7. Kulturpolitischer Bundeskongress 2013
Kulturpolitik braucht Planung
Am 13./14. Juni findet der 7. Kulturpolitische Bundeskongress in Berlin statt. Der Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft ordnet das Thema "Kultur nach Plan?" ein.
"Kulturplanung" ist ein vieldeutiger und umstrittener Begriff. Lange Zeit war er verpönt in der Kulturpolitik. Er schien sich nicht zu vertragen mit dem Eigensinn und der Eigenart, der Autonomie und Spontaneität von Kunst in all ihren Spielarten. Diese Haltung verliert zunehmend an Bedeutung. Zu den Aufgaben der Kulturpolitik gehört nach heutigem Verständnis neben der Förderung von Kunst und Kultur im Allgemeinen und der Gestaltung der Rahmenbedingungen für die künstlerische und kulturelle Produktion im Besonderen, vor allem die Schaffung und Aufrechterhaltung einer kulturellen Infrastruktur als Garant für eine möglichst breite kulturelle Teilhabe der Bevölkerung.
Seit den 1970er Jahren versteht sich Kulturpolitik zudem explizit als Gesellschaftspolitik mit dem Auftrag, ihre Positionen und Perspektiven planvoll, aber entwicklungsoffen im Dreieck von Staat, Markt und Gesellschaft umzusetzen. Dieses Selbstverständnis basiert auf einem weiten Kulturbegriff und der Akzeptanz von (kultur/kreativwirtschaftlichen) Alternativen ebenso wie der wachsenden kulturellen Pluralität in der Gesellschaft (Interkultur). Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Kultur in Deutschland" hat diese Position noch einmal gestärkt.
Die Idee, Kulturpolitik konzeptionell auszurichten und an gesellschaftlichen Veränderungen orientiert zu betreiben, prägt seither mit unterschiedlichem Erfolg wesentliche Aspekte der kulturpolitischen Praxis. Frühe Vorläufer gab es bereits vor über drei Jahrzehnten. Der erste kommunale Kulturentwicklungsplan wurde 1976 in Osnabrück verabschiedet, weitere Pläne sollten folgen. Projekte wie "Kultur 90" in Nordrhein-Westfalen oder die "Kunstkonzeption" des Landes Baden-Württemberg ("High Tech - High Culture") im Jahr 1989 sind weitere Beispiele auf dem Weg zu mehr Kulturplanung. Kunst/Kultur und damit die Kulturpolitik wurden im Zuge des gesellschaftlichen Wandels als wesentliche Faktoren der fortschreitenden Modernisierung begriffen. Dieses "Neue Interesse an der Kultur" spiegelte sich auch in der Wirtschafts- und der Stadtentwicklungspolitik. Initiativen wie die IBA Internationale Bauausstellung Emscherpark im Ruhrgebiet betonten die Notwendigkeit, Kulturelles planvoll in städtebauliche und regionalpolitische Überlegungen einzubeziehen.
"Planung" und "Beteiligung"
Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten war die Sicherung und Modernisierung der kulturellen Infrastruktur in den neuen Bundesländern eng verbunden. Um die "kulturelle Substanz" vor Schaden zu bewahren, legte zunächst der Bund eine Reihe von Förderprogrammen (z.B. "Substanzerhaltungsprogramm", "Infrastrukturprogramm" etc.) auf und beeinflusste so die kulturpolitische Entwicklung in Ostdeutschland maßgeblich. Die Neuen Länder ergriffen ihrerseits die Initiative und entwickelten eigene Förderlogiken wie das "Kulturraumgesetz" in Sachsen. Sie setzten damit Maßstäbe für eine stärker konzeptionell orientierte Kulturpolitik. Insbesondere das Land Brandenburg hat mit seiner kooperativen Kulturentwicklung (inklusive Kulturentwicklungsplan und Kulturentwicklungskonzept) und Kulturinvestitionsplan eine Vorreiterfunktion eingenommen. Neuerdings sind Sachsen-Anhalt ("Kulturkonvent") und Thüringen ("Kulturkonzept") mit eigenen Initiativen gefolgt.
Diese Entwicklung wurde von der Reorganisation und Reform der öffentlichen Verwaltung in den 1990er Jahren begleitet. Die Verwaltungsmodernisierung ("New Public Management") sparte auch die kulturpolitischen Strukturen nicht aus. Die neue Philosophie setzte auf Effektivität und Effizienz der Kultureinrichtungen und auf neue Partner in Wirtschaft und Gesellschaft. Kooperation, Koordination und Konzertierung der kulturpolitischen Akteure wurden als neue Aufgaben reklamiert. Unter dem Stichwort "Governance" wurde die Erarbeitung konsensfähiger Ziele und Strategien zusammengefasst. Damit war zugleich die Vorstellung von einer neuen Beteiligungskultur und einer Neuverteilung der Verantwortung verbunden und sparsam mit den Ressourcen umzugehen.
Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik
Bei all diesen Überlegungen spielen die anfallenden Kosten für die seit den 1970er Jahren kontinuierlich gewachsene "kulturelle Infrastruktur" eine zunehmende Rolle. Während in einzelnen Bundesländern die Kulturetats weiter wachsen, werden die Mittel für den Unterhalt der öffentlichen Kulturangebote vor allem in den neuen Bundesländern knapp. Das Modell der angebotsorientierten und additiven Kulturpolitik verliert an Legitimation und Anhänger. Immer deutlicher wird die Notwendigkeit einer vorausschauenden und planenden Kulturentwicklung, um die kulturelle Infrastruktur den sich wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen (Demografie, Migration, Interkultur) anzupassen.
In diesem Rahmen wird sich die Kulturpolitik in Zukunft bewegen und konzeptionelle wie planerische Überlegungen anstellen müssen, um auf erkennbar gewordene Problementwicklungen zu reagieren. Die kulturelle Infrastruktur ist vielerorts mit den vorhandenen Mitteln kaum noch auskömmlich zu bezahlen und qualitätsvoll zu betreiben. Der demografische und kulturelle Wandel begründen in einigen Bereichen/Einrichtungen einen Publikumsrückgang und eine veränderte Interessenlage. Zudem wird deutlich, dass die Ausweitung des öffentlichen Kulturangebots kaum neue Besucherschichten angesprochen hat. Dazu werden die regionalen Disparitäten immer offenkundiger. Alte Konflikte und Verteilungskämpfe brechen neu auf. Die öffentliche Zustimmung zu den Ansprüchen der Kulturpolitik lässt nach. Ihr Wachstumspfad ist ausgetreten; vielerorts ist Schrumpfung das Gebot der Stunde.
Die Zeit ist reif für neue kulturpolitische Strategien
Nie zuvor hat es auf kommunaler, regionaler, Landes- und Bundesebene so viele Bemühungen gegeben, Kulturpolitik als konzeptionelle Gestaltungsaufgabe zu begreifen, herkömmliche Strukturen und Verfahren in Frage zu stellen und die Akteure und BürgerInnen an diesem Prozess zu beteiligen. An vielen Orten werden die Ziele der Kulturpolitik im Dialog mit den Akteuren neu definiert und neue Formen der Verantwortungsteilung etabliert. Der 7.Kulturpolitische Bundeskongress wird diese Entwicklung aufzeigen und die Erfolgsaussichten und Risiken diskutieren.
Dr. Nobert Sievers
geb. 1954; Studium der Soziologie in Bielefeld; seit 1982 erst Sekretär, später Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (inkl. IfK, Cultural Contact Point und Kontaktstelle EfBB); darüber hinaus Geschäftsführer des Fonds Soziokultur und ständiger Gast im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages; Mitglied des Vorstandes des Hauses der Kultur. (Schwerpunkte: Kulturpolitischer Bundeskongress, Kultur und Kulturförderung in NRW, Soziokultur, Systematik der Kulturpolitik, Netzwerkarbeit und Verbandsarbeit)
Kongress und Medienpartnerschaft
Der 7. Kulturpolitischer Bundeskongress findet in Berlin am 13. + 14. Juni 2013 zum Thema "Kultur nach Plan? Strategien konzeptgestützter Kulturpolitik" statt. Kongressveranstalter sind die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. und die Bundeszentrale für politische Bildung. Kulturmanagement Network und LabKultur.TV sind die Online-Medienpartner und berichten gemeinsam im Vorfeld sowie während und nach dem Kongress über die spannendsten Aspekte.
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