02.05.2023
Themenreihe Berufsbild
Autor*in
Maria Lesk
studierte Medien- und Kommunikationswissenschaft und Anglistik/Amerikanistik. Sie begann nach ihrem Magisterabschluss 2013 bei Daedalic Entertainment in Hamburg ein Praktikum und wurde anschließend fest angestellt. Sie baute den Bereich Customer Support neu auf und leitet seit 2016 gemeinsam mit einem Kollegen die Localization Abteilung der Firma als Localization Director.
Johannes Hemminger
studierte Philosophie sowie Neuere und Neueste Geschichte in Tübingen und arbeitete danach im Marketing, Community Management und Projektmanagement in der Videospielbranche. Von 2021 bis 2023 war er Redakteur bei Kultur Management Network.
Berufsbilder im Kulturbereich
Localization Director in der Gamesbranche
In der Kulturarbeit spielen Übersetzungen eine große Rolle. Um internationale Publika und Kund*innen anzusprechen, braucht es neben dem sprachlichem auch kulturelles Gespür. Deshalb gibt es in der Gamesbranche den Aufgabenbereich der Localization. Neben der reinen Übersetzungsarbeit gehören dazu auch viele Managementaufgaben, wie Maria Lesk von der Spieleentwicklungsfirma Daedalic erklärt.
Themenreihe Berufsbild
Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
Mein Job bei Daedalic ist tatsächlich meine erste und bisher einzige Stelle seit dem Abschluss meines Magisterstudiums vor zehn Jahren. Vorher habe ich nur im Rahmen des Studiums Praktika absolviert, die mir zum Teil aufgezeigt haben, wo ich eher nicht arbeiten möchte. In die Spielebranche zu gehen, stand vorher nicht auf meinem Plan; es ergab sich durch Zufall. Da Gaming aber ein großes Hobby von mir ist, war der Schritt sehr natürlich. Innerhalb meiner Firma habe ich verschiedenste Stellen und Stationen durchlebt. Ich begann meine Arbeit in der Qualitätssicherung (QA), dann baute ich den Bereich Customer Support von Null auf und war viele Jahre dafür verantwortlich. Hierbei handelt es sich um den technischen Kundensupport, den unsere Spieler*innen nutzen können, wenn sie im Spiel aus verschiedensten Gründen Probleme haben. Ich habe dabei täglich Mails und Anfragen beantwortet, noch unbekannte Probleme an unsere internen Teams weitergeleitet und schließlich auch ein Webportal inhaltlich und konzeptionell aufgebaut, auf der das gesammelte Wissen nun frei zugänglich ist und welches bei jedem Spielerelease weiter gepflegt wird. Diese Station war besonders prägend, da ich die alleinige Verantwortung und Führung für diesen Bereich übernahm, etwas aufbauen und optimieren konnte und dabei festgestellt habe, dass mir das sehr liegt. Jetzt, nachdem ich den Bereich abgegeben habe, merke ich, dass mir noch immer sehr am Herzen liegt, was ich dort geschaffen habe.
Schließlich wurde mir angeboten, die Localization Abteilung innerhalb der Firma zu übernehmen. Ich sah es als Herausforderung und nahm das Angebot an. In dieser Abteilung fühle ich mich nach all den Jahren angekommen und sehr wohl. Ich habe das Gefühl, mich hier komplett ausleben zu können, und liebe meine tägliche Arbeit sehr.
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Welche erfüllen Sie dabei mit besonderer Freude?
Als Localization Director organisiere ich in meiner täglichen Arbeit die Übersetzungen all unserer Spiele; sowohl der eigenen Produktionen als auch der Titel, die wir als Publisher auf den Markt bringen. Jedes Computerspiel hat Text, wie zum Beispiel Dialoge, Menütexte, Dokumente, Beschreibungen etc. Diese übersetzen wir in durchschnittlich 10+ Sprachen, damit so viele Menschen wie möglich unsere Spiele in ihrer Muttersprache erleben können. Ich bin dabei die Schnittstelle zwischen den Spieleentwickler*innen und unseren weltweit angesiedelten Übersetzer*innen. Ich setze Timelines auf, wähle die passenden Übersetzungsteams aus, beantworte Fragen, löse Probleme und bin Hauptansprechpartnerin für alle Seiten. Außerdem organisiert mein Department die Sprachaufnahmen, die bei einigen Spielen ebenfalls von uns übernommen werden. Dabei helfen wir bei der Gestaltung des Aufnahmeskripts, der Auswahl und Kommunikation mit unseren Tonstudios, betreuen Castings und die Aufnahmen selbst.
Zum Großteil handelt es sich dabei um eine Managementposition, bei der man den Überblick behalten muss. Gerade dieser Aspekt meiner Arbeit liegt mir und macht mir Spaß. Ich liebe generell die Arbeit mit Sprachen und Text, tausche mich gerne mit Menschen aus der ganzen Welt aus. Da wir viele Spiele betreuen, macht es mir Freude, mich immer wieder auf ein neues Team und ein neues Spiel einzulassen und zu helfen, wo ich kann. Mit jedem neuen Projekt kommen neue Herausforderungen auf uns zu und ich mag die Abwechslung, die damit verbunden ist.
Von Zeit zu Zeit jedoch kann auch ich direkt mit den Texten unserer Spiele arbeiten und selbst übersetzen oder editieren. Diese willkommene Abwechslung macht mir sehr viel Freude, denn Übersetzung ist eine kreative Arbeit, die ein anderes Skillset benötigt. So kann ich die kreative Komponente, die mir sonst in meiner tagtäglichen Arbeit fehlen würde, selbstständig einbauen.
Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
Ich habe einen Magisterabschluss in Medien- und Kommunikationswissenschaften und Anglistik/Amerikanistik. Beide Studiengänge kommen mir in unterschiedlicher Art und Weise zugute. Da ich jeden Tag Englisch in Wort und Schrift brauche, hat mein Anglistikstudium mich dafür perfekt vorbereitet - natürlich auch im Hinblick auf Übersetzungen und Korrekturen, die ich selbst mache.
Im Bereich Medienwissenschaft konnte ich mir meine Schwerpunkte selbst legen und habe viel über Film und Fernsehen gelernt, was mir besonders im Bereich Filmen und Videobearbeitung weitergeholfen hat. Die im Studium angeeigneten Kenntnisse in Kameraarbeit und Schnitt konnte ich auf Messen und im Social Media Bereich anwenden, was mir immer sehr viel Spaß gemacht hat. Das ist aber nicht Teil meiner tagtäglichen Tätigkeit.
Die Fähigkeit, strukturiert und organisiert zu arbeiten, die ich nun tagtäglich brauche, wurde auch in meiner Studienzeit besonders geformt.
Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
Da ich einen geisteswissenschaftlichen Studienzweig belegt habe, kamen generell die praktischen Anwendungen und Übungen zu kurz. Die einzigen Einblicke in die Praxis konnten die Pflichtpraktika liefern, die aber häufig nur einen kleinen Ausschnitt einer speziellen Tätigkeit abbilden konnten. Ich fühlte mich nach dem Studium nicht ausreichend vorbereitet auf einen potentiellen Arbeitsalltag, zumal der Studienzweig eine Vielzahl an möglichen beruflichen Wegen eröffnete. Alle Kompetenzen musste man sich direkt im Job erarbeiten, also learning by doing. Relativ viel von dem, was ich jetzt gerade mache, habe ich während des Jobs selbst gelernt. Das war allerdings kein Problem, denn die Branche ist sehr offen für Quereinsteiger*innen oder lässt Menschen in ihre Arbeitsbereiche hineinwachsen.
Das Medium Computerspiele kam als Thema kaum in meinem Studium vor. Ich habe ─ auch aus eigenem Interesse ─ alles zu diesem Bereich selbst eingebracht, beispielsweise in Referaten oder meiner Magisterarbeit. In dieser habe ich mich mit den Wechselbeziehungen und der Ästhetik der beiden Medien Film und Computerspiel beschäftigt und wie sie im intermedialen Bezug zueinanderstehen. Ich hätte mir gewünscht, über die gesellschaftliche und künstlerische Relevanz von Games mehr im Studium zu erfahren. Dass die Gamesbranche für Menschen mit einem kultur- oder geisteswissenschaftlichen Studium ein spannender Arbeitgeber sein kann, geht so vielleicht an vielen vorbei.
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
Im kleinen Kosmos unserer Firma Daedalic hat sich der Beruf dahingehend verändert, dass wir heute sehr viel mehr Sprachen in die Spiele einbauen und dies auch immer professioneller tun. Gleichzeitig ist das Arbeitspensum stark angestiegen, denn nicht nur müssen wir uns um mehr Sprachen kümmern, sondern auch um mehr Spiele, die gleichzeitig in der Entwicklung und unserer Betreuung sind.
Im größeren Bild betrachtet, entwickelt sich die Gamesbranche generell sehr schnell, da das Medium immer im Wandel ist. So können der Arbeitsalltag, die Anforderungen und Parameter meines Jobs in jeder Firma anders aussehen. Ich merke es besonders im Austausch mit anderen Lokalisierungsprofis aus der Branche, dass sich die typischen Arbeitstage doch sehr unterscheiden können, insbesondere ob man sich nur um eines, oder um sehr viele Spiele gleichzeitig kümmern muss, oder welche Softwaretools in der täglichen Arbeit benutzt werden. Nur das Wissen, die Erfahrungen, Erkenntnisse und best practices überschneiden sich und werden im Austausch auf Konferenzen, Messen oder anderen Treffen gefestigt und weitergetragen.
Ich persönlich wünsche mir, dass die Gamesbranche in Zukunft diverser und inklusiver wird. Da gibt es in den vergangenen Jahren schon positive Entwicklungen, aber es ist noch viel zu tun. Games sollten von allen Menschen für alle Menschen gemacht werden. Es wäre ein großer Mehrwert, mehr Menschen verschiedenster Herkunft und Identität in der Spieleentwicklung sprechen und arbeiten zu lassen, denn so bleibt die Branche modern, mutig und relevant.
Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen Kulturmanager*innen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
Ich erinnere mich gut an die starke Enttäuschung, die ich in meinem zweiten Praktikum bei einer Fernsehproduktionsfirma erfahren habe. Ich hatte meinen Fokus im Studium auf Film und Fernsehen gelegt und war mir relativ sicher, dass es mich beruflich in diesen Bereich ziehen wird. Die tatsächliche Arbeit während des Praktikums war desillusionierend und demotivierend. Hinter den Fernsehbeiträgen, an denen ich mitgearbeitet habe, konnte ich nicht guten Gewissens stehen, weil sie für mich weder künstlerischen Anspruch noch kulturellen Mehrwert hatten. Ich wollte an etwas arbeiten, was auch lange nach der Veröffentlichung Menschen Freude bereiten und begeistern kann, doch das Fernsehen war mir zu schnelllebig. Auch wenn das nur ein kleiner Ausschnitt aus der Welt der möglichen Berufe in diesem Bereich war, merkte ich, dass ich mir nicht mehr so sicher über meinen Weg nach dem Abschluss des Studiums sein konnte. Die Jobsuche war sehr schwierig, da ich das Gefühl hatte, nirgendwo reinzupassen und nie das richtige für mich zu finden. Ich war sehr anspruchsvoll und schloss viel von Vornherein aus. Zu meinem jetzigen Job fand ich dann durch einen Kontakt, eine Initiativbewerbung und ein Gespräch, in dem meine Kenntnisse und Interessen als passend eingeschätzt wurden. Nach diesem Gespräch wurde mir dann eine ganz andere Position angeboten, als die, auf die ich mich eigentlich beworben hatte. Ich kann daher nur den Tipp geben, sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen, wenn ein ursprünglicher Plan nicht aufgeht. Eine Enttäuschung sollte kein schwarzes Loch nach sich ziehen, denn es gibt viele alternative Wege und Routen, die man einschlagen kann.
Man sollte nicht ─ wie ich ─ so überwältigt vom Angebot sein, dass man wie gelähmt alles kategorisch ablehnt, sondern mit offenem Herzen und klarem Blick nach Innen herausfinden, was einem gefällt, wo man sich sieht, welche Tätigkeit eine Erfüllung sein kann und wo man eventuell einfach mal etwas wagen will und muss.
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