Kommentar
Wer ist hier NACKT? Von der Inszenierung männlicher und weiblicher Nacktheit
Das gesellschaftliche Verhältnis zur Nacktheit hat sich in den letzten hundert Jahren stark verändert. Von der Entstehung der Freikörperkultur über den Nacktprotest der 60er und 70er Jahre bis ins neue Jahrtausend war es ein weiter Weg. Heute sind nackte Körper mediale Dauerware. Aber an der unterschiedlichen Inszenierung weiblicher und männlicher Nacktheit hat sich wenig geändert.
Geschlechterdifferenz ist ein Schlagwort, das bei der Darstellung von Nacktheit ins Auge springt. Das ist in der Kunst der Neuzeit genauso zu beobachten, wie in der Werbung. Männliche Nacktheit ist gefühlt heldenhaft, stark und autonom, ob bei Michelangelo oder in der Duschgel-Werbung. Und der Nackte Mann ist bei aller Offenheit selten tatsächlich nackt. Oberkörper ja, Penis nein!
Bilder von nackten Frauen lösen keine bis wenig Kontroversen aus. Wir haben die Bilder nackter Frauen so verinnerlicht, dass sie uns ganz natürlich erscheinen. Damit ist im Grunde auch der weibliche Nacktprotest vom Tisch, auch wenn sich die Femen noch so anstrengen. Ihre entblößten, gecastet wirkenden Brüste, passen viel zu gut in das gesellschaftliche und mediale Bild von weiblicher Nacktheit.
Weibliche Körper, die für den männlichen Blick inszeniert und zur Schau gestellt werden, haben sich seit der Neuzeit auch in der abendländischen Kunst etabliert. Wir sind es gewohnt, dass Männer sich als Betrachter von Bildern konstruieren. Der Mann ist das blickende Subjekt, die Frau das passive, erotisierte Objekt.
Bei der Inszenierung von Nacktheit werden Machtstrukturen sichtbar, die viele auch heute noch nicht hinterfragen.
Deshalb protestieren selbsternannte Moralapostel beim Anblick von Penissen und das bei einer Flut inflationär abgebildeter nackter, weiblicher Körper. Jüngstes Beispiel hierfür ist die Aufregung, die es rund um das Werbeplakat zur Ausstellung Nackte Männer in Wien gab.
Deshalb protestieren selbsternannte Moralapostel beim Anblick von Penissen und das bei einer Flut inflationär abgebildeter nackter, weiblicher Körper. Jüngstes Beispiel hierfür ist die Aufregung, die es rund um das Werbeplakat zur Ausstellung Nackte Männer in Wien gab.
Einigen WienerInnen waren die drei Männer auf der Foto-Collage von Pierre & Gilles zu nackt. Die Proteste führten schließlich dazu, dass sich das Leopold Museum für die freiwillige Zensur des Plakats entschied. Die Penisse der drei Fußballer wurden überklebt. Auch Facebook entfernte das Originalfoto zur Ausstellung.
Es sei zu respektieren, wenn manche es nicht ertragen, einen nackten Menschen zu sehen, erklärte ein Museumssprecher damals dem ORF. Aber eigentlich ertragen manche einfach den Anblick eines Penis nicht, so scheint es.
Im Vorfeld der Ausstellung betonte das Leopold Museum, wie überfällig Nackte Männer längst sei, weil sich bisherige Ausstellungen zum Thema Nacktheit vorrangig mit unbekleideten Frauen beschäftigten. Aber muss man sich bei der Konzeption einer solchen Ausstellung nicht auch fragen, warum das so ist? Warum es eine solche Asymmetrie in der Darstellung und Konstruktion von nackten Frauen und Männern, auch in der Kunst gibt?
Im Vorfeld der Ausstellung betonte das Leopold Museum, wie überfällig Nackte Männer längst sei, weil sich bisherige Ausstellungen zum Thema Nacktheit vorrangig mit unbekleideten Frauen beschäftigten. Aber muss man sich bei der Konzeption einer solchen Ausstellung nicht auch fragen, warum das so ist? Warum es eine solche Asymmetrie in der Darstellung und Konstruktion von nackten Frauen und Männern, auch in der Kunst gibt?
Die Penisse auf dem eigenen Werbeplakat nicht freiwillig zu überkleben, hätte Zeichen setzen können.
Mehr zum Thema Nackt lesen Sie in der Januar-Ausgabe des KM Magazins.
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