17.07.2023

Themenreihe Personal

Autor*in

Susann Seifert
gründete nach fast 20 Jahren Tätigkeit in der Stadtverwaltung die "Erlebe was geht gGmbH". Dazu gehören mit der Farbküche Angebote zum Thema Graffiti, die partizipative Kultur-Initiative Stadtmensch Altenburg und das Gründerlabor Ahoi Altenburg.
Christian Horn
ist forschender Kulturmanager für Formate der Erinnerungskultur, Museumskonzepte und Ökosysteme für kreatives Tun. Nach dem Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und Betriebswirtschaft sowie nach Berufsstationen bei Kulturbetrieben im In- und Ausland ist er seit 2022 Kulturdirektor der Landeshauptstadt Erfurt.
Dirk Schütz
ist Gründer von Kultur Management Network und der Kulturpersonal GmbH. In den Bereichen Führung, Personalmanagement und Organisationsentwicklung arbeitet er als Berater, Coach und Trainer und unterrichtet als Dozent an Kulturmanagement-Studiengängen im deutschsprachigen Raum.
Fachkräftegewinnung in öffentlichen Kultureinrichtungen

Bestenauslese ohne die Besten?

Neue Bewerbungs- und Besetzungsverfahren scheitern in öffentlichen Kultureinrichtungen häufig an den Verwaltungsstrukturen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Inside Out" der Kulturdirektion Erfurt sprachen Christian Horn, Susann Seifert und Dirk Schütz darüber, was sich bei der Fachkräftegewinnung ändern muss, damit öffentliche Kulturbetriebe wieder attraktive Arbeitgeber werden.

Themenreihe Personal

Christian Horn: Liebe Susanne, was hat dich überzeugt, in den öffentlichen Dienst zu gehen? Warum wolltest du dort tätig sein und warum hast du dich dann doch anders entschieden? 
 
Susann Seifert: Meine Karriere im öffentlichen Dienst begann ganz unspektakulär mit einer Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten in der Stadtverwaltung, ein sicherer Job, der gut bezahlt wird. Nach verschiedenen Stationen wurde ich zur Graffiti-Beauftragten ernannt, mit der Aufgabe, illegale Graffiti und Schmierereien einzudämmen. Durch diesen Prozess bin ich der Graffiti-Kultur sehr nahegekommen und habe entdeckt, wie viele verschiedene Perspektiven es auf dieses Thema gibt. Es beschäftigte mich, wem die Stadt gehört, wer entscheidet, wie sie aussieht, und welche Rolle die Verwaltung spielt. Dabei merkte ich, dass das, was ich dort machen sollte, nicht zu dem passte, was in mir wuchs. Ich stieß immer wieder auf Widerstände, obwohl ich gut in meinem Job war. Wir erreichten eine Aufklärungsquote von 82 Prozent und erregten damit Aufsehen bis ins Innenministerium. Allerdings arbeitete ich in einer Umgebung, in der ich immer wieder gegen starre Strukturen und Zuständigkeiten ankämpfte. Ich merkte, dass die Aufgabe, als Dienstleister für die Menschen in der Stadt zu agieren, nicht immer stimmig war mit der Realität. Es stellte sich deshalb irgendwann für mich die Frage: Möchtest du hier den Großteil deines Lebens verbringen?
 
Christian Horn: Du hast dich also mit dem Ziel deiner Aufgabe identifiziert, aber das Verwaltungshandeln hat dir nicht geholfen? Im Gegenteil, es hinderte dich sogar daran, dein Ziel zu erreichen?
 
Susann Seifert: Genau, denn das Problem war, dass ich mich von den üblichen Verwaltungsroutinen entfernt und neue Denk- und Lösungsansätze entwickelt habe. Ich habe das Thema ganzheitlich betrachtet, denn repressives Vorgehen allein kann Graffiti nicht ändern. Man muss schauen, welche Akteur*innen es in der Stadt gibt, die irgendeinen Berührungspunkt damit haben, und diese müssen ins Boot geholt werden. Man muss mit ihnen zusammenarbeiten, aber auch loslassen und sagen, dass deren Kompetenz an dieser Stelle beginnt und sie sich dort entfalten dürfen. Aber im Verwaltungshandeln war es nicht gern gesehen, so offen und kooperativ zu arbeiten. Da habe ich gemerkt, dass ich etwas ändern muss. Ich habe mich immer gefragt, wofür ich eigentlich arbeite und was ich mit meiner Arbeit bewirke. Im öffentlichen Dienst gibt es diese begrenzenden Stellenbeschreibungen, in denen man gefangen ist und die wenig Raum lassen, um die Dinge zu tun, die in einem stecken. Dann gab es ein Gespräch mit unserer Personalabteilung und dabei fiel die Aussage: "Frau Seifert, das ist Ihre Stellenbeschreibung und darüber hinausgehendes Engagement möchten wir nicht." Ich habe den Raum verlassen und wusste, dass dies mein letzter Arbeitstag ist. Ich habe meine Sachen gepackt und bin gegangen. 
 
Christian Horn: Das ist ein guter Übergang, um Dirk Schütz zu fragen: Wenn du für einen Personalberatungsprozess kontaktiert wirst, hast du bestimmte Indikatoren, bei denen du denkst: "Hohes Vorhaben, aber die Voraussetzungen sind nicht gegeben"? Wo schöpfst du Mut und wo gibt es Situationen, bei denen du denkst: "Neue Farbe auf einer alten Wand, aber es wird sich nicht viel ändern"?
 
Dirk Schütz: Der Vorteil als Berater ist, dass man kuratieren kann, auch im Personalbesetzungsprozess. Es gibt Bedingungen, die dazu führen können, dass ein solcher Prozess nicht erfolgreich sein wird. Das können Entscheidungsprozesse, bestimmte finanzielle Voraussetzungen oder Zuschnitte von Stellen sein, die so nicht umsetzbar sind. Natürlich sind viele Projekte schwierig, oft auch unvorhergesehen. In den letzten Jahren und Monaten gab es eigentlich fast kein Projekt, bei dem ich vorhersagen sagen konnte, dass es so laufen wird, wie es dann gelaufen ist. Es gibt immer neue Entwicklungen, Überraschungen oder die Bedingungen im Arbeitsmarkt verändern sich. Aber selbst bei aussichtslos erscheinenden Verfahren habe ich die Möglichkeit, Dinge zu verändern und Menschen in Organisationen mitzunehmen, die sich sonst vielleicht nicht trauen, nicht den Überblick haben oder nicht wissen, wie sie vorgehen sollen. Dabei kann ich sie begleiten und ihnen helfen oder für sie die Verantwortung übernehmen und ihnen ein Ergebnis präsentieren, mit dem sie weiterarbeiten können. Daher gibt es für mich eigentlich kaum Situationen, in denen ich sage, dass das nicht passt. 
 
Christian Horn: Traust du dir zu, wenn du eine Stellenausschreibung siehst, zu beurteilen, ob sie erfolgreich sein wird oder nicht, auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt?
 
Dirk Schütz: Tatsächlich ist es oft so, dass ich durch meine Außenperspektive bestimmte Beschreibungen, Umschreibungen und Formulierungen besser kommentieren oder spiegeln kann. Zum Beispiel hatte ich einen Kunden, der eine Führungskraft suchte. Die Ausschreibung war so formuliert, dass alle Anforderungen in höchster Ausprägung gesucht wurden, kommunikative Fähigkeiten usw. Daraufhin habe ich angemerkt, dass man daraus lesen könnte, dass es in der Organisation extreme Probleme mit der Kommunikation gibt, dass da etwas nicht in Ordnung sein könnte oder dass die Bewerber*innen etwas reparieren müssen. Denn solche Übertreibungen und Formulierungen sind ja auch Signale. Das kann abschreckend wirken. Die Kund*innen waren sich dessen nicht bewusst. Sie dachten, wenn sie das als Anspruch formulieren, würden sie die besten Kandidat*innen bekommen. 
 
Christian Horn: Viele Organisationen beschreiben inzwischen in den Stellenausschreibungen, wie lebenswert ihr Standort ist. Ich finde so etwas sehr gelungen. Spricht so etwas Menschen an?
 
Dirk Schütz: Es kommt darauf an, was man damit signalisieren will. Das ist die Kunst dabei, Stellenausschreibungen zu erstellen und die richtige Ansprache für potenzielle Bewerber*innen und Kandidat*innen zu finden. Wenn aber die Bedingungen innerhalb der Verwaltung, im Team, im Miteinander schwierig sind, ist die Frage: Was nützt mir die schöne Stadt, wenn mein Arbeitsumfeld nicht meinen Werten oder meinem Anspruch entspricht? Das ist für mich immer der erste Schritt, wenn ich Aufträge übernehme oder Organisationen begleite: Ich sehe mir die Stelle an, die Bedingungen, das Umfeld, die Anforderungen, die Stellenbeschreibungen, wenn es sie gibt. Es gibt viele Einrichtungen und Kommunen, die gar keine Stellenbeschreibungen haben, oder wenn sie existieren, sind sie veraltet. Ich versuche also zu verstehen, wie die Organisation funktioniert, wie das System funktioniert, welche Art von Leuten sie wirklich brauchen. Häufig werden schon zu diesem Zeitpunkt und aufgrund dessen Änderungen vorgenommen, weil oft nicht darüber nachgedacht wird: Wo kann eine neue Person uns hinbringen? Was können wir zusätzlich erreichen? Wie ändert sich die Außenwelt in Bezug auf uns? Welche veränderten Anforderungen haben die Bürger*innen jetzt, unsere Stakeholder*innen? Man muss also prüfen, ob man die Stellenausschreibung und das Profil der Stelle verändern muss. Es ist nicht mehr ausreichend, einfach zu sagen: "Die Stelle ist frei geworden, und jetzt müssen wir jemanden neu einsetzen." 
 
Christian Horn: Wie wird dabei Erfolg definiert und wann gilt eine Stellenausschreibung als erfolgreich besetzt? Wenn der oder die Kandidat*in genau das erfüllt, was in der Stellenausschreibung steht? Oder gibt es auch eine emergente Komponente, bei der wir gemeinsam mit einer Person schauen, wie alles zusammenpassen und gemeinsam wachsen kann?
 
Dirk Schütz: Das ist eine ausgezeichnete Frage. Ich kann Erfolg niemals garantieren. Auch ich kann nicht immer sicher erkennen, ob eine Stellenbesetzung erfolgreich sein wird. Ich kann jedoch herausfinden, was notwendig ist, um die Ausschreibung den Bedürfnissen der Leser*innen näher zu bringen. Das führt uns wieder zu einer Vorarbeit, die oft nicht geleistet wird: Man muss sich überlegen, wen man eigentlich erreichen möchte. Ich möchte nicht irgendeine*n Mitarbeiter*in erreichen, sondern spezifische Personen mit spezifischen Fähigkeiten und eventuell sogar mit bestimmten Werten und Haltungen. Für mich ist eine erfolgreiche Besetzung dann gegeben, wenn es für beide Seiten langfristig funktioniert und Entwicklungspotential für beide Seiten besteht. Dabei spielt jede*r neue Mitarbeiter*in, der*die in ein Team oder ein System kommt, eine Rolle und verändert dieses. Daher ist es wichtig zu beobachten, was mit dieser Person und dem Umfeld geschieht. Während des Prozesses verändere ich deshalb oft Dinge und coache auch die Personen, die an der Auswahl beteiligt sind. 
 
Susann Seifert: Es ist großartig, wenn Verwaltungen solche Dienstleistungen in Anspruch nehmen. In unserer Kommunalverwaltung habe ich das nicht so erlebt und oft fehlen die finanziellen Ressourcen, um Stellen flächendeckend zu besetzen. Oft wird auch zu viel in eine Stelle gepackt oder zu viel erwartet. Eine Stelle mit Aufgaben im City Management, in der Soziokultur und im Onlinemarketing? Oft wird eine eierlegende Wollmilchsau gesucht. Jemand, der oder die gut ist, weiß, dass dies nicht umsetzbar ist. Ein guter Organisationsentwicklungsprozess im Vorfeld kann hier möglicherweise drei Runden Bewerbungen einsparen können.
 
Dirk Schütz: Für mich ist ein zentrales Thema das Wort "Wirkung". Welche Wirkung kann eine Person in dieser Position, in dieser Umgebung erzielen? Umgekehrt, welche Wirkung möchte die Organisation, die die Stelle ausschreibt, mit der Besetzung erzielen? Diese Fragen stellen sich viele Organisationen bei vielen Stellenausschreibungen nicht im Vorfeld.
 
Christian Horn: Ihr beide seid Unternehmer*innen im Kulturbereich. Welche Rollen spielen Führung und Recruiting in eurem Arbeitsalltag, vielleicht auch im Unterschied zu öffentlichen Kultureinrichtungen?
 
Susann Seifert: Ein Unternehmen zu gründen, war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, da ich mir die Rahmenbedingungen geschaffen habe, um mein Potenzial voll ausschöpfen zu können. In der Verwaltung hatte ich diese Rahmenbedingungen nicht. Mir fehlte es, Entscheidungen sofort treffen zu können. Heute bin ich eine Unternehmerin, die weitere Unternehmer*innen im Unternehmen beschäftigt - also Menschen mit unternehmerischem Denken, die ihre Aufgaben finden, die sehen, was zu tun ist, die mitdenken und sich Dinge erschließen. Solche Menschen können in den Strukturen der öffentlichen (Kultur-)Verwaltung oft nicht arbeiten, denn es fehlt ihnen die Flexibilität und der Freiraum. Aber: Bei all der Freiheit und dem Wachstum des Teams musste ich lernen, dass bestimmte Strukturen und ein gewisser Grad an Bürokratie wichtig sind. Daher musste ich einige dieser Elemente wieder einführen, wie zum Beispiel wöchentliche Dienstbesprechungen. Nicht alle Mitarbeiter*innen können mit Freiheit umgehen, sondern benötigen klare Strukturen, Anweisungen und eine klare Beschreibung ihrer Aufgaben. Das war für mich eine große Lernerfahrung.
 
Dirk Schütz: Genau, für mich als Unternehmer ist das Spannende, dass ich viel mehr von dem umsetzen kann, was ich will. Ich muss mich nicht an viele Formalitäten halten, sondern kann selbstbestimmt handeln, und das ist mir sehr wichtig. Natürlich muss ich die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen, aber das ist ein bewusstes Handeln. Wenn man Mitarbeiter*innen hat, werden diese Freiheiten eingeschränkt, weil man Rücksicht auf andere Menschen nehmen muss. Man muss als Führungskraft spezifisch auf Rahmenbedingungen, Bedürfnisse, Haltungen, Werte eingehen und das zu einem gemeinsamen Ganzen formen, das andere inspiriert, daran mitzuwirken. Meine Herangehensweise ist ähnlich: Ich möchte ebenfalls Unternehmer*innen in meinem Unternehmen haben. Wir legen großen Wert darauf, dass alle schnell eigenverantwortlich arbeiten und Entscheidungen treffen dürfen. Ich möchte auch nicht in die Situation kommen, in der ich denke, ich könnte alles perfekt. Ich möchte immer Rückmeldung erhalten, wo ich noch Verbesserungsbedarf habe. Dazu führen wir viele Gespräche, sowohl in formellen Meetings als auch in informellen Diskussionen, etwa während ausgedehnter Mittagspausen. Glücklicherweise habe ich Mitarbeiter*innen, die sich selbst in Führungsrollen begeben und mir Feedback geben oder Dinge von mir einfordern. Ich habe immer ein Korrektiv und sie wissen, dass sie mich in die Pflicht nehmen können. Eine solche Arbeitsweise ist in öffentlichen Organisationen eher ungewöhnlich.
 
Christian Horn: Wirken sich diese Herangehensweise auch auf das Recruiting aus?
 
Dirk Schütz: Ja, definitiv. Wir versuchen unseren Spirit auch in unserer Außendarstellung zu vermitteln. Zum Beispiel hat unser "Kuchen des Monats" sich aus der Idee entwickelt, unser Team und das, was bei uns passiert, stärker auf Social Media zu präsentieren. Neben den fachlichen Inhalten wollten wir auch einen Einblick in unser Leben als Unternehmen und Team geben. Und weil wir regelmäßig gemeinsam Kuchen essen, haben wir angefangen, den "Kuchen des Monats" auf Instagram zu posten. Die Resonanz war groß und das hat dazu beigetragen, dass die Leute besser verstehen, wie wir ticken. Und manche unserer Mitarbeiter*innen haben sich explizit aufgrund des "Kuchens des Monats" bei uns beworben. Wir greifen das auch in unseren Stellenausschreibungen auf, formulieren diese sehr frei und versuchen, attraktiv zu sein und Menschen anzusprechen, die in jeder Hinsicht zu uns passen, nicht nur hinsichtlich ihrer Erfahrungen.  
 
Susann Seifert: Wir präsentieren uns nach außen in der Stadt genau so, wie Dirk beschrieben hat. Die Menschen können an dem teilhaben, was im Unternehmen passiert. Sie können die Arbeitsräume sehen, das Miteinander erleben. Wir sind authentisch, wir verstellen uns nicht. Das lässt sich auch auf Verwaltungen und andere Unternehmen übertragen. Offenheit, Menschlichkeit, gegenseitige Wertschätzung, ein angenehmes Arbeitsumfeld und Freiräume zur persönlichen Entwicklung sind essentiell. Ich glaube, das sind Aspekte, die besonders junge Menschen schätzen. Wir bekommen so viele Anfragen, wir könnten jeden Monat jemanden ausbilden. Schulen melden uns sogar zurück, dass Kinder bei der Angabe ihres Berufswunsches "Farbkleckse" angeben. 
 
Christian Horn: Wenn wir diese Prinzipien auf die (Kultur-)Verwaltung übertragen: Werte, Visionen und eine Mission sind im öffentlichen Dienst oft nicht ausreichend definiert. Können Mission Statements etwas an der Personalsituation ändern?
 
Dirk Schütz: Was bringen gut formulierte Mission Statements, wenn sie nicht gelebt werden? Man kann auch ohne sie auskommen, solange man die dahinterstehenden Werte und Ziele verinnerlicht und authentisch präsentiert. Am Ende des Tages, wenn man sich die grundlegende Aufgabe der Verwaltung anschaut - für die Bürger*innen da zu sein - ist das bereits ein starkes Statement. Wenn man dieses Versprechen einlöst und bürgernah ist, ist viel gewonnen.
 
Susann Seifert: Genau, wenn solche Dinge entwickelt und aufgeschrieben werden, müssen sie vor allem intern gelebt werden. Mitarbeiter*innen sind die besten Botschafter*innen für eine Organisation, und wie sie über ihre Organisation sprechen, wird gehört. Ich hätte mir einen Kulturwandel in der Verwaltung gewünscht, bei dem nicht alles von oben nach unten vorgegeben wird, sondern bei dem die Arbeitgebermarke gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen entwickelt wird. Dabei sollten die Werte, Wünsche, Bedürfnisse und Versprechen aller einfließen. Dies sollte ein kontinuierlicher Prozess sein, bei dem immer wieder überprüft wird, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Und es muss authentisch sein. Ich sehe immer wieder Versuche, mit Marketingkampagnen Personal zu gewinnen. Aber wenn ein*e Bewerber*in in der Organisation ankommt und gegen eine Wand läuft, weil das Bild, das vermittelt wird, nicht der gelebten Realität entspricht, ist nichts gewonnen. 
 
Christian Horn: Dirk, du bist bereits sehr lange in diesem Bereich tätig. Hast du in den letzten Jahren Fortschritte in der Verwaltung gesehen, ein Bewusstsein, das eine Anerkennung dieser Punkte und ihre Implementierung beinhaltet? 
 
Dirk Schütz: Nun, es gibt gute und schlechte Beispiele. Wenn wir den Kulturbereich betrachten, ist das Personalthema immer noch in den Anfängen. Vor 13 Jahren veranstaltete ich den ersten Kongress zum Thema Personalmanagement in der Kultur im deutschsprachigen Raum. Ich gründete die erste Agentur mit, die Personalberatung für Kultureinrichtungen anbietet. Und dabei habe ich gesehen, wie langsam dieses Thema in diesem Bereich vorankommt, obwohl es eines der Wichtigsten ist. Wenn man auf die Etats der Häuser schaut, macht Personal einen riesigen Anteil aus. Doch es wird so wenig investiert, so wenig darüber nachgedacht, so wenig professionalisiert. Das ist nicht immer eine Frage des Geldes oder der Größe, sondern es geht um das, was man lebt. Auch kleine Organisationen können ein positives Arbeitgeberimage entwickeln, ohne ein Modell oder ein Konzept, einfach aus ihrer Liebe zur Tätigkeit und der Art und Weise, wie sie sich im Team fühlen und wie sie dies nach außen tragen wollen.
 
Christian Horn: Zum Ende gebe ich euch noch eine Carte blanche, eine Freifahrt. Gibt es etwas, das ihr noch nicht loswerden konntet, was ihr zu diesem Thema eigentlich schon längst hätten sagen wollen?
 
Dirk Schütz: Ich erlebe täglich, wie schwer es ist, Stellen zu besetzen und geeignete Mitarbeiter*innen zu finden. Die Personalverantwortlichen und die Leitungsebene von Organisationen müssen wirklich aufwachen und sicherstellen, dass die Besetzung von Stellen nicht erst in dem Moment beginnt, wenn man jemanden sucht, sondern dass man weit vorausschaut. Es gibt so viele Kontaktpunkte zu potenziellen Mitarbeiter*innen, so viele Möglichkeiten, Menschen für die Arbeit in der eigenen Organisation zu interessieren und den Spirit und das Besondere im eigenen Team nach außen zu tragen. Es geht darum, dass man als Arbeitgeber attraktiv sein muss. Leider wird dieses Potenzial zu wenig genutzt, und es sollte viel mehr passieren. 
 
Christian Horn: Damit lenkst du die Aufmerksamkeit auf Stellenpläne in den Kommunen und die Hartnäckigkeit, diese Stellenpläne zu verändern. Das hat auch mit einem Umdenken in den Köpfen der Verwaltungsspitze zu tun, mit dem Finden neuer Wege in die Zukunft. 
 
Dirk Schütz: Es ist auch eine Frage der Zeit. In vielen Einrichtungen dauern die Bewerbungs- und Besetzungsprozesse extrem lange, weil die notwendigen Schritte nicht im Vorfeld strukturiert, koordiniert und rechtzeitig zusammengebracht werden. Dadurch gehen potenzielle Kandidat*innen verloren. Es ist ein Bewerber*innenmarkt, das bedeutet, dass ich als Einrichtung dafür kämpfen muss, dass die besten Kandidat*innen zu mir kommen, und nicht umgekehrt. Je länger der Entscheidungszeitraum ist, desto kleiner wird der Bewerber*innenpool. Es wäre hilfreich, schneller zu werden und viele Überlegungen im Vorfeld anzustellen. Natürlich müssen Gleichstellungsbeauftragte, Betriebsräte und andere Beteiligte eingebunden und bestimmte Prozesse im Personalbereich durchgeführt und festgelegt werden. Aber sie könnten besser synchronisiert und verkürzt werden und nicht erst erfolgen, wenn man schon eine Vorentscheidung getroffen hat, denn aufgrund des Wartens springen dann die besten Kandidat*innen ab. 
 

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