Bericht zur Lage der Bibliotheken 2024
Weniger Geld trotz höherer Anforderungen
Der "Bericht zur Lage der Bibliotheken" des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv) legt Zahlen und Fakten zur Entwicklung und der Arbeit der Bibliotheken vor. Für 2023/2024 zeigt der Bericht, dass Bibliotheken auf viele unterschiedliche Arten Zugang zu faktenbasierten Informationen gewährleisten, was allerdings durch die schlechte Finanzsituation erschwert wird.
Der "Bericht zur Lage der Bibliotheken 2024" gibt Einblicke, welche Themen für die mehr als 8.000 öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland aktuell besonders wichtig sind und welche politischen Forderungen sich daraus für den Deutschen Bibliotheksverband ergeben. Neben der weiterhin bestehenden Frage der Sonntagsöffnung sind das unter anderem die Stärkung von Schulbibliotheken, die Förderung von Medien- und Informationskompetenz und die Nutzung Künstlicher Intelligenz in Bibliotheken. Zudem ist die Finanzkrise der kommunalen Haushalte ein zentrales Thema. Deren Auswirkungen belegt die Umfrage zur Finanzsituation der öffentlichen Bibliotheken unter den dbv-Mitgliedern.
Nutzung
Bibliotheken erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Mit über 166 Mio. Besuchen wurden sie mehr als 30 Mio. Mal häufiger besucht als im Vorjahr. Dennoch wurden die vorpandemischen Besuchszahlen von 223 Mio. Besuchen im Jahr 2019 noch nicht wieder erreicht.
Die gestiegenen Besuchszahlen zeigen sich auch an den Ausleihen. 2023 wurden in öffentlichen Bibliotheken 312 Mio. Medien ausgeliehen, davon 47 Mio. E-Medien. Die Gesamtzahl liegt damit um 20 Mio. Ausleihen höher als 2022, die der E-Medien um sieben Mio. höher. Trotz der häufigeren Besuche ist das Online-Angebot der Bibliotheken also wichtig für die Nutzer*innen. Dies gilt umso stärker für wissenschaftliche Bibliotheken, die 2023 über 200 Mio. Euro und damit mehr als die Hälfte ihrer Gesamtausgaben für Anschaffungen für E-Medien aufgebracht haben, etwas weniger als 2022. Entsprechend ist die Bedeutung digitaler Medien für Lehre und Forschung von 77 Mio. E-Medien im Vorjahr auf rund 84 Mio. E-Medien gestiegen.
Darüber hinaus haben Bibliotheken 2023 mehr als 377.000 Veranstaltungen und wissenschaftliche Bibliotheken Weiterbildungen für über 460.000 Personen realisiert.
Finanzierung
Trotz der steigenden Zahlen und Anforderungen sinken die seit Jahren stagnierenden Budgets öffentlicher Bibliotheken:
- 29 Prozent geben an, dass sie aktuell von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen betroffen oder diese geplant sind.
- Der Anteil der Bibliotheken, die eine Absenkung des Gesamtbudgets um mindestens 10 Prozent befürchten, liegt bei 18 Prozent.
- 66 Prozent der Bibliotheken geben an, dass ihr Budget 2024 stabil bleibt.
- Hingegen sehen nur 14,1 Prozent sehen eine Steigerung ihres Budgets voraus.
- Knapp 10 Prozent der Bibliotheken sollen ihre Einnahmen steigern.
- Knapp 16,9 Prozent unterliegen einer globalen Haushaltssperre.
- Reduzierte Medienetats verzeichnen 17 Prozent aller Bibliotheken. Über eine Steigerung berichten hingegen nur knapp 14 Prozent.
Die Anteile von Konsolidierungs- und Einsparungsmaßnahmen sind im Vergleich zum Vorjahr durchgängig gestiegen, damit bricht der Trend hin zu geringeren Anteilen stagnierender oder sinkenden Budgets ab, der seit 2021 erkennbar war. Nach dem dbv bestätigen erste Meldungen aus den Kommunen den Trend hoher Sparvorgaben auch für 2025. Davon sind Bibliotheken in großen Städten besonders stark betroffen. In der Realität bedeuten auch stagnierende Budgets aufgrund der allgemeinen Preissteigerung und wachsenden Personalkosten eine Kürzung. Dies steht entgegen der politischen Einsicht, wie groß angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung die Bedeutung von Lese-, Medien- und Informationskompetenz sowie von Bibliotheken als Begegnungs- und Austauschorte ist.
Die Kürzungen wirken sich weiterhin auf die Angebote der Bibliotheken aus. So reduzieren ca. 3 Prozent ihre Öffnungsstunden und 10 Prozent Angebote z. B. im Veranstaltungsbereich. 8 Prozent verzichten auf geplante Projekte wie Baumaßnahmen, technische Erneuerungen usw. Fünf Bibliotheken müssen Zweigstellen oder Abteilungen zumindest zeitlich befristet schließen und eine befürchtet die komplette Schließung. Die Zahlen gelten für zeitlich begrenzte Maßnahmen, für dauerhafte Reduzierungen liegen sie niedriger. Weitgehend ähnlich wie im Vorjahr fallen die Einschränkungen in Hinblick auf die Finanzierung aktueller Aufgaben aus:
- Für 44 Prozent sind mit dem bestehenden Budget die Bereitstellung und der Ausbau digitale Angebote nicht möglich.
- 22,2 Prozent der Bibliotheken können sich mit dem vorhandenen Budget nicht an Kooperationen und Projekten beteiligen.
- 42,3 Prozent brauchen zusätzliche Mittel, um Bildungsangebote für Zielgruppen mit besonderen Bedarfen bereitzustellen.
- 48,6 Prozent können bauliche Maßnahmen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht umsetzen.
- 48,2 Prozent der Bibliotheken brauchen zusätzliche Mittel für die Infrastrukturerneuerung.
Zudem wird deutlich, wie relevant die Kürzungen in Bezug auf das Thema Personal sind, denn auch in Bibliotheken wird der Fachkräftemangel spürbar. Ihnen fehlt es seit einigen Jahren an qualifiziertem Personal, nicht nur durch die hohe Zahl an Mitarbeitenden, die in den Ruhestand gehen, sondern auch durch enge Vorgaben der Verwaltungen, die eine personelle Anpassung an neue Aufgaben nur bedingt zulassen. Oftmals stimmen die Vorgaben des öffentlichen Dienstes bei der Personalgewinnung nicht mit dem Bedarf in den Bibliotheken überein. Dass etwa 5 Prozent der Bibliotheken über Stellenstreichungen berichten sowie 8 Prozent über eine Wiederbesetzungssperre ist dabei ein großes Problem, zumal 40 Prozent der Bibliotheken zusätzliche Mittel zur Einstellung von Personal benötigen und 11 Prozent für dessen Fortbildung.
Teilhabe und Künstliche Intelligenz
Die Sonntagsöffnung von Bibliotheken, die der deutsche Bibliotheksverband seit Jahren fordert, ist nach dem dbv ein wichtiger Aspekt in Bezug auf Teilhabe und die Belebung der Innenstädte. Jene Bibliotheken, die pilotweise bereits an Sonntagen öffnen können, werden an diesen Tagen besonders häufig als Begegnungs- und als Lernort besucht. Dies ist auch deshalb relevant, weil soziale Herkunft in Deutschland nach dem Nationale Bildungsbericht 2024 häufig über den Bildungserfolg entscheidet und weil ein Viertel der deutschen Schüler*innen bei der letzten PISA-Studie im Kernbereich Lesen nicht das Mindestniveau erreicht hat. Stadtbibliotheken tragen als öffentliche Bildungsorte dazu bei, dies zu ändern sowie den Zugang zu Wissen und Teilhabe zu erhöhen. Der dbv fordert deshalb, Bibliotheken in die strategische Bildungsplanung einzubeziehen und als integralen Teil der Bildungslandschaft zu verstehen. Zudem sollten in Bibliotheken mehr Räume zum Lesen und Lernen für Schüler*innen zur Verfügung gestellt sowie Schulbibliotheken zeitgemäß ausgestattet und in das Stadtbibliothekssystem integriert werden.
Darüber hinaus können Bibliotheken zur Medien- und Informationskompetenz im Umgang mit digital zugänglichen (Des-)Informationen und Künstlicher Intelligenz beitragen. Und sie profitieren kaut Bibliotheksverband selbst von der von Nutzung von KI - sei es bei der Erstellung von Metadaten mithilfe (semi-)automatischer Katalogisierung oder bei der Verbesserung der Nutzer*innenerfahrung, z.B. durch den Einsatz von Chatbots oder der Erarbeitung neuer Recherchewerkzeuge. Die Bestände von Bibliotheken sind zudem relevant für das Trainieren generativer KI. Der dbv verweist in seinem Bericht deshalb auf das Gesetz über Künstliche Intelligenz der Europäischen Union (EU) sowie hinsichtlich dessen Umsetzung in Deutschland auf die Berücksichtigung von Urheberrechtsfragen und Nutzungsmöglichkeiten für Bibliotheken und die Wissenschaft. Letzteres ist zudem relevant angesichts der Rolle insbesondere wissenschaftlicher Bibliotheken bei der Zugänglichmachung von Forschungsdaten. Das geplante Forschungsdatengesetz (FDG) der Bundesregierung, mit dem sie den Zugang zu Forschungsdaten verbessern will, hat daher nach dbv für Bibliotheken einen zentralen Stellenwert. Allerdings beschränken sich die Pläne auf Statistik- und Registerdaten der öffentlichen Hand. Mitgedacht werden sollten auch Daten aus dem Kulturbereich sowie Wirtschaftsdaten.
Die im letzten Bibliotheksbericht erwähnte Studie zu den Auswirkungen des E-Book-Verleihs auf den Buchmarkt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien liegt inzwischen vor, wird im Bericht 2024 jedoch nicht erwähnt.
Seit 2010 veröffentlicht der dbv jährlich den "Bericht zur Lage der Bibliotheken". Der Bericht 2024 kann hier heruntergeladen werden.
Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) vertritt mit seinen mehr als 2.000 Mitgliedern bundesweit über 8.000 Bibliotheken mit ca. 25.000 Beschäftigten. Der Verband setzt sich für die Entwicklung innovativer Bibliotheksleistungen für Wissenschaft und Gesellschaft ein. Als politische Interessensvertretung unterstützt der dbv die Bibliotheken insbesondere auf den Feldern Informationskompetenz und Medienbildung, Leseförderung und bei der Ermöglichung kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe für alle Bürger*innen.
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