13.03.2008

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick The Art of Music Education 2008

Wer beherrscht die Kunst der Musikvermittlung im Konzertbetrieb

Das vom 23.-25. Januar 2008 von der Körber-Stiftung und der Elbphilharmonie Hamburg ausgerichtete Symposium "The Art of Music Education" setzte in vielfacher Hinsicht Maßstäbe. (Foto: Kultursenatorin Karin von Welck mit Elbphilharmonie-Intendant Christoph Lieben-Seutter)
Wie selten zuvor bei Branchentreffs im Kultursektor gelang es den Veranstaltern, dem Bedürfnis der Teilnehmer nach Erfahrungs- und Informationsaustausch gerecht zu werden. Dazu beigetragen hatte zum einen die sympathische Moderation durch Andrea Thilo, das inspirierende Körber-Forum in der Hafen-City als Veranstaltungsort und innovative Dialogformen wie das World Café. Letzteres hat vor allem den Vorzug, dass die Teilnehmer sich untereinander kennen lernen konnten, was sonst leider meist nur in den knapp bemessenen Pausen möglich schien. Die Moderatorin führte vor, was auch Kulturmanager auszeichnen sollte, nämlich das erfolgreiche Freisetzen und Managen von Energien. Man war mitunter versucht, nach Draußen zu stürmen und mit den gewonnenen Energien und Ideen die halbe Welt zu verändern.

Musikvermittlung steht derzeit hoch im Kurs, zumindest bei denen, die sich um die Zukunft des Konzert- und Orchesterlebens, wie wir es heute kennen, Gedanken machen. Leider trifft dies noch für zu wenige Kulturorganisationen zu. Es soll Häuser geben, die keinen einzigen Musikvermittler angestellt haben. Damit gefährden sie nicht weniger als ihre eigene Existenzberechtigung. Eine Einrichtung, die immer weniger Bevölkerungsgruppen erreicht und sich nicht um aktive Vermittlung ihres künstlerischen Angebots kümmert, dürfte bald von der Lokalpolitik oder den Steuerzahlern in der Region infrage gestellt werden. Zu Recht!

Wie es anders gehen kann, zeigten in Hamburg die Beispiele einer Boston Symphony Hall, eines Gewandhauses Leipzig oder des Konzerthauses Berlin. Damit sei auch schon vorweggenommen, dass die Vorbilder nicht nur im Ausland zu suchen sind. Einige dieser Leuchttürme stellen wir Ihnen in der Märzausgabe 2008 des KM Magazins näher vor.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand bei der Konferenz die Elbphilharmonie, die auch überregional aufgrund der geplanten Architektur, des exponierten Standortes und nicht zuletzt durch das private finanzielle Engagement der Hamburger Bürger mit Interesse verfolgt wird. An der geplanten Musikvermittlung kann es jedenfalls nicht liegen, denn davon war vom Intendanten Christoph Lieben-Seutter überraschend wenig zu hören. Zumindest kurzfristig dürfte man sich um mangelndes Publikum keine Sorgen machen. Ob aber die Elbphilharmonie die Menschen in sozialen Brennpunkten wie Billstedt erreicht, darf bezweifelt werden. Da ist der Weg der etablierten Kölner Philharmonie vielversprechender. Bei der Reihe PhilharmonieVeedel können seit September 2006 in vier Stadtvierteln (Veedel) Bewohner aller Altersstufen ganz unterschiedliche Konzerte zum familienfreundlichen Preis genießen. Damit gelingen gleichzeitig kürzere Anfahrtswege, altersgerechte Konzertformate und der Abbau von Schwellenängsten, erklärte Intendant Louwrens Langevoort.

Einen nachhaltigen Eindruck machte auch der Komponist Moritz Eggert am Klavier mit einer Performance der ganz besonderen Art. Eggert, der spätestens mit der Fußballhymne der FIFA Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland bekannt wurde, machte damit deutlich, dass es noch nie in der Musik eine so große Distanz zwischen den Sprachen von Zeitgenossen ("Geheimsprache Neue Musik") und der des Publikums gab. Darüber sollten auch Komponisten nachdenken. Der notwendige Dialog mit dem Zuhörer, so Eggert, dürfe nicht mit Musikerziehung verwechselt werden, sondern als Musikvermittlung verstanden werden. Hier käme auch der Konzertdramaturgie ein wichtige Rolle zu. Komplizierte Texte in den Programmheften seien zu hinterfragen, die äußerst begrenzte Aufmerksamkeit insbesondere von Kindern zu beachten.

Im angelsächsischen Raum ist Musikvermittlung seit Jahrzehnten fester Bestandteil an Konzerthäusern und in Orchestern. Hierzulande brachte die Sorge um das künftige Publikum die Diskussion endlich in Gang. Konzertbesuche und Musikhören sollten schließlich nicht nur schöne Freizeitbeschäftigungen sein, sondern auch Orientierung und emotionellen Halt geben. Hartmut Fladt, Professor für Musiktheorie an der Universität der Künste Berlin, gab hier wertvolle Hinweise zur subjektiven Wahrnehmung von Musik beim Hörer. Seine kulturellen Erfahrungen sorgten hier für große Unterschiede. Es höre doch jeder nur, was er versteht, so Prof. Fladt. 500 Jahre alte Musik sei zwar verständlich, aber man muss die Vokabeln kennen. Es sei ein Irrglaube, dass sich Musik automatisch vermittelt. Wichtig sei im übrigen, dass man sich traue müsse, auch über das Scheitern von Musikvermittlungsprojekten zu sprechen.

Simon Halsey, Chefdirigent des Rundfunkchor Berlins, der mit den Teilnehmern in wenigen Minuten einen Auszug aus Carmina Burana einstudierte, machte deutlich, dass die Politik neben der Hardware auch die Software fördern müsse. Die Körber Stiftung Zukunft verbinde Künstlerförderung und Publikumsforschung im Bewusstsein, dass sich der Bau von Konzerthäusern wird nur legitimieren lassen, wenn auf gesellschaftliche Herausforderungen reagiert würde. Themen wie Migration, Globalisierung oder demographischer Wandel sollten in angemessener Weise auch von Konzerthäusern aufgegriffen werden.

Die Ausführungen von Anke Eberwein vom Büro für Konzertpädagogik war eine Abfolge innovativer Ideen zur erfolgreichen Musikvermittlung: Babykonzerte, Kinderwagenstellplätze mit Unfallschutz, Jugendgutscheinhefte, Kooperationen mit dem Standesamt oder Hebammen-Netzwerken - die Möglichkeiten sorgten bei den Teilnehmern gern auch einmal für ein Schmunzeln.

Nicht minder spannend war der Vortrag von Myran Parker-Brass aus Boston. Mit einem Budget von 8,5 Millionen Dollar betreibt man professionelle Musikvermittlung in der Boston Symphony Hall, was zunächst den Reflex auslöste, dass es mit diesem Budget wohl keine Kunst sei, gute Arbeit zu leisten. Parker-Brass schilderte jedoch, wie man durchaus klein angefangen hatte und man Publikum mit einfachen Mitteln ans Haus binden kann. So gelingt schließlich auch, beispielsweise eine ganze Reihe mit Opern von Gluck aufzuführen, die normalerweise nur ein Fachpublikum erreichen - und dies im ach so kommerziellen amerikanischen Konzertbetrieb! Hilfreich sei gewesen, sich stets zu fragen, was die größten Barrieren für das Publikum seien, nicht in das Haus zu kommen. Eine der Erfolgsstrategien sei es gewesen, leidenschaftliche Konzertgänger herauszufinden, die dann ein halbes Jahr zu ehrenamtlichen Botschafter ausgebildet werden. Sie werden quasi zu einer Visitenkarte des Hauses.

In der Abschlussdiskussion ging es dann auch um die Frage, ob und warum es Räume der Stille geben solle. Dazu könnte man glatt ein Abonnement auflegen, meinte gleich Intendant Christoph Lieben-Seutter. Und wieder war eine Idee geboren. Es fuhren alle Teilnehmer dieser Konferenz sichtlich gestärkt nach Hause.
 

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