03.03.2015

Autor*in

Doreen Mölders
Kulturimmobilien

Das smac Chemnitz vom Warenhaus zum Museum

Für das im Jahr 2014 neu eröffnete Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz kurz smac wurde nicht etwa ein Neubau geplant, sondern ein zentral gelegenes Kaufhaus umgebaut und umgenutzt. Die daraus entstandene Ausstellungsfläche ist offen, unkonventionell und zeigt, wie kreative Immobiliennutzung, Stadtplanung und Kulturangebote nachhaltig Hand in Hand gehen können.
Auf den ersten Blick scheinen Warenhaus und Museum wenig gemein zu haben. Richtet man sein Augenmerk jedoch auf die historische Entstehung beider Einrichtungen im 19. Jahrhundert, lassen sich durchaus Übereinstimmungen erkennen, da Warenhaus und Museum in die Sphäre einer aufstrebenden Bürgerlichkeit gehörten, die sich gern mit schönen Dingen umgab. Der Ethnologe Hans Peter Hahn bezeichnet Warenhaus und Museum daher als ungleiche Geschwister und verweist darauf, dass es in beiden Kontexten vornehmlich um Dinge und deren Präsentation geht. Die Umnutzung des ehemaligen Kaufhauses Schocken in Chemnitz als archäologisches Museum ist kulturhistorisch betrachtet also gar nicht so abwegig.

Die Idee, die Ergebnisse der Landesarchäologie Sachsen in einer Dauerausstellung zu präsentieren, wurde 2003 im sächsischen Kabinett angestoßen. Zwar gab es bereits ein Landesmuseum für Vorgeschichte mit Sitz im Japanischen Palais in Dresden, jedoch wurden dort ausschließlich Wechselausstellungen gezeigt. 2006 fasste die Staatsregierung schließlich den Beschluss, mit dem neuen archäologischen Landesmuseum das ehemalige Kaufhaus Schocken in Chemnitz in eine Kultureinrichtung umzuwandeln. Diese Entscheidung war einerseits mit den Zielen verbunden, Chemnitz als drittgrößte Stadt in Sachsen kulturpolitisch aufzuwerten, andererseits wollte man den Erhalt eines architektonischen Juwels der Klassischen Moderne sichern. Als Vorbild für diese Konversion diente der Umbau des historischen Warenhauses Tietz in Chemnitz, in dem sich heute unter anderem das Museum für Naturkunde, die Neue Sächsische Galerie, die Stadtbibliothek und die Volkshochschule befinden.

Nach einer wechselhaften Eigentümergeschichte gehört das Haus Schocken heute der Projektierungs- und Verwaltungsgesellschaft SCHOCKEN mbH, der Freistaat Sachsen und der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) sind nur Mieter der Museumsflächen, wobei der Mietvertrag auf die Dauer von 15 Jahren festgeschrieben ist. Entsprechend nutzt das smac nur einen Teil, nämlich 74 % der rund 10.600 m² Gesamtfläche, die obersten Stockwerke werden als Gewerberäume vermietet. Ein Drittel des Foyers ist zudem Mietbereich der externen Museumsgastronomie Cafe Schocken. Dieses Konzept der Immobiliennutzung ist eine übliche Praxis, deren Funktionalität sich im Betrieb aber erst erweisen muss.

Der Umbau stellte sowohl die beauftragten Architekturbüros Auer Weber und Knerer und Lang Architekten, die Szenografen vom ATELIER BRÜCKNER als auch die Kuratoren des Landesamtes für Archäologie Sachsen vor große Herausforderungen. So zeichnet sich die Gestalt des markanten Bauwerkes, entworfen von Erich Mendelsohn, durch breite, durchgängige Fensterbänder an der Straßenfassade aus. Aus konservatorischen Gründen und um die Ausstellung ins rechte Licht zu setzen, mussten die Innenräume allerdings vom Tageslicht abgegrenzt werden. Man entschied sich dafür, Trennwände einzuziehen. Diese wurden einerseits dafür genutzt, die zentrale Haustechnik unterzubringen, andererseits dienen sie in den zentralen Ausstellungsflächen als Vitrinen- bzw. Dioramenwände. Gleichzeitig waren schmale Erkerräume entstanden, die als separate Kabinettausstellungen zur Geschichte des Kaufhauses konzipiert wurden, ein Gewinn für Haus und Museum.
 
 
Die großen Ausstellungsflächen im Inneren des Gebäudes blieben der archäologischen Dauerausstellung als Kernstück des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz vorbehalten. Hier erwiesen sich die parallelen, alle sechs Meter gesetzten Stahlbetonstützen als problematisch, da sie die Räume stark strukturierten. Die Ausstellungsarchitektur wurde als eine Referenz an die ursprüngliche Warenpräsentation von den Szenografen des Ateliers Brückner in dieses Raster eingepasst. Darüber hinaus galt es, die für ein Museum geringen Raumhöhen von drei Metern zu kompensieren. Die Lösung war ein zentraler Deckendurchbruch, der die drei Ausstellungsetagen für die Blicke der Besucher öffnet. Eine interaktive und bewegliche Karte, die sogenannte kinetische Sachsenskulptur, verbindet sie vertikal, wenn sie im Showmodus durch den Lichthof schwebt und dabei eine Projektionsfläche für die bildgewaltige Zusammenfassung der archäologischen Geschichte Sachsens bildet.
 
Die Eingriffe in den denkmalgeschützten Bau waren im Inneren also enorm, für die Umnutzung als Museum mit einer narrativen Szenografie aber ohne Alternative. Weitgehend originalgetreu wiederhergestellt wurde dagegen die prominente Fassade des Mendelsohnbaus. Damit ist das Gebäude heute wieder stadtbildprägend. Auch für das angrenzende, noch unbebaute Areal Johanniskarree fordert die Stadt daher eine dem Standort angemessene, moderne Architektur im Sinne von Schocken und Mendelsohn, die qualitative Maßstäbe setzt und Ausstrahlung besitzt. Bisher fehlt allerdings ein Investor für das Gelände.

Die Eigentümergeschichte des Schockengebäudes ist äußerst wechselhaft. Bauherren waren Simon und Salman Schocken, die Gründer des Schocken Konzerns. Sie eröffneten das Haus 1930. Im Nationalsozialismus wurde dieser arisiert und ab 1938 von der Merkur AG weitergeführt. 1948 wurde der weitgehend unbeschadete Bau dem Verband Sächsischer Konsumgenossenschaften angeschlossen. Nachdem von 1989 bis 2001 die Kaufhof AG das Warenhausweiter betrieb, wurde 71 Jahre nach Eröffnung des Kaufhauses der Kaufhausbetrieb eingestellt.

Nach einer Bauzeit von rund drei Jahren wurde das smac am 15. Mai 2014 feierlich eröffnet. Seitdem haben ca. 70.000 Besucher die Dauerausstellungen gesehen. Den Verantwortlichen ist es damit gelungen, in Chemnitz einen weiteren kulturellen Meilenstein Sachsens zu etablieren. Gleichzeitig wurde das herausragende Architekturdenkmal und Schlüsselwerk Mendelsohns der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Die positive Resonanz zeigt, dass die inhaltliche Umwandlung vom Kaufhaus zum Museum geglückt ist.

Literatur:
Uwe R. Brückner, Inhalt im Raum zur Szenografie des smac. Sächsische Heimatblätter 4/2014, 318-326.
Thomas Knerer und Jörn Scholz, Umbau des »Kaufhauses Schocken« zum Sächsischen Museum für Archäologie Chemnitz. Sächsische Heimatblätter 4/2014, 327-332.
Sabine Wolfram, Archäologie eines Kaufhauses. Sächsische Heimatblätter 4/2014, 378-381.

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