17.07.2008
Autor*in
Veronika Schuster
ist ausgebildete Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie hat mehr als 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Co-Kuratorin für verschiedene Ausstellungsprojekte und Kultureinrichtungen gearbeitet. Sie verantwortet bei Kultur Management Network die Leitfäden und Arbeitshilfen und arbeitet als Lektorin und Projektleiterin für unterschiedliche Publikationsformate.
Management aus Sicht der Professoren
4 Fragen an ...
Kulturmanagement Network fragt Dozenten des Fachs Kulturmanagement zu ihren Ansichten über Management.
Welche Managementautoren und -theorien haben Sie auf Ihrem persönlichen Weg beeinflusst und geprägt?
Prof. Dr. Armin Klein (PH Ludwigsburg): Im Management allgemein Peter F. Drucker, Tom Peters, Robert Waterman; im Marketing Philip Kotler und François Colbert; in der Organisationstheorie Niklas Luhmann und Kets de Vries.
Prof. Birgit Mandel (Universität Hildesheim): Weniger Theorien und Autoren aus der allgemeinen Managementlehre als viel mehr diejenigen Autoren, die schon früh versucht haben, Managementkonzepte für den Kunst- und Kultursektor zu entwickeln (Armin Klein, Werner Heinrichs, Giep Hagoort). Sehr erkenntnisreich für das Kulturmanagement waren für mich zudem die Forschungsergebnisse des britischen Arts Council im Bereich Audience Development.
Dr. Rolf Keller (Universität Basel): Peter Schwarz mit seinem "Management in Nonprofit Organisationen", weil er als Wegbereiter des Freiburger Management-Modells für NPO Grundlagen auch für ein kohärentes Kulturmanagement legte; Fredmund Malik mit "Führen Leisten Leben", weil sein Verständnis von Management Komplexität berücksichtigt und nicht simpel technokratische oder betriebswirtschaftliche Machbarkeit postuliert, sowie Werner Heinrichs Einführung in das Kulturmanagement, weil er die Eigengesetzlichkeit der Kultur als gegeben akzeptiert und dem Kulturmanagement eine primär dienstleistende, ermöglichende Funktion zuschreibt, was ja gestaltendes Handeln nicht ausschließt.
Prof. Dr. Hermann Ayen (ISW Freiburg): Die zentrale Figur in meinem Wirtschaftsstudium in St. Gallen war Hans Ulrich: Die Unternehmung als produktives soziales System war in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts ein vollkommen neuer Ansatz in den Wirtschaftswissenschaften. Management verlor den Anweisungscharakter und Reiz- Reaktionscharakter und verstärkte den Ansatz zum Problemlöser und systemorientierten Gestalter. Damit war ein weiterer Themenkreis erschlossen: die Ethik in der Wirtschaft. Und hier war für mich Hans-Christoph Binswanger wegweisend auch er Professor in Sankt Gallen und Erfinder der ökologischen Steuerreform.
Welche Managementparadigmen werden Ihrer Meinung nach das Kulturmanagement der nächsten Jahre bestimmen? Sehen Sie Grenzen im Versuch, Managementtheorien für den Kulturbereich anzuwenden?
Prof. Dr. Armin Klein: In den nächsten Jahren wird es vor allem um Fragen des Strategischen Kulturmanagements und der Besucherorientierung gehen, d.h. um die Entwicklung von klaren Visionen und entsprechenden Strategien, diese umzusetzen. In den Mittelpunkt wird die Besucherorientierung treten, weil durch den demographischen Wandel (Alterung der Gesellschaft, Migration etc.) sich hier tiefgreifende Veränderungen ergeben werden.
Prof. Dr. Birgit Mandel: Kulturmanager sind weniger in öffentlichen Institutionen fest angestellt, stattdessen selbständig in immer neuen Projekten unternehmerisch tätig. Diese neuen Kulturvermittler finden Nischen für Leistungen, die bislang nicht angeboten wurden und sie schaffen neuen Bedarf, häufig in Grenzbereichen zwischen Kultur und Wirtschaft oder Bildung. Kulturmanager können außerdem dazu beitragen, den Einflussbereich von Kunst und Kultur weit über den Kultursektor hinaus auszuweiten. Es geht ihnen dann nicht mehr nur darum, Nachfrage für Kulturinstitutionen zu generieren, sondern zur Gestaltung des kulturellen Lebens in der Gesellschaft beizutragen, das über die Organisation professioneller Kunst hinausgeht.
Dr. Rolf Keller: Die Einsicht wird wachsen, dass Kulturmanagement keine klar abgrenzbare Disziplin, sondern ein "Fächer von Fächern" ist. Dessen einzelne Segmente passen situativ ihre Bedeutung und Funktion an, um den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden: in der Interpretation, Bewältigung und Gestaltung des komplexen Zusammenspiels von kulturellen Inhalten mit interdisziplinär abgestütztem Handwerk geht Kulturmanagement weit über clevere Besucherbindungsstrategien hinaus und wird letztlich zum anspruchsvollen "Management of Meaning". Herkömmliches betriebswirtschaftliches Know-how allein genügt dieser Vielschichtigkeit mit Sicherheit nicht.
Hermann Ayen: Ich bin überzeugt, dass zwei Aspekte unser Kulturmanagement in den kommenden Jahren beherrschen werden. Eine weitere systemtheoretische Orientierung der Lehre. Hier wird Luhmann Eingang finden in alle theoretischen und dann auch managerialen Gedanken und Verhalten. Erste Ansätze finden wir bei Martin Tröndle in seinem Buch "Entscheiden im Kulturbetrieb". Das Event als Inhaltssubstitut im Kulturmanagement wird zurückgefahren. Wir werden verstärkt wieder Arts Management betreiben und weniger "Hallodri". Und was die Grenzen betrifft: Sobald wir mit Künstlern zu tun haben, versagen die üblichen "Management by" - Theorien.
Welche Aspekte des Managements müssten in der Kulturmanagementausbildung stärker Berücksichtigung finden?
Prof. Dr. Armin Klein: Sehr viel mehr strategisches Denken (Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Was sind unsere Stärken?) anstelle von Fragen der operativen Umsetzung (Wie wird das finanziert? Wie wird das organisiert?)
Prof. Dr. Birgit Mandel: Zunächst die Auseinandersetzung mit den Künsten als Möglichkeit, Qualitätskriterien zu entwickeln und als Chance, künstlerische Denk- und Handlungsprinzipien in das Management einzubringen. Des weiteren die Beschäftigung mit kulturpolitischen, soziologischen und kulturvermittelnden Fragestellungen, um Ziele und Visionen für das kulturmanageriale Handeln reflektiert entwickeln und vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse umsetzen zu können. Ziel der Kulturmanagement-Ausbildung ist die Herausbildung von Experten, die die Funktionen und Prinzipien des Kulturbetriebs nicht nur lesen und deuten können, sondern auch in der Lage sind, neue Organisations- und Inszenierungspraktiken zu erfinden vor dem Hintergrund einer eigenen kulturellen und kulturpolitischen Mission.
Dr. Rolf Keller: Das, was weiter oben zu den künftigen Paradigmen ausgeführt wurde. Überdies gebühren in Zeiten, die eine kommerzialisierte Eventkultur gerne der Kultur mit gesellschaftlich Sinn stiftender Kraft vorziehen, Ethik und Verantwortung auch im Kulturmanagement erhöhte Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Hermann Ayen: Auf der einen Seite Projekte und damit Praxisnähe. Außerdem die Erhöhung logischen Denkvermögens. Neben der Breitenbildung über alle Kulturbereiche gehört die Möglichkeit zur Spezialisierung auf ein oder zwei Bereiche dazu, so wie jetzt schon an der ISW Business School üblich.
Ihre aktuelle Management-Buchempfehlung:
Armin Klein: "Management im 21. Jahrhundert" von Peter Drucker
Birgit Mandel: Das 1. Jahrbuch für Kulturmanagement in Forschung und Lehre im deutschsprachigen Raum, das im November diesen Jahres erscheinen wird.
Rolf Keller: "Kunst vor Management" von Walter Boris Fischer
Hermann Ayen: "Der Ursprung des Kunstwerkes" von Martin Heidegger
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