13.09.2009

Autor*in

Svenja Kluckow
Deutscher Kulturförderpreis 2009

Wer bohrt, kommt weiter

Was macht ein Tunnelvortriebsmaschinenbauer auf einer Kulturveranstaltung? Das Unternehmen machts möglich. Im Rahmen einer festlichen Preisverleihung und anschließendem Empfang wurde am 10. September 2009 in Berlin im Haus der Deutschen Wirtschaft der Deutsche Kulturförderpreis vergeben.
Mit dem Deutsche Kulturförderpreis werden Unternehmen für ihr bestehendes Engagement in der Kunst und Kultur ausgezeichnet. Insgesamt wurden in diesem Jahr über 100 Projekte eingereicht. Davon stammte in diesem Jahr ein überproportionaler Anteil aus dem Bereich Musik, wie die Schauspielerin Nadja Uhl als Mitglied der hochkarätig besetzten Jury aus den Entscheidungssitzungen berichtete und sich dementsprechend auch in der Vergabe widerspiegelte. Ausgezeichnet wurden kreative Förder- und Sponsoringaktivitäten, die Risikobereitschaft zeigen, auf Nachhaltigkeit angelegt sind und einen Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Kulturinstitution beinhalten.
 
Bevor die Preise verliehen wurden, hielt Martin Hoffmann, der designierte Intendant der Berliner Philharmoniker, eine amüsante und anregende Festrede. Sie begann zunächst mit einer Vorhaltung an das Publikum. Unser gemeinsamer Kulturbegriff sei vielleicht zu elitär, weil im Grunde konservativ. Arte und 3Sat richteten sich genüsslich in ihren Nischen ein, denn man sei offensichtlich stolz darauf, die hohen öffentlichen Förderungen mit einem Programm für Minderheiten zu rechtfertigen. Dabei seien wir doch heute umzingelt von Kultur. Kochkultur und Lesekultur- hier folgte nun eine an Terry Eagleton (der Oxford-Professor und Autor des Intellektuellen-Standard-Werkes Was ist Kultur?) erinnernde Aufzählung von Kulturbegriffen. Zwischenzeitlich hatte man den Eindruck, der Manager eines Film-Produktionsunternehmens müsste seine berufliche Laufbahn und dementsprechend seine Eignung für seine neue Aufgabe als Intendant der Berliner Philharmoniker rechtfertigen: Hochkultur und Privatfernsehen sind ja bekanntlich die ärgsten Feinde. Er beeindruckte allerdings das Publikum nicht nur mit rhetorischem Witz und einigen guten Kalauern, sondern ebenfalls mit wissenschaftlichem Tiefsinn, so dass neben der Erwartung auch die Freude auf seine ersten Amtshandlungen für die Berliner Philharmoniker gesteigert wurde.
 
Ziel des Kulturkreises ist es, Unternehmen in ihrem Engagement zu bestärken und solche, die sich noch nicht kulturell engagieren, als Sponsoren oder Mäzene zu gewinnen. Im Rahmen der Preisverleihung wurden deshalb die Gewinner mit Kurzfilm-Portraits vorgestellt, die ihre Projekte vorstellten. Da wurden plötzlich Rigipswände durch die Gegend getragen und Lagerhallen mit riesigen Montagemaschinen gezeigt, so dass man sich kurzzeitig in einem Industrie-Imagefilm wieder zu finden glaubte. Im nächsten Bild setzte der Geiger auf der gerade montierten Bühne aber den Bogen an und die harmonischen Töne lösten die schreienden Holzsägen ab. Eindrücklich wurde den vielen Gästen, die nicht nur aus der Privatwirtschaft stammten, visualisiert, wie Industrie und Kulturengagement eine homogene und befruchtende Symbiose herstellen können.
 
Die Preise ging an die Siemens AG in der Kategorie Große Unternehmen für das Projekt into... und an die Itzehoer Versicherungen für den John Lennon Talent Award in der Kategorie Mittlere Unternehmen.
 
Siemens und Musiker hinter einer Kulisse von Baukränen und Hochhaus-Silhouetten in Dubai kann man sich vielleicht noch gut zusammen denken. Mit diesem Projekt, indem junge Komponisten die Stadt in ihrer musikalischen Essenz begreifen und interpretieren, wird an eine lange Tradition von Komponisten angeknüpft, die ihre Faszination an Orten in ihren Sinfonien oder anderen Musikstücken ausdrückten. Haydns Londoner Symphonien, Smetanas Moldau und Tschaikowskis Florentiner Erinnerungen sind nur einige prominente Beispiele. Dass allerdings ein Versicherungsdirektor aus einer mittelgroßen holsteinischen Stadt Yoko Ono anruft, um damit eine 18-jährige Geschichte an Coaching und Ausbildung des deutschen Pop- und Rockmusik Nachwuchses anzustoßen, ist sicherlich eine unglaublichere Geschichte.
 
Und auch die Kategorie Kleine Unternehmen darf keinesfalls beschmunzelt werden. Der Gewinner in dieser Kategorie, die Firma Hoppen Innenausbau GmbH, engagiert sich beispielsweise seit Jahren für das Niederrhein Musikfestival. Ehrenamtlich übernehmen die Inhaberfamilie und ihre Mitarbeiter den gesamten Bühnenbau, die Buchhaltung und unterstützen die Organisation. Dabei muss betont werden, dass die Hoppen GmbH aus ganzen 25 Mitarbeitern besteht. Und wie die Preisträger in ihrer Dankensrede bestätigten, hat das Engagement nachdrücklich die Unternehmenskultur verändert. Teamgeist und ehrliches Interesse am Festival haben sich entwickelt. Nicht nur die Kunden freuen sich, auch die Mitarbeiter haben die Musik zu einem Teil ihres Lebens gemacht.
 
Kleine Neckereien zwischen Preisträger und Stiftern wurden ausgetauscht: Wie schön, dass Sie auch mal mit ihrem Kulturengagement Schlagzeilen machen, lachte Hans Werner Kilz, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Stephan Heimbach von Siemens entgegen.
 
Auch Offenbarungen wurden ehrlich ausgesprochen. So musste Clemens Börsig, Vorstandsvorsitzender des Kulturkreises und Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten führender deutscher Unternehmen, nach dem Ablesen seines für ihn vorbereiteten Redetextes feststellen, dass ihm die gegenwärtigen Subkultur-Protagonisten wie Bushido zwar gut über die Lippen gingen, aber bis zu diesem Abend noch unbekannt gewesen waren.
 
Die Erkenntnis des Abends war sicherlich, dass neben den großen, in den Medien präsenten Projekten der führenden Unternehmen das Engagement des Mittelstandes mindestens genauso anzuerkennen ist, zumal es sich hier meist um regionale oder individuelle Förderungen handelt, die weniger kommerziell oder breitenwirksam sind. Am Ende der Preisverleihung wandte man sich im Atrium des Hauses der Deutschen Wirtschaft dem reichhaltigen Buffett und Getränken zu und diskutierte, wie man die Aktivitäten der kleinen und mittleren Unternehmen besser in der öffentlichen Wahrnehmung präsentieren könnte.
 
Die Aktivitäten des Kulturkreises haben tatsächlich Modelcharakter. Vielleicht wird Frau Ingrid Berggren-Merkel, Leiterin der Abteilung Kultur und Medien und Stellvertreterin des Kulturstaatsministers Bernd Neumann, demnächst ihren Kollegen aus dem Wirtschaftsministerium im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft eine ähnliche Unternehmung vorschlagen, zumal das Wirtschaftsministerium inzwischen auf der öffentlichen Seite mit einer direkten Förderung der Stiftung Preussischer Kulturbesitz engagiert ist. Und wir wissen ja nun: wer bohrt, kommt weiter.
 
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