29.02.2016

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Kultur in der Welt von morgen

Wie kann sich Kulturmanagement an der Zukunftsstadt beteiligen?

Im März endet das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerufene Wissenschaftsjahr Zukunftsstadt. Es beschäftigte sich mit der Frage, wie Städte zu nachhaltigen Wohn- und Wirtschaftsorten werden können. Unzählige Projekte und Veranstaltungen wurden für diesen Anlass ins Leben gerufen und auch künstlerische Ansätze nicht außer Acht gelassen. Beiträge von KulturmanagerInnen zu ihren Aufgaben in der Zukunftsstadt fehlten hingegen völlig. Deshalb begeben wir uns in dieser Reihe auf eine Spurensuche.
Wenn man sich die zahlreichen Ansätze und Forschungen zur Zukunftsstadt anschaut, trifft man auf Themen wie neue Formen der Mobilität, Green Energy, Wohn- und Lebensräume, technische Entwicklungen, digitale Vernetzung oder Big Data. Sie scheinen auf den ersten Blick recht wenig mit Kulturmanagement zu tun zu haben. Warum, wie und wo sollten sich KulturmanagerInnen also hier einbringen? Nun, auf den zweiten Blick stehen dahinter Fragen nach städtischen Infrastrukturen, nach einer erneuerten öffentlichen Verwaltung, nach Faktoren der Standortattraktivität, nach Identität, Werten, Gemeinschaft und den Bedürfnissen der Bürger. Und auf einmal ist Kulturmanagement nicht mehr so weit weg.
 
Man muss nicht allzu sehr um die Ecke denken, um darauf zu kommen. Die Gesellschaft braucht Kultur, um ihre Werte, Identitäten und Gemeinschaft zu reflektieren, so das Credo. Aber warum finden sich dann kaum KulturmanagerInnen sei es aus öffentlichen Institutionen, kreativen Initiativen oder der Forschung in solchen Projekten? Partizipation ist ein zweischneidiges Schwert im Kulturmanagement. Einerseits möchte man, dass Besucher über Teilhabe eine Bindung zum eigenen Haus aufbauen. Andererseits tut man sich aus verschiedensten Gründen oft schwer damit, an Projekten zu partizipieren, die über die Zukunft der eigenen Institution hinausgehen. Doch wer sollte die Aufgaben von KulturmanagerInnen in der Zukunftsstadt gestalten, wenn nicht sie selbst?
 
Kulturmanagement = Kultur ermöglichen
 
Kultur zu ermöglichen bedeutet auf der einen Seite, die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen positiv zu gestalten und damit Freiraum für die Kunst zu schaffen. So entstanden zum Thema Zukunftsstadt auch einige künstlerische Projekte: Das 15. Internationale Literaturfestival Berlin präsentierte beispielsweise mit den Programmen Visions 2030. Authors and Scientists on the Future of Cities und Stadtgespräche internationale AutorInnen, die Texte zu Zukunftsvisionen der Stadt mit WissenschaftlerInnen aus unterschiedlichen Disziplinen diskutierten. Die DASA Arbeitswelt in Dortmund setzte im Januar Fragen nach der Zukunft von Museum und Stadt im Rahmen ihres jährlichen Szenografie-Kolloquiums künstlerisch um. Design-StudentInnen der örtlichen Fachhochschule gestalteten dafür die Kunststadt Museopolis. Sie diente als Grundlage für Diskussionen mit BesucherInnen, KünstlerInnen, lokalen AkteurInnen und Fachleuten zur künftigen Rolle von Museen als Orte von Erinnerung, Identität, des Hinterfragens und Austauschens.
 
Kulturmanagement = überinstitutionelle Strukturen beeinflussen
 
Kultur ermöglichen kann aber auch bedeuten, dass KulturmanagerInnen die gesellschaftlichen und politischen Prozesse und Strukturen mitprägen sollten, die Kunst erst möglich machen. Im Wissenschaftsjahr Zukunftsstadt wurden diese Prozesse mit Konzepten zum künftigen Zusammenleben oder der Gestaltung von Städten behandelt. Auch das eng mit dem Wissenschaftsjahr verbandelte Projekt Fraunhofer Morgenstadt, das Vertreter aus Wissenschaft, Kommunen und Wirtschaft vereint, erforscht künftige ökonomische, technische und infrastrukturelle Aspekte.
 
Beide Projekte das Wissenschaftsjahr und die Morgenstadt beschäftigen sich dabei auch mit Fragen zur künftigen Wandlungsfähigkeit und Attraktivität der (Innen-)Städte. Es scheint nicht abwegig, KulturmanagerInnen als ExpertInnen für sich wandelnde Identitäten, Gemeinschaft, Standortattraktivität und Markenentwicklung hier einzubeziehen. Auch das Thema Kreativwirtschaft gewinnt in Hinblick auf ökonomische und kulturelle Aspekte der Städte der Zukunft an Bedeutung. Trotzdem findet Kultur keine Erwähnung in den Themen der Morgenstadt und des Wissenschaftsjahres. Allein im Arbeitskreis Transformationsmanagement der Nationalen Plattform Zukunftsstadt gibt es einen Professor für Kulturwissenschaften.
 
Dem zukunfts- und gesellschaftsprägenden Aspekt der Kultur sei man sich bei der inhaltlichen Konzeption, der Zusammensetzung der Gremien oder der Suche der Projektpartner schlicht nicht bewusst gewesen, sagte uns Prof. Dr. Michael Krautzberger, Sprecher der Morgenstadt-Initiative. Kulturelle Lobbyarbeit gab es wenig, auch von Seiten der Ministerien oder der Bundesministerin für Kultur und Medien kamen keine entsprechenden Vorschläge. Bereiche wie Mobilität und Technologie seien einfach präsenter bei den beteiligten Ressorts, fügte Krautzberger hinzu. Es ist also auch eine Aufgabe der KulturmanagerInnen selbst, ihre Expertise für gesellschaftliche Fragen stärker an entsprechende Gremien und Entscheider zu kommunizieren und sich an Projekten und Forschungen zur Zukunftsstadt zu beteiligen.
 
Kulturmanagement voller Ideen
 
Der nationale Wettbewerb "Deutschland Land der Ideen" schreibt jährlich ein Oberthema aus, für das sich AkteurInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Bildung und Verwaltung bewerben können. Obwohl kulturelle und soziale Innovation hier neben technischer spezifisch berücksichtigt wird, gab es beim 2015er Thema »Stadt, Land, Netz!« wie auch in den Vorjahren nur sehr wenige Bewerbungen aus diesem Bereich. Auch öffentliche Einrichtungen, Vereine und Stiftungen treten eher als Projektpartner denn als Initiatoren auf. Von einem mangelnden Interesse an Kultur von Seiten der Initiatoren kann also keine Rede sein, sondern vielmehr von einer mangelnden Aktivität der KulturmanagerInnen.
 
Ein Blick auf den Report zu den Wettbewerbs-Gewinnern der letzten Jahre lohnt sich, um Ideen und Inspirationen für künftige Kulturmanagement-Projekte für "Deutschland Land der Ideen" zu sammeln. Denn die meisten Projekte entstanden nicht aus unternehmerischen oder technologischen Überlegungen, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Sie wollen, wie die Kultur, gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. So kann das Feld der intelligenten Datennutzung beispielsweise dabei helfen, das betriebliche und gesellschaftliche Wissensmanagement zu verbessern. Das Projekt »Tod an der Mauer Geschichtsunterricht per App« 2013 oder die »Dauerausstellung Das Netz« des Deutschen Technikmuseums im Jahr 2015 wurden für Ihren Verdienst in diesem Bereich ausgezeichnet. Auch der Wandel von Identitäten oder die Komplexität der digitalen und globalisierten Welt sind Aspekte, die Kultur nicht nur im Rahmen des Wettbewerbs verständlich erklären könnte. Für den Bereich lebenslangen Lernens in der Zukunft erwähnt der Report Kultur explizit, weil jedes Museum und Theater 3-D-Angebote für das heimische Wohnzimmer online im Programm haben sollte. Doch um diesen Anspruch zu erfüllen, werden die Vernetzung von KulturmanagerInnen mit außerkulturellen AkteurInnen und die Fortbildung der eigenen MitarbeiterInnen immer wichtiger werden.
 
Zwar ist die Ausschreibung für Deutschland Land der Ideen" 2016 zu NachbarschafftInnovation. Gemeinschaft, Kooperation und Vernetzung im lokalen Kontext schon ausgelaufen. Doch von den Projekten können sich KulturmanagerInnen sicher dazu inspirieren lassen, einen Blick über den Tellerrand zu wagen und für die Zukunftsstadt aktiv zu werden.

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