12.03.2011

Autor*in

Daniel Fuchs
Schweizer Filmfestivals in Kooperation

Die «Conférence des festivals»

Filmfestivals sind im Trend. Während Kinos in den letzten Jahrzehnten stetig sinkende Eintrittszahlen verzeichnen, haben Festivals umgekehrt stark an Attraktivät gewonnen. Filmfestivals sind zu beliebten Orten der Filmkultur geworden und erfreuen sich steigender Besucherzahlen.
Erfolgsmodell: Filmfestival
Diese Entwicklung wurde durch verschiedene Faktoren begünstigt: Anlässe lassen sich besser vermarkten als ganzjährige Angebote, sie tragen wie andere gesellschaftliche Ereignisse auch - aktiv mit zur Identitätsbildung einer Region und ihrer Bewohner. Nicht selten sind Festivals - gerade in landschaftlich attraktiven Randregionen - auch von grosser Bedeutung für den Tourismus. Marco Solari, Tourismusdirektor des Tessins und Festival-Präsident des Locarno Film Festivals, ist bekanntes Beispiel für diese Symbiose.
Filmveranstaltungen treffen offensichtlich den Zeitgeist und haben zumindest in Europa zu einer regelrechten «Festivalitis» (Eventisierung der Kultur) geführt. Entstanden sind unzählige Anlässe unterschiedlichster Art. Dabei gilt es zu beachten, dass nicht jedes Film-Happening auch ein Film-Festival ist. Die diffuse sprachliche Verwendung des Begriffs «Festival» trübt einen klaren Blick auf die besondere Funktion von Film-Festivals. Ich möchte im Folgenden versuchen, wesentliche Merkmale von Film-Festivals aufzufächern.
Versuch einer Definition für «Filmfestival»
Ein Filmfestival ist zeitlich auf wenige Tage begrenzt. Der Anlass bespielt gleichzeitig mehrere Spielstellen mit einem Programm, das aus verschiedenen kuratierten Teilprogrammen besteht. Mindestens eins davon ist ein Wettbewerb, an dem eine Jury oder das Publikum einen Preisträger bestimmt. Das filmische Programm wird im Unterschied zu den zahlreichen populären Freiluftveranstaltungen - begleitet von Panels, Workshops und Vorträgen, die sich gezielt an Filmprofessionals richten und wesentliche Aufgabe eines jeden Filmfestivals sind.
Viele Festivalveranstalter sehen sich gerne in der Rolle als «Entdecker unbekannter Talente». Demnach sind Festivals Vermittler zwischen Produktion und Verleih und ermöglichen als Kupplerin erst eine Auswertung im Kino. Dieses klassische Festival-Rollenverständnis mag einer vertieften Analyse jedoch nicht unwidersprochen standhalten. Immer mehr Filme haben nämlich bereits vor ihrer Produktion einen fixen Auswertungsplan. Nicht selten werden die Verwertungs-Rechte bereits vor Produktionsbeginn - ohne Vermittlung eines Festivals - an Verleiher versteigert.
Als anschauliches Beispiel mag der aktuelle Eröffnungs-Film der Berlinale 2011 dienen. Das grösste Filmfestival Europas hat seinen vielbeachteten Premierenplatz dem Film «True Grit» überlassen, der bereits in den USA unlängst seine Premiere feierte und in den Tagen nach seiner Aufführung an der Berlinale serienmässig in den Kinos Europas anlief. Die Berlinale hat sich damit begnügt, mit dem Premierenfilm und für ebendiesen einen beachtlichen medialen Rummel zu entfachen. Sie war dabei aber nicht Vermittlerin sondern Promotorin: Filmfestivals schaffen Aufmerksamkeit. Sie lenken den Blick auf den Film und sind somit wichtige Orte der Meinungsbildung. Dies nicht nur für Filme mit geplantem Kinostart, sondern ebenso und besonders auch für Filme, die nie den Weg in die Kinos finden werden.
Kurze Geschichte der Filmfestivals in der Schweiz
Die Festival-Landschaft der Schweiz ist seit Ende des Zweiten Weltkrieges in mehreren Boom-Perioden historisch gewachsen. Das Locarno Film Festival, 1946 gegründet, ist mit Abstand das älteste Festival der Schweiz und zugleich nach dem Venedig Film Festival (1932) und Cannes (1939) auch eines der ältesten Filmfestivals in ganz Europa. Erst deutlich später, Mitte der 60er Jahre, sind die Solothurner Filmtage (1965) und das Dokumentar-Filmfestival in Nyon (1969) gegründet worden. Alle drei gehören auch heute noch wohl nicht zuletzt wegen Ihrer geschichtsträchtigen Vergangenheit zu den drei «Grandes Dames» unter den Filmfestivals der Schweiz.
Eine dritte Gründungs-Phase Mitte der 80er Jahre (u.a. das Fribourg Film Festival 1986) und vor allem der Boom um die Milleniums-Jahre führte zu zahlreichen lokalen Events wie auch mehreren spezialisierten und international vernetzen «Nischen-Filmfestivals» (u.a. Fantoche Trickfilm-Festival (1995) / Int. Kurzfilmtage Winterthur (1997) / Fantastic-Film Festival Neuenburg (2000)). Den Ausklang dieser Boomjahre markiert die Gründung des Zurich Film Festivals, das 2005 mit dem Label «Glamour» eine weiter Nische ausfindig gemacht hat.
Mittlerweilen beherbergt jede Schweizer Kleinstadt ihr eigenes Festival. Immer mehr Events buhlen um dieselben Filme, um dieselben Sponsoren wie auch um grössere Aufmerksamkeit in den Medien, beim Publikum und in der Branche. Die Vielzahl an Veranstaltungen führte zugleich zu einer Differenzierung ebendieser. Die Wichtigkeit eines klaren programmlichen Profils ist gestiegen. Die Positionierung eines jeden Festivals als eigenständige Marke ist dabei von zentraler Bedeutung.
Anreize zur Kooperation
Der Druck zur Profilierung der einzelnen Anlässe hat bemerkenswerterweise nicht zu einer Zersplitterung der Festival-Landschaft geführt, sondern im Gegenteil zu einer intensivierten Kooperation. In der «Conférence des festivals» haben sich im März 2010 die führenden Filmfestivals der Schweiz zu einem Interessens-Verbund zusammengeschlossen. Dieser markiert den Anfang eines institutionalisierten Austausches untereinander, und eröffnet Gelegenheit, gemeinsame Anliegen kraftvoller gegenüber Dritten zu vertreten. Im August 2010 ist die «Conférence des festivals» als jüngstes Mitglied in den Dachverband der Schweizer Filmbranche (Cinésuisse) aufgenommen worden.
Der Wille zur Kooperation wird verstärkt durch den Umstand, dass sich Schweizer Filmfestivals zu grossen Teilen im selben «Umfeld» positionieren und mit denselben «Akteuren» interagieren. Dies trifft sowohl auf Ihre Zulieferer (Filmindustrie / Technikanbieter / Ticketing), ihre FestivalbesucherInnen, die Medien aber auch auf ihre Förderer und Sponsoren zu. Ein feingliedriges Zusammenspiel, das nicht zuletzt auch dank der Vergabepolitik nationaler und internationaler Förderer (Europäisches Förderprogramm Media) nun allmählich zu quantifizierbaren Qualitätskriterien für Filmfestivals führte. Die Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung eben dieser Parameter zur stetigen Verbesserung der Arbeit der Filmfestivals liegt im Interesse aller und ist darum auch Ziel der Kooperation unter den Festivals.
Kein einfaches Unterfangen, das aber auch Chancen mit sich bringt. Im Verbund eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Stärkung des Films und der Filmkultur. Synergien sind denkbar im Bereich Veranstaltungs-Technik oder aber auch marketingstrategische Optionen zur Etablierung eines Festival-Labels könnten der Dynamik in der Schweizer Festivallandschaft zusätzlichen Auftrieb geben.
Daniel Fuchs studierte Philosophie an der Universität Zürich. Von 2003-2007 war er Co-Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Winterthur und Initiant des Projektes www.kurzfilmnacht-tour.ch. Seit 2007 ist er Leiter der Geschäftsstelle der Solothurner Filmtage und Sekretär der «Conférence des festivals».
 

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