27.10.2022
https://www.bibliotheksverband.de/sites/ default/files/2022-10/ PM_Bericht%20zur%20Lage%20 der%20Bibliotheken%202022-2023%20erschienen_20221020_
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Bericht zur Lage der Bibliotheken 2022/2023
„Die Finanzierung von Bibliotheken ist eine Investition in unsere Zukunft“
Der "Bericht zur Lage der Bibliotheken" des Deutschen Bibliotheksverbands legt Zahlen und Fakten zur Entwicklung und der Arbeit der Bibliotheken vor. Für 2022 zeigt der Bericht, dass das Gesamtbudget von Öffentlichen Bibliotheken stagniert bzw. sinkt. In Anbetracht der aktuellen Energiekrise wird dies zu einem ernsthaften Problem, gerade angesichts anstehender notwendiger Investitionen.
Der "Bericht zur Lage der Bibliotheken 2022/23" gibt Einblicke, welche Themen für Bibliotheken aktuell besonders wichtig sind und welche politischen Forderungen sich daraus für den Deutschen Bibliotheksverband ergeben. Neben Fragen der Finanzierung von Bibliotheken sind das die digitale Transformation von Bibliotheken, der Ausbau von Open Access, der Verleih von E-Books sowie die Themen Barrierefreiheit, ökologische Nachhaltigkeit und Demokratieförderung insbesondere in ländlichen Räumen.
Finanzierung
Dass Bibliotheken wichtige Bildungs-, Kultur- und Begegnungsorte für die Gesellschaft sind, haben sie während der Pandemiejahre bewiesen. In Krisenzeiten sind solche gemeinschaftsstiftenden Orte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt essenziell. Dafür sind Bibliotheken bereit, eine temporäre Ausweitung ihrer Angebote und Aufgaben in einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation zu übernehmen. Aus diesem Grund spielen sie im öffentlichen Kulturbetrieb eine besondere Rolle für die Unterstützung und Teilhabe diverser und finanziell schwächerer Zielgruppen oder für die Informationsversorgung von Flüchtlingen. So können sie aktuell für Menschen als Treffpunkte dienen, die von der Energiekrise besonders stark betroffen sind.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Bibliotheken diese selbst bewältigen können und trotz steigender Energiekosten geöffnet bleiben. Die Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine haben jedoch Auswirkungen auf die kommunalen Kassen und damit auf die Finanzierung von Bibliotheken. Entsprechend stagniert die Finanzierung von Bibliotheken, was bei Inflation und stark steigenden Kosten realen Kürzungen gleichkommt. Wie die aktuelle Umfrage zur Finanzsituation Öffentlicher Bibliotheken unter Mitgliedern des Deutschen Bibliotheksverbandes zeigt: Trotz der wachsenden Aufgaben von Bibliotheken und der erheblichen Preissteigerungen stagnierte bzw. sank im Jahr 2022 bei bis zu 90 Prozent der Befragten das Gesamtbudget. Für zukunftsgerichtete Investitionen in den Bereichen digitale Angebote, Infrastrukturerneuerung und Baumaßnahmen wäre jedoch eine zusätzliche Unterstützung erforderlich.
Bei 13,8 Prozent der Bibliotheken werden derzeit Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen realisiert, bei knapp 10 Prozent sind sie geplant. Auch wenn dies nur eine Minderheit betrifft, wirken sich die Kürzungen auf die Angebote der Bibliotheken aus, indem 7,7 Prozent ihre Öffnungsstunden reduzieren, 12 Prozent Angebote z.B. im Veranstaltungsbereich reduzieren, 7,3 Prozent auf bereits geplante Projekte wie Baumaßnahmen, technische Erneuerungen usw. verzichten, acht Bibliotheken womöglich Zweigstellen oder Abteilungen schließen müssen und drei Bibliotheken die komplette Schließung befürchten. Dennoch sind alle Zahlen geringer als im Vorjahr, während mehr Bibliotheken als 2020 eine Steigerung des Medienetats erfahren. Prozentual geringer fallen auch die Einschränkungen in Hinblick auf die Finanzierung relevanter aktueller Aufgaben aus:
- 35,2 Prozent benötigen zusätzliche Mittel zur Einstellung von Personal
- 8,4 Prozent benötigen zusätzliche Mittel für die Fortbildung von Personal
- 40,9 Prozent geben an, dass mit dem bestehenden Budget die Bereitstellung und der Ausbau digitale Angebote nicht möglich ist
- 24,1 Prozent können sich mit dem vorhandenen Budget nicht an Kooperationen und Projekten beteiligen
- 40 Prozent brauchen zusätzliche Mittel, um Bildungsangebote für Zielgruppen mit besonderen Bedarfen bereitzustellen (Bildungsbenachteiligte, Senioren, Menschen mit Behinderungen, geflüchtete Menschen u.a.)
- 48,9 Prozent können bauliche Maßnahmen nicht mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umsetzen
- 45,4 Prozent der Bibliotheken brauchen zusätzliche Mittel für die Infrastrukturerneuerung
Nutzung
Wie 2020 hat sich die Covid-19 Pandemie auch 2021 stark auf die Arbeit und Angebote der Bibliotheken ausgewirkt. Auch nach Wiederöffnung der Häuser schreckten hohe Inzidenzen viele Menschen ab, Bibliotheken vor Ort zu nutzen. Wie zu erwarten ist dadurch die Anzahl der Bibliotheksbesuche mit 78 Mio. Besuchen im Jahr 2021 deutlich niedriger als vor der Pandemie mit 223 Mio. Besuchen im Jahr 2019 und als 2020 mit 104 Mio. Besuchen. Wie bereits 2020 haben Bibliotheken kreative alternative, häufig digitale Wege gefunden, um ihre Nutzung und den Zugang zu Information und Medien zu gewährleisten.
2021 wurden in Öffentlichen Bibliotheken 249 Mio. Medien ausgeliehen, davon 46 Mio. E-Medien. Auch hier sind die Zahlen etwas niedriger als 2020, aber höher als es die Besuchsdifferenz vermuten lassen würde. Die Zahl ausgeliehener elektronischer Medien ist gleich geblieben. Dies belegt, wie wichtig das Online-Angebot öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken für die Medien- und Informationsversorgung zunehmend ist, aber auch, welchen Stellenwert analoge Medien weiterhin haben. Zugleich gibt es bei den Bibliotheken einen flächendeckenden Bedarf an grundlegender digitaler Infrastruktur sowie an Fördermitteln für digitale Medien und Vermittlungsformate. Zudem sind Investitionen notwendig in Technik, Personal und Formate sowie der Ausbau von Open Access als Standard des wissenschaftlichen Publizierens. Zudem muss endlich eine gesetzliche Grundlage für den Erwerb und den Verleih von E-Books durch Bibliotheken geschaffen und der Verleih eines E-Books dem eines gedruckten Buches rechtlich gleichgestellt werden. Hierbei braucht es transparente Strukturen und eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber*innen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Realität der Nutzenden.
Der Zugang zu E-Books, aber auch zu gedruckten Medien ist dabei insbesondere im ländlichen Raum von hoher Bedeutung. Gerade hier braucht es Bibliotheken, um Zugang zu Bildung und demokratischen Werten zu gewährleisten. Bibliotheken können dabei Orte der Begegnung für alle gesellschaftlichen Gruppen und Generationen sein und vielfältige Bildungs- und Austauschformate anbieten. Im Jahr 2021 haben sie über 132.000 Veranstaltungen und Schulungsangebote durchgeführt sowie im Bereich der Lese- und Medienkompetenzförderung mehr als 58.000 Veranstaltungen für Kinder angeboten. Darüber hinaus müssen Bibliotheken in ländlichen Räumen gestärkt und in politische Bildungsprogramme systematisch einbezogen werden.
Nachhaltigkeit und Transformation
In ihren Angeboten und Arbeitsweisen können Bibliotheken etwas zu Nachhaltigkeit beitragen und sind wichtige Multiplikator*innen der ökologischen Transformation. Sie müssen aber selbst noch ökologischer und nachhaltiger agieren und benötigen dafür ebenso viel Selbstreflektion wie Unterstützung durch ihre Träger und die Einbindung in politische Prozesse und Strategien. Denn ob für eine Bibliothek ein neues Gebäude errichtet oder ein bestehendes ökologisch saniert wird, welche Lampen genutzt oder ob Ökostrom verwendet wird, das hängt in hohem Maße vom jeweiligen Träger ab. Der dbv fordert daher, dass die ökologische Transformation von Bibliotheken durch die Kommunen, die Länder und den Bund vorangetrieben wird und Bibliotheken in Strategien und Aktionen zur Nachhaltigkeit aktiv einbezogen werden.
Das gilt auch für die Barrierefreiheit: Bibliotheken sind öffentliche Orte für alle Menschen, ungeachtet ihres Alters, ihrer Herkunft, ihres Bildungsabschlusses oder ihrer körperlichen Verfasstheit. Viele Bibliotheken erweitern seit Jahren stetig ihre inklusiven Angebote und bemühen sich um den Abbau von Barrieren. Neben Fort- und Weiterbildungen für das Bibliothekspersonal braucht es dabei verstärkt Förderprogramme, um räumliche und digitale Barrieren in Bibliotheken abzubauen. Jedoch geben 97,41Prozent der Bibliotheken an, dass für die Themen Barrierefreiheit und Inklusion keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Seit 2010 veröffentlicht der dbv jährlich den "Bericht zur Lage der Bibliotheken". Der aktuelle Bericht für 2022/2023 kann hier heruntergeladen werden.
Der Deutsche Bibliotheksverband e.V. (dbv) vertritt bundesweit über 9.000 Bibliotheken mit 25.000 Beschäftigten und 11 Millionen Nutzer*innen. Sein zentrales Anliegen ist es, Bibliotheken zu stärken, damit sie allen Bürger*innen freien Zugang zu Informationen ermöglichen. Der Verband setzt sich ein für die Entwicklung innovativer Bibliotheksleistungen für Wissenschaft und Gesellschaft. Als politische Interessensvertretung unterstützt der dbv die Bibliotheken insbesondere auf den Feldern Informationskompetenz und Medienbildung, Leseförderung und bei der Ermöglichung kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe für alle Bürger*innen.
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