21.07.2014

Autor*in

Daniel Ris
DANIEL RIS ist Schauspieler und Regisseur. 2011 schloss er mit der Arbeit Unternehmensethik für den Kulturbetrieb. Perspektiven am Beispiel öffentlich-rechtlicher Theater das Studium EXECUTIVE MASTER IN ARTS ADMINISTRATION der Universität Zürich ab. Die Arbeit ist im VS Verlag der Springer Science & Business Media Group erschienen.
Kommentar

Mindestkultur Teil II Theater und Ethik

Ab dem 1. Januar 2015 wird in Deutschland ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 /Stunde gelten. In unserer Reihe Mindestkultur möchten wir Vertreter der Kultursparten und verschiedener Bereiche des Kulturmanagements dazu zu Wort kommen lassen. Im zweiten Teil zeigt Daniel Ris, warum Mindestlohn ohne eine Mindest-Unternehmensethik im Theaterbetrieb nichts verändert.
Vorne hui - hinten pfui

Die Reformbedürftigkeit des deutschen Stadttheatersystems wird in regelmäßigen Abständen von verschiedensten Seiten eingeklagt oder der baldige Untergang des gesamten Systems beschworen. Einerseits steht dabei die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Theater in der Kritik. Andererseits werden zunehmend auch moralische Missstände in den Theaterbetrieben thematisiert. Die auf der Bühne eingeforderten Grundwerte der Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Verantwortung und Demokratie werden in den Betrieben eindeutig nicht ausreichend gelebt und umgesetzt. Vorne hui hinten pfui. Muss das so sein?

Dies sind klassische Themen der Unternehmensethik. Welche moralische Verantwortung hat ein Unternehmen für seine Mitarbeiter und für die Gesellschaft? Theater sind weder Fabriken noch Dienstleitungsbetriebe. Theater machen Kunst. Aber im Sinne der Reflexion ihrer Verantwortung sollten sie sich durchaus als Unternehmen begreifen und sich den unternehmensethischen Fragen stellen.

Machtverhältnisse

Dazu müssten die Theater den Wertediskurs zunächst im eigenen Haus führen. Eine solche Auseinandersetzung findet aber kaum statt. Warum? Der Widerspruch zwischen den moralischen Ansprüchen, die auf der Bühne formuliert werden, und den Realitäten in den Theaterbetrieben ist schwer auszuhalten. Deshalb wird meist lieber nicht hingeschaut oder auf die Bühne als Ort der Moral verwiesen. Partizipation, Gerechtigkeit, Demokratie das habe mit den Bedingungen des Entstehungsprozesses von Kunst leider nichts zu tun.

Doch das Hamsterrad der täglichen Arbeit dreht sich immer schneller. Stark verkürzt könnte man sagen: Im Kampf ums Überleben produzieren die Theater immer mehr mit immer weniger Mitarbeitern und diese werden für ihre Arbeit immer schlechter bezahlt. Alles was nicht unmittelbar ergebnisorientiert ist, bleibt auf der Strecke. Auf der Bühne wird derweil immer noch scharfe Kritik an sozialer Ungerechtigkeit und neoliberaler Verherrlichung der Kräfte des freien Marktes geübt. Gleichzeitig fühlen sich Theaterleitende offenbar gezwungen, sich am Markt der Mitarbeiter als clevere Sparfüchse zu bewähren und tragen so ihren erheblichen Teil zum Gagendumping bei. Der Markt gibt es her, die Löhne sinken weiter und die Künstlerinnen und Künstler kämpfen ums Überleben.

Aber was ist die Botschaft? Der gute Zweck heiligt die schlechten Mittel? Soll das die Werthaltung sein, für die Theater einen öffentlichen Auftrag verdienen? Es geht nicht nur um einen Mindestlohn. Es geht um angemessene Gagen, denn diese sind eine Frage des Respekts. Niemand kann vorschreiben, wie Lohngerechtigkeit bei einer künstlerischen Tätigkeit aussehen könnte, denn Gerechtigkeit ist ein Begriff, mit dem in künstlerischen Zusammenhängen schwer zu argumentieren ist. Aber professionell ausgebildete und tätige Kunstschaffende sollten doch zumindest für den Zeitraum ihrer Beschäftigung von ihrer Gage leben können und das spürbar oberhalb der Armutsgrenze.

Wandel bringt Gewinn

Es gibt, auch jenseits des Geldes, Perspektiven für einen werteorientierten Wandel - und es gibt für die Theater viel zu gewinnen. Beispielsweise im Hinblick auf die immer wieder beklagten Konflikte zwischen den Beschäftigen der Bereiche Kunst, Technik, Verwaltung. Die starken Unterschiede in den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen sind ein strukturelles Problem, das nur auf institutioneller Ebene verändert werden kann. Aber wo eine Theaterleitung initiiert, dass sich die Mitarbeitenden in einen Dialog über ihre sehr unterschiedlichen Wertesysteme und über den Sinn und die Ziele des gemeinsam zu gestaltenden Theaters begeben, steigt die Motivation und die Identifikation mit der eigenen Arbeit. Und die glaubwürdige Vermittlung von Werten macht letztlich die Existenzberechtigung unserer öffentlich-rechtlichen Kulturbetriebe aus.

Die angewandte Unternehmensethik kennt dazu verschiedene hilfreiche Instrumente, die in den Theatern jedoch fast nicht genutzt werden. Eine OpenSpace-Technology-Konferenz und ein mit allen Mitarbeitern gemeinsam formuliertes Leitbild können ein relativ leicht zu organisierender Anfang sein. Die Verbesserung der Kommunikation und Stärkung der Partizipation tragen dazu bei, die Diskrepanz zwischen den auf der Bühne formulierten moralischen Ansprüchen und der gelebten Realität im Betrieb zu verringern. Auch die bestehende hierarchische Struktur kann ethisch verantwortlicher gelebt werden. All das kostet zweifellos Zeit und damit letztendlich auch Geld. Doch solche Investitionen sind wesentlich für die Glaubwürdigkeit des Theaters genauso wie für die Qualifikation und Identifikation der Mitarbeitenden.

Die art but fair - Selbstverpflichtung

Jeder kann schon heute etwas tun. Die Initiative art but fair hat aktuell die erste freiwillige Selbstverpflichtung für den Bereich Darstellende Kunst und Musik begründet und es gibt bereits eine ganze Reihe von mutigen Pionieren aus allen Bereichen, die diese unterschrieben haben. Art but fair will mit konkreten Maßnahmen auf ein faires und würdevolles Arbeiten hinwirken. Die Selbstverpflichtung ist dabei Ausdruck der Eigenverantwortung. In dem man diese öffentlich macht, können alle das Verhalten an den selbst aufgestellten Ansprüchen messen. Es geht also darum, einen eigenen moralischen Kodex zu entwickeln und zu versuchen, diesen im beruflichen Alltag umzusetzen. Eine solche Haltung ist ein ständig währender Prozess auch wenn man nicht in der Lage ist, alle Punkt und Ziele sofort in die Praxis umzusetzen, geben sie die Richtung vor.


Dieser Beitrag erschien in einer umfangreicheren Version zuerst im KM Magazin Januar 2013.

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