24.09.2008

Autor*in

Gudrun Seidewitz
Best Practice

Was hat Kirchenmusik mit Kulturmanagement zu tun?

Diese Frage wurde mir schon des öfteren gestellt und ich musste dabei feststellen, dass viele gar nicht wissen, dass Kulturmanagement im religiösen Bereich keine Erfindung unserer Zeit ist.
Das Gegenteil ist der Fall: In der Historie lassen sich zahlreiche und erfolgreiche Beispiele von angewandtem Kulturmanagement finden. Ein Beispiel hierfür ist die im 17. Jahrhundert entstandene Konzertreihe Lübecker Abendmusik. Franz Tunder, der Vorgänger Dietrich Buxtehudes in St. Marien zu Lübeck verkürzte damals den Kaufleuten die Zeit vor dem Gang zur nahegelegenen Börse mit Orgelmusik. Die Kaufleute waren so begeistert, dass sie den Organisten reich entlohnten. Franz Tunder legte das Geld gut an und engagierte Musiker und Sänger, sodass sich völlig neue Konzertmöglichkeiten ergaben. Entsprechend wuchs auch der Aufgabenbereich des Organisten.
 
Ein weiteres Beispiel sind die Orgelstiftungen in zahlreichen Städten, durch die viele große Orgeln überhaupt erst gebaut werden konnten.
 
Die Tätigkeitsfelder des Kulturmanagers im religiösen Umfeld bzw. in der Kirche sind vielfältig. Sie reichen von Konzertmanagement über Marketing, Sponsoring, Fundraising bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit und unterscheiden sich nicht sonderlich von denen des "weltlichen" Kulturbetriebes. Dennoch muss der Kulturmanager zusätzlich ein gewisses Fingerspitzengefühl für diesen Bereich beweisen.
 
Als Kirchenmusikerin und Diplom Kulturmanagerin leite ich seit zwei Jahren das Veranstaltungsbüro im Berliner Dom. Seit der Wiedereröffnung am 6. Juni 1993 finden im Berliner Dom, neben Gottesdiensten und anderen kirchlichen Veranstaltungen, während des ganzen Jahres Konzerte statt. Zum festen Bestandteil des Musiklebens gehören besonders während großer kirchlicher Feiertage die Aufführungen von Oratorien, Passionen und Requien. Neben der zum Berliner Dom gehörenden Domkantorei und dem Staats- und Domchor sind auch der Rundfunkchor Berlin, der Dresdner Kreuzchor sowie Chöre aus anderen Kirchen und international bekannte Musiker am Konzertleben beteiligt.
 
Mit der großen Sauer-Orgel verfügt der Dom über ein hörens- und sehenswertes Instrument mit romantischen Klangeigenschaften, das nicht nur die Gottesdienste begleitet, sondern in zahlreichen Orgelkonzerten zu voller Wirkung gelangt.
 
Das Programm der Konzerte ist breit gefächert und reicht von Alter Musik bis hin zu avantgardistischen Experimenten, wie bspw. die Aufführung des "Wohlgenerierten Claviers" in diesem Jahr. Werke von Bach wurden mit Hilfe von midi Sequencing geschnitten, umgebaut und geloopt und erklangen zusammen mit der Domorgel.
 
Im Berliner Dom unterscheiden wir hauptsächlich zwei Arten von Konzerten, die Eigen- und Fremdveranstaltungen. Die Eigenveranstaltungen sind bspw. die Konzertreihen wie der Internationale Orgelsommer, Musica Mystica Gregorianik im Dialog und die Familienkonzerte. Diese Konzerte werden sowohl von den Dommusikern, als auch von anderen Musikern, die ein Honorar erhalten, aufgeführt. Hierbei setzen wir thematische Schwerpunkte und wollen damit nicht nur das kirchenmusikalische Leben Berlins, sondern das gesamte Kulturleben der Stadt bereichern. Eine eigene Profilierung ist notwendig, da wir in Berlin am Wochenende mit über 3.000 Veranstaltungen konkurrieren.
 
Ähnlich wie bei vielen Konzerthäusern können Veranstalter wie Agenturen oder Chöre den Berliner Dom mieten und zahlen hierfür eine Nutzungsgebühr. Hierbei wird darauf geachtet, ob und wie sich die Veranstaltung mit
 
unserem kirchlichen und musikalischen Leben vereinbaren lässt. Kriterien sind hierfür die Musiker, das Programm und der Aufführungstermin. Dabei kommen mir meine Erfahrungen als Kirchenmusikerin zu gute, da ich mit dem Repertoire und der musikalischen Einbindung in das Kirchenjahr sehr vertraut bin.
 
Da der Berliner Dom in erster Linie Kirche und kein Konzerthaus ist, gehen die regelmäßig stattfindenden Gottesdienste, Vespern und Andachten vor. Das bedeutet langfristige Vorausplanung des Veranstaltungskalenders und Absprachen mit dem Gemeindebüro, damit nicht beispielsweise eine Trauung mit den Aufbauten für ein Konzert kollidiert. Auch für Proben können daher nur bestimmte Zeitfenster angeboten werden, was die organisatorischen Abläufe erschwert.
 
Die Öffentlichkeitsarbeit für alle Konzerte und Veranstaltungen, die in unserem Hause stattfinden, wird von uns selbst übernommen. Die Internetseite wird von uns selbst gepflegt sowie aktualisiert, es erscheinen Monatsplakate, die in der U-Bahn aushängen. Außerdem erscheint zweimal jährlich ein Halbjahres-Flyer, der im Dom, Konzertkassen, öffentlichen Einrichtungen und Hotels verteilt wird.
 
Der Vertrieb unserer Konzertkarten läuft über ein Ticketsystem. Die Karten können über unsere eigene Konzertkasse, das Internet und jede bekannte Vorverkaufsstelle gekauft werden. Auch für die Fremdveranstalter bieten wir diesen Service an.
 
Leider ist es nicht möglich ähnlich wie bei anderen Kulturbetrieben bei jedem eigen veranstalteten Konzert kostendeckend zu arbeiten. Musiker, Werbung, Programme, Personal, Technik müssen bezahlt werden. Unser wirtschaftliches Ziel besteht darin, die defizitären Konzerte mit gewinnbringenden Konzerten und Vermietungen auszugleichen sowie darüber hinaus zur Deckung der Gemeinkosten beizutragen. Sicherlich könnte man sich fragen, warum wir überhaupt Konzerte anbieten, bei denen wir von vornherein wissen, dass sie keinen oder nur wenig Gewinn bringen. Bei all der Wirtschaftlichkeit dürfen wir als Kirche nicht den allgemeinen Verkündigungsauftrag aus dem Auge verlieren und den Dom als reinen Veranstaltungsraum mit besonderem Flair zur Verfügung stellen.
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB