27.09.2017
Themenreihe Preise & Ticketing
Autor*in
Philipp Stanehl
ist kaufmännischer Verwaltungsleiter der VARUSSCHLACHT im Osnabrücker Land gGmbH, zuvor der Kunsthalle Karlsruhe und der Kulturstiftung Worpswede. Der Banker hat Betriebswirtschaftslehre und Kulturmanagement studiert und war bereits für die Internationalen Filmfestspiele in Berlin, die Stiftung Museum Kunstpalast in Düsseldorf und die Unternehmensberatung publicplan tätig.
Eintrittspreispolitik in Museen
Mythos Freier Eintritt
Immer mehr Museen hegen den Wunsch nach freiem Eintritt für ihre Besucher. Dabei agieren sie in einem Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Politik und Management. Deshalb fehlt es leider oft an einer sachlichen Betrachtungsweise der Auswirkungen des freien Eintritts und einer offenen Bewertung von Alternativen. Eine neue Studie zeigt, wie diese aussehen kann.
Themenreihe Preise & Ticketing
Die aktuell veröffentlichte Masterthesis mit dem Titel Mythos freier Eintritt Perspektiven der Eintrittspreispolitik von Museen betrachtet umfassend die Auswirkungen des freien Eintritts in Kulturmanagement, Kulturpolitik und Kulturökonomie und gibt Handlungsempfehlungen für die Museumspraxis unter der Leitidee des smart pricing.
Rahmenbedingungen für freien Eintritt: Politik, Ökonomie und Management
Bei den Rahmenbedingungen gilt es zu beachten, dass sich Museen konform innerhalb der kulturpolitischen Rahmenbedingungen bewegen, zugleich optimal in den kulturökonomischen Marktbedingungen wirtschaften und Budget-Defizite abmildern müssen. Preispolitik im Museum ist also eine komplizierte Aufgabe, die oft einseitig betrachtet wird und viele Fragen aufwirft: Was sind die Chancen und Herausforderungen des freien Eintritts? Wie preissensibel sind Besucher und kann man mit freiem Eintritt tatsächlich, wie oft angenommen, mehr Menschen für Museen begeistern? Welche Institutionen haben bereits Erfahrungen mit dem Thema gesammelt und unter welchen Rahmenbedingungen sind diese vergleich- oder übertragbar? Und wie funktioniert die Finanzierung eines solchen Preismodells im Museum?
Der freie Eintritt ins Museum verfolgt auf der einen Seite eine monetär niederschwellige Öffnung des Kulturangebots, zum anderen wirkt er jedoch, durch den Verlust wichtiger Eigenerlöse, gegen das Subsidiaritätsprinzip. Ein subventionierter Eintrittspreis soll für alle Besuchergruppen erschwinglich bleiben, zugleich sollen die konkreten Nutzer des Kulturproduktes aber durch den Eintrittspreis auch an den Produktionskosten beteiligt werden. Ohne den Ausgleich des Verlustes an Eintrittseinnahmen durch Sponsoren oder den Träger des Museums ist es nicht möglich Preissysteme, wie den freien Eintritt, dauerhaft einzuführen.
Beispiele und ihre Hintergründe
Das Folkwang Museum in Essen konnte seine Besucherzahlen in den ersten acht Monaten seit Einführung des freien Eintritts verdreifachen. Die enorme Steigerung der Besucherzahlen in den englischen Museen in den letzten Jahren hingegen lässt sich keineswegs allein mit dem freien Eintritt erklären, denn zum einen sind Sonderausstellungen die der Erfahrung nach die meisten Besucher anziehen weiterhin eintrittspflichtig und die britischen Museen investieren viele Ressourcen in Marketing und Vermittlung. Zum anderen ist die Besucherzahl in den deutschen Museen seit 2001 ohne freien Eintritt ebenfalls kontinuierlich gestiegen und auch der Louvre hat von 2001 bis 2012 seine Besucherzahlen trotz Eintrittsentgelte fast verdoppelt (Hoffmann 2016). Zudem ist die Preisbereitschaft zum Beispiel bei Publikum aus dem internationalen Tourismus in der Regel hoch, sodass freier Eintritt kaum zusätzliche touristische Besucher ansprechen dürfte (Günther 2015).
Eine Studie im Rahmen einer Nicht-Besucherbefragung ausgewählter LWL-Museen im Jahr 2013 hat ergeben, dass zu hohe Preise und/oder Anfahrt für nur acht Prozent der Befragten ein Besuchs-Hindernis sind (Eilers 2015). Der freie Eintritt ermöglicht zwar den bisher monetär gehemmten Besuchern mit einem geringen Einkommen den Museumsbesuch. Der weitaus größere Teil der gesteigerten Besucherzahlen resultiert jedoch daraus, dass das bereits kulturaffine Publikum durch den freien Eintritt zu Mehrfachbesuchen animiert wird. Auch in ähnlichen Nicht-Besucherbefragungen zeigt sich immer wieder, dass die Anziehungskraft eines Museums weit mehr von einem positiven Image und einem niederschwelligen und attraktiven Angebot abhängig ist als vom Eintrittspreis.
Wie können Museen dem Thema begegnen?
Wie sich aus den wenigen Beispielen zeigt, sollte vor einer Abschaffung der Eintrittsgelder das erste Ziel sein, die bisher dem Museum fernen Besuchergruppen durch Investitionen in Bildung und Kommunikation zu gewinnen, um langfristig neue Besuchergruppen zu erreichen. Für diese Investitionen benötigten Museen finanzielle Mittel, unter anderem auch in Form der Eintritte durch die bereits museumsaffinen Besucher, die sich oftmals den Eintritt leisten können und z.T. auch wollen.
Eine Differenzierung der Preise kann dazu beitragen, bildungs- und sozialpolitische Ziele zu erfüllen und zugleich Konsumentenrenditen abzuschöpfen. Doch ein solches System muss für die Besucher transparent und handhabbar bleiben. Zur Versachlichung der Diskussion trägt es somit bei, die Sinnhaftigkeit des freien Eintritts nicht dogmatisch zu beurteilen, sondern ihn als ein Instrument neben einer Vielzahl weiterer innerhalb des Preismanagements von Museen individuell zu bewerten.
Pay what you want
Potentiale für eine Weiterentwicklung des freien Eintritts liegen beispielsweise im partizipativen Preismodell Pay-What-You-Want (PWYW). Dieses kann durch die freiwillig gezahlte Eintrittsspende, im Vergleich zum freien Eintritt, finanzielle Freiräume für den Museumsetat schaffen. Daneben führt PWYW isoliert eingesetzt aber zu großen Planungsunsicherheiten. Zudem drohen mit der Zeit Abnutzungseffekte der Öffentlichkeitswirksamkeit. Außerdem muss das Modell aktiv im Museum gemanagt und entsprechender Aufwand einkalkuliert werden.
Insgesamt stehen die Erfahrungen mit alternativen Preissystemen in deutschen Museen noch am Anfang. Sowohl wegen unterschiedlicher Ausgangssituationen als auch wegen der zu wenigen Besucherbefragungen und -messungen, die parallel zur Einführung neuer Preissysteme durchgeführt werden, sind die bisherigen Ergebnisse nur schwer vergleichbar. Hier liegt noch ein großes Potential für künftige Studien, die vor allem langfristig angelegt sein sollten.
Abbildung 1: Pro und Contra Argumente der Einführung eines freien Eintritts in Museen.
Handlungsempfehlungen
Derzeit lassen sich drei zentrale Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung der Preispolitik formulieren. Als Leitidee kann dabei der Begriff des smart pricing dienen:
- Situativ: Ein Preismanagement, das von der Ausgangssituation und den Rahmenbedingungen des jeweiligen Museums ausgeht und dessen Ziele fördert. Für den Erfolg der Preispolitik ist eine entsprechende Analyse im Voraus erforderlich. So kann zum Beispiel insbesondere in kleineren Museen der Verwaltungsaufwand höher sein als die erzielbaren Eintrittseinnahmen und somit ein freier Eintritt sinnvoller sein. Es gilt also, die zur Verfügung zur stehenden Ressourcen im Vergleich zu den Auswirkungen der Preisinstrumente zu beurteilen.
- Differenziert: Smart Pricing ist so differenziert wie das Museumsprodukt selbst. Basis ist ein Preis in Abhängigkeit von den Faktoren: Wer möchte wann, wo und aus welchem Grund das Museum besuchen? Mit einer Differenzierung der Preise soll dabei die Zahlungsbereitschaft der Besuchenden optimal genutzt und eine bessere Verteilung der Auslastung erreicht werden.
- Transparent: Einfach nutzbar für das Museumsteam und attraktiv für den Besuchenden. Ein komplexes Preissystem ist oft wenig übersichtlich. Dabei muss auch eine ausdifferenzierte Preispolitik für den Träger transparent, für das Personal handhabbar und für den Gast attraktiv sein. Preistransparenz, im Sinne der Vollständigkeit, Klarheit, Erfassbarkeit und Aktualität, wirkt sich förderlich auf die Bewertung der Preise aus (zum Beispiel Fairness oder Vertrauen) und fördert damit auch die Besucherzufriedenheit (Schößler 2015).
Die politischen und administrativen Gremien für Preisentscheidungen von öffentlichen Museen brauchen verlässliche und transparente Preisstrukturen und Finanzplanungen. Hier gilt es, Akzeptanz und Verständnis gerade für neuartige Preissysteme aufzubauen. Es hilft an dieser Stelle, wie im Museum Folkwang geschehen, wenn ein Haus innovative Systeme schrittweise und zunächst an einzelnen Aktionstagen einführt, um die Vorteile empirisch belegen zu können.
Darüber hinaus liegt es auch an den Museen, gemeinsam mit den Trägern eine passende Form des Leistungscontrollings zu erarbeiten. Anstatt anhand kurzfristiger und rein quantitativer Besucherzahlen sollte der Erfolg eines Museums auch an dessen Fähigkeit zu einer nachhaltigen, qualitativen Entwicklung, einer wirtschaftlichen Nutzung der Ressourcen und der Integration neuer Besuchergruppen bemessen werden. Für öffentliche Museen ist daher ein transparentes und kooperatives Leistungscontrolling dringend erforderlich, um diese Aspekte messen und steuern zu können.
Eine wirkliche Weiterentwicklung der Besucherstruktur erreicht man langfristig vor allem über interessante Programmatik, wirkungsvolles Marketing, Aufenthalts- und Servicequalität und Vermittlungsprogramme im Sinne von Audience Development. Ein solches Vorgehen benötigt entsprechende finanzielle Ressourcen, die nicht allein aus den knappen Kassen der öffentlichen Hand finanziert werden können und daher auch ein erlösoptimiertes Preissystem im Museum erfordern.
Literatur
Eilers, Silke (2015): Eintritt frei? Die Bedeutung von Eintrittsregelungen für kommunale und vereinsgetragene Museen. In: Museumskunde Band 80. Berlin.
Günther, Bernd (2015): Freier Eintritt ins Museum? Eine alte, immer neue Diskussion. In: Deutscher Museumsbund e.V. (Hrsg.). Museumskunde. Band 80. Berlin.
Hoffmann, Andreas (2016): Freier Eintritt für alle? Preismanagement in Museen. In: Handbuch Kulturmanagement, Ausgabe Juli 2016. Berlin.
Schößler, Tom (2015): Preispolitik für Theater. Strategische Preisgestaltung zwischen Einnahmesteigerung und öffentlichem Auftrag. Ludwigsburg.
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