ist als freiberufliche Autorin und Lektorin tätig. Zuvor absolvierte sie ein Volontariat im Bereich Sammlung und Ausstellung beim LVR LandesMuseum Bonn. Sie studierte Kunstgeschichte/ Archäologie und Geschichte und promovierte zu Gerard ter Borch. Sie forscht zur Kunst und Kultur Siebenbürgens und setzt sich für den Erhalt des kulturellen Erbes der Siebenbürger Sachsen ein.

Die Frage nach kultureller Identität und der Bedeutung des kulturellen Erbes und wie mit ihr innerhalb einer Gesellschaft umzugehen ist, ist innerhalb der letzten drei Jahrzehnte immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Forscher*innen, aber auch der interessierten Öffentlichkeit gerückt. Österreich und die Bedeutung, die das Land dem eigenen kulturellen Erbe beimisst, stehen mit dem Wirken Wilfrid Lipps im Vordergrund dieses Bandes, der 2020 im transcript Verlag erschien. 

 

1945 in Bad Ischl geboren, gehörte Lipp nicht nur zu den führenden Denkmalpfleger*innen Österreichs, sondern lehrte an verschiedenen Universitäten, war gut zwei Jahrzehnte als Landeskonservator des Bundesdenkmalsamtes in Linz und unter anderem als Vizepräsident von ICOMOS International für Europa tätig. Eine einmalige kulturpolitische Erfolgsgeschichte, die zum einen ein Selbstverständnis als "Kulturnation" geprägt hat, zum anderen aber auch einen bis heute politikwirksamen Konservativismus in weiten Teilen der Bevölkerung verankert.

 

"Wie konzipiert man eine Festschrift für Wilfried Lipp?" Diese Fragen stellen Reinhard Kren und Monika Leisch-Kies als Herausgeber*innen dieses Bandes in seinem ersten Kapitel. Ein Gespräch mit Lipp selbst liefert den roten Faden, den die Herausgeber*innen in dieser Festschrift konsequent verfolgen. 50 Persönlichkeiten quer über den Globus steuern Fachartikel, Interviews und Statements bei, zum Großteil in englischer Sprache, und symbolisieren so Lipps weltweiten Wirkungsradius.

 

Der Band gliedert sich in neun Kapitel zu historischen und aktuellen Denkmalphilosophien, Erhaltungskonzepten und Anwendungsbeispiele in verschiedenen Ländern. Jeweils am Ende dieser Kapitel stehen sogenannte Statements - Kurztexte in kursiver Schrift, die Reflektionen persönlicher Beziehungen der Verfasser*innen zu Wilfried Lipp, seinem Leben und Wirken und dem von ihm vertretenen Thesen darstellen.

 

 

Das Buch stellt eine Bestandsaufnahme zum Heritage-Begriff dar und diskutiert dabei Fragen und Probleme, die im Umgang mit dem kulturellen Erbe entstehen. Diese reichen von handfesten denkmalpflegerischen Herausforderungen über theoretische und praktische Implikationen der Ausweitung des Denkmalbegriffs bis hin zu ethischen Fragen, inwieweit sich die Vielfalt von Kulturerbe in ein modernes Gesellschaftsgefüge integrieren lässt.

 

So schildert Josef Štulc in seinem Beitrag eindrücklich Beispiele für Konservierung und Restaurierung in der Baudenkmalpflege Tschechiens. Am gotischen Bau "Zur steinernen Glocke" am Prager Altstädter Ring thematisiert er die Diskrepanz zwischen hochkarätigen Bildhauer*innen und Restaurator*innen auf der einen und dem unterdurchschnittlichen Leistungsniveau tschechischer Baufirmen und ihrer Brutalität im Umgang mit erhaltenen Originalen auf der anderen Seite. 

 

In seinem herausragenden Beitrag "Linz und die Welt" beschäftigt sich Egon Johannes Greipl anschaulich mit der Thematik der Vergegenwärtigung der Vergangenheit. Er konstatiert einen "Präsentismus" und diskutiert Begriff und Etikett "Welterbe" sehr kontrovers. An Beispielen wie Hallstatt, Bamberg, Passau oder Notre Dame in Paris zeigt er eindrücklich, wie weit Expert*innenmeinungen und wirtschaftliches Interesse oft auseinander liegen.

 

Einen großen Block dieser Festschrift bilden Beiträge verschiedener Autor*innen, die die Entwicklung vom gesetzlich normierten Denkmalbegriff, wie der jeweilige Verwaltungsapparat eines Staates ihn vertritt, hin zum Begriff von Erbe oder Heritage, der von einzelnen sozialen Gruppen definiert wurde und damit vielschichtige Bedeutungsebenen vereint.

 

 

Obwohl die Herausforderungen im Bereich des kulturellen Erbes und der Denkmalpflege weltweit ähnlich sind, erfordern sie doch länderspezifische, von Traditionen geprägte Antworten auf die Frage: Wie können wir die "Materie" erhalten und vermitteln? Theoretische und praktische Schlussfolgerungen durch die Ausweitung(en) des Denkmalbegriffs (Stichwort: Immaterielles Kulturerbe) bis hin zur ethischen Dimension der Frage, wie wir "Heritage" verstehen und gestalten und in welchen Formen wir die Vielfalt des Erbes in unsere modernen Gesellschaften integrieren wollen und können, sind dabei wohl die zentralsten.

 

Nicht selten ist der Umgang mit historischem Erbe mit vielen Stolpersteinen gepflastert, sind historische Bauwerke Zeugen mitunter schmerzhafter geschichtlicher Abläufe. Die Beiträge zeigen, dass die Denkmalpflege, anders als zum Beispiel Natur- und Umweltschutz, in der Öffentlichkeit oft kein gutes Image hat und keine starke Lobby, keine Bewegungen wie "Friday for Future" existieren, die ein Bewusstsein für kulturelles Erbe und Denkmalpflege schaffen und "die Politik in die Pflicht nehmen", wie Christoph Leitl und Georg Spiegelfeld in ihrem Gespräch über die Kulturlandschaften im Spannungsfeld festhalten. 

 

Gesellschaftliche und politische Vorgänge spielen in der Denkmalpflege und damit im gesamten Feld des kulturellen Erbes dennoch hintergründig eine Rolle. Das von Spiegelfeld geforderte "5-Punkte-Programm" konkretisiert die Problematik und könnte zu einem Ende der "Dauer-Bittsteller"-Rolle von Denkmaleigentümer*innen beitragen. Dieses Programm umfasst 1) Ein Abwenden von staatlichen Ermessenssubventionen, 2) Förderung unter Voraussetzung der Erfüllung bestimmter Bedingungen, 3) Vorteile bei Steuern/Gebühren. 4) Anpassung von Rechts- und Förderbedingungen sowie 5) Novellierung von Baurecht und Raumordnungsgesetzen.

 

Die Festschrift endet mit einer Biographie und einem Schriftenverzeichnis Wilfried Lipps sowie einem umfangreichen Anhang zu den Autor*innen und den genannten internationalen Dokumenten zu Denkmalschutz, Kunst- und Kulturerbe.

 

 

Die Lektüre der Beiträge bildet einen überaus reichen Schatz für die Bereiche Denkmalpflege, Kulturerbe und Heritage. Dem Buch stünden bei der Vielzahl englischsprachiger Texte einige Übersetzungen, zumindest in Resümee-Form, gut, was aber der Qualität keinen Abbruch tut. Die Autor*innen beschränken sich in ihren Beiträgen mitunter zu sehr auf die Diskussion eines "Wandels gesellschaftlicher Orientierungen", wie sie der Titel suggeriert, und lassen leider eine aktuelle Positionierung durch aktuelle Amtsträger*innen ebenso vermissen wie eine gesellschaftspolitische Kontextualisierung, die nur in dem Beitrag Leitl/Spiegelfeld anklingt.

 

Möchten auch Sie Bücher für Kultur Management Network rezensieren? In unserer Liste finden Sie alle Bücher, die wir aktuell zur Rezension anbieten:

 

Schreiben Sie uns einfach eine Mail mit Ihrem Wunschbuch an