicht bekommen. Außerdem animieren sie andere, sich ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren.
KMN: Wie muss mit Ehrenamtlichen umgegangen werden, um sie dauerhaft halten zu können?
Deeg: Es wird oft unterschätzt, dass man sich auch in der Theorie mit diesem Beschäftigungsmodell auseinandersetzen muss. Man muss ergründen, warum Menschen bereit sind, so viel in eine Sache zu stecken. Das AKW (Autonomes Kulturzentrum Würzburg, Anm d. Redaktion) zum Beispiel war ja ein autonomes Kulturzentrum. Dort hat man verpasst einen Teil zu professionalisieren und die Energie der Ehrenamtlichen zu kanalisieren. Letztlich wollte keiner mehr ein Konzert in einem Laden machen, der noch vom Vorabend verraucht und voller Scherben war und in dem die Ehrenamtlichen erst mal die Klos putzen mussten.
KMN: Wie steht es um die Besucherauslastung im Cairo? Und wie lassen sich Nichtbesucher noch aktivieren?
Deeg: Zurzeit sind alle Bereiche bei uns gut bis sehr gut ausgelastet. Trotzdem kommt der Großteil der potenziellen Zielgruppe nicht (lacht). Schließlich sind hier keine 30.000 Studenten bei unseren Konzerten. Von ihnen sind nur 10 bis 20% offen für unsere Angebote. Deshalb stellen wir uns jedes Semester bei der Erstsemesterwoche vor. Und es gibt zum Beispiel ein Gutscheinheft für alle, die ihren Wohnsitz in Würzburg anmelden, darin ist auch eine Freikarte fürs Cairo. Das senkt spürbar die Zugangsbarrieren.
KMN: Ist das Cairo auch von Schwellenängsten betroffen, wie es vor allem in der Hochkultur der Fall ist?
Deeg: Die Zahl der Nutzer der Kultur, an der Gesamtgesellschaft gemessen, ist erschreckend gering. In der Jugendkulturarbeit haben wir es wahrscheinlich noch einfacher als in den etablierten Kulturbetrieben, weil wir einen höheren Durchlauf haben. Es kommen immer 2000 neue Studenten, die eher mit unseren Angeboten erreicht werden können als mit den herkömmlichen Kulturangeboten. Für uns ist es relativ einfach, immer neue Leute anzusprechen.
KMN: Welche Hürden gilt es trotzdem zu überwinden?
Deeg: Wir merken auf jeden Fall, dass das Bachelor- und Masterstudium den Ehrenamtlichen und auch den Besuchern zu schaffen macht. Es bleibt wesentlich weniger Zeit für Freizeit. Früher war niemand vier Mal die Woche um 8 Uhr in der Uni, da hat man sich eher auf die Abend- und Nachtaktivitäten konzentriert... Die Leute sind viel vernünftiger geworden. Heute bricht wohl niemand mehr sein Studium ab, um sich ganz dem Jugendzentrum zu verschreiben. Die Leute wollen am nächsten Tag fit in der Vorlesung sitzen. So gesehen ist auch die Uni für uns mittlerweile Konkurrenz.
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