Rückblick 9. Berliner Forum für Kultur- und Medienmanagement 2007
9. Berliner Forum für Kultur- und Medienmanagement
Nicht jedes Kulturgut ist eine Marke, aber viele wollen es sein. Neben dem Thema Kultur- und Kreativwirtschaft kreisten 2007 die Debatten der Experten unseres Berufsstandes auch häufig um die Frage des Brandings. Kein Wunder: hat man mit seinem Haus erst einmal eine Marke geschaffen, hat man es einfacher, im Gedächtnis des Publikums zu bleiben. Botschaften und Inhalte lassen sich leichter zu Zielgruppen hin transportieren, ganze Marketingkampagnen daraufhin abzielen oder mitunter auch Werbeausgaben einsparen.
Heribert Meffert, so Veranstalter Prof. Klaus Siebenhaar zu Beginn des Forums, spricht in seinem 2006 erschienenen Buch vom "Erfolgsfaktor Marke" und zeigt Wege auf, wie sich mit etablierten Marken in fremden Märkten agieren lässt oder man neue Märkte erschließen kann. Marken setzen sich aus funktionalen und symbolischen Bestandteilen zusammen, emotionalisieren und schaffen Vertrauen, Glaubwürdigkeit, aber auch Kontinuität und Sicherheit. Vor allem die immer komplexer werdende Medienwelt macht die Markenführung immer anspruchsvoller. Man beschäftigt sich heute verstärkt mit dem Nutzerverhalten der Kunden sowie der Binnen- und Außenansicht auf die Marke. Nach Einschätzung Siebenhaars hat beispielsweise die expansive Ausdehnung des Guggenheim-Museums eher geschadet. Auf ihn machte das "Mutterhaus" in New York jüngst einen eher verwahrlosten Eindruck. Besonders zeige sich dies für ihn beim Service, aber auch bei der Programmpolitik oder dem häufigen Personalwechsel.
Viele Leser werden sich sicher an das Gespräch mit Uli Mayer-Johanssen von der Agentur MetaDesign in der Oktoberausgabe von KM erinnern. Kein anderes Kulturereignis wird häufiger vorbildhaft für erfolgreiches Kulturmarketing genommen als die MoMA-Ausstellung 2004 in Berlin. Damals fand geradezu ein Paradigmenwechsel statt. Im Mittelpunkt stand mehr denn je der Kunde und Besucher. Mayer-Johanssen betonte in ihrem Referat, dass wir zwar immer mehr über Marketing und Werbetechniken wüssten, aber ein Umsetzungsproblem hätten. Obwohl alles wichtig sei aus Sicht eines Presse- oder Kommunikationschefs, liegt die Kunst in der Verknappung der Botschaften auf wenige Sekunden oder Worte. Kultureinrichtungen sollten ihrer Meinung nach darüber nachdenken, ob man kontinuierliche Kommunikation besser über die eigene Einrichtung betreibt, statt an den einzelnen, weil sich wechselnden Künstler auszurichten. Anderenfalls läuft man Gefahr, sein eigenes Profil zu verwässern. Die Werbeexpertin hatte viele Ratschläge im Gepäck. Entschleunigung war der eine Rat, rationale Botschaften statt nur pure Emotionen auszusenden der andere. In jedem Fall unverzichtbar sei die Notwendigkeit, auch Worst-Case-Szenarien durchspielen. Was tun, wenn kein Besucher kommt?? Abgerundet wurde im übrigen dieser Vortrag durch den Besuch von Jay Levenson, dem Director of International Programs des MOMA, der am nächsten Tag eigens aus New York für seinen Vortrag anreiste.
Das Selbstverständnis Frankreichs als Kulturnation und die den Franzosen häufig zugeschriebene Skepsis gegenüber nüchternen Marketingstrategien lenken durchaus von den derzeit sichtbaren Expansionsstrategien der Kulturmarken Louvre und Centre Pompidou ab. War es bei Guggenheim eher das Ziel, mit der weltweiten Gründung von Museen die Besucherzahl zu steigern, liegt die Intention der Pariser Museumsmacher eher auf dem Wunsch, noch mehr Exponate aus dem eigenen Bestand zeigen zu können. Man bedenke nur, dass vom gesamten Fundus normalerweise nur 1 Sechstel gezeigt werden können der Rest befinden sich in den Magazinen! Laurent le Bon vom Centre Pompidou aus der Lothringischen Hauptstadt Metz gestand in seinem interessanten Vortrag aber auch noch Mängel ein, wie beispielsweise den Service oder eine wenig informative Website. Er prognostizierte zudem ein in 3 bis 4 Jahren absehbares Ende der heute komfortablen Situation, derzeit über 10 Mill. Euro öffentliche Subventionen verfügen zu können.
Heide Koch von der Philharmonie Essen beklagte die Tendenz, nach jeder Intendantenwahl neben vielen anderen eher symbolischen Maßnahmen das Logo des Hauses zu ändern. Ein Beispiel, wie es anders geht, sei das Musiktheater im Revier. Nach der 2001 wiedererlangten Eigenständigkeit durch die Aufkündigung der Theaterehe mit den Bühnen in Wuppertal besann man sich in Gelsenkirchen auf alte Symbole und stärkte letztlich das Haus. An ihrer heutigen Wirkungsstätte Essen (siehe dazu Interview mit Anke Meis in KM Nr. 1 von 11/2006) gediehen 5 Sparten als starke Eigenmarken, statt alles unter das einheitliche Dach der Philharmonie zu pressen. Es entwickelte sich nach dem Einbezug der Tagungsteilnehmer eine lebhafte Diskussion, was die Marke beim Theater ausmache und wie groß der Einfluss von Intendanten auf Programmatik und Markenführung tatsächlich sei.
Dr. Jörg Garbrecht von der Nolde Stiftung Seebüll konnte im Anschluss wenig überzeugen. Sein blumiger Vortrag blieb ohne größere Überraschungsmomente und weitestgehend im Vorlesungscharakter. Spannender war da schon Moritz Müller-Wirth, Mitglied der Chefredaktion bei der ZEIT, die einen von vielen nicht für möglich gehaltenen Wandel vollzogen hat. Mit innovativen Ideen hat sich in den letzten vier Jahren bei den Hamburgern mehr getan als in den 57 Jahren seit Gründung. Wirtschaftlich stehe man so gut da wie nie. Das Portfolio wurde um mittlerweile 4 Magazine erweitert. Besonders ZEIT Geschichte verkauft sich mit 40.000 Exemplaren ohne externe Werbung erstaunlich gut am Kiosk, so Müller- Wirth. Ein Beweis für die Durchschlagskraft der Marke sei das neue Geschäftsfeld Lexika Mit 110.000 komplett verkauften Serien a 20 Bände bestritt man jüngst 20 % des Umsatzes. Im Vergleich dazu stellt das Anzeigengeschäft inzwischen nur noch 50 % der Erlöse.
Die Medien standen auch weitestgehend im Mittelpunkt der auch live im Radio übertragenen Debatte, die den ersten Tag beschloss. Es diskutierten Henry C. Brinker (Sächsische Staatsoper), Andrea Hausmann (Juniorprofessur Europa-Universität Viadrina Frankfurt/O.), Prof. Jo Groebel (Deutsches Digital Institut Berlin) sowie Alexander Stock (ZDF Mainz) unter der bewährten Moderation von Prof. Ernst Elitz (Deutschlandradio).
Marken, so Alexander Stock, entstünden in den Köpfen der Menschen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Positionierung des Zweiten Deutschen Fernsehens seit Mitte der 90er Jahre als Dachmarke mit mehreren erfolgreichen Untermarken wie WISO oder Wetten Dass? Unter den Mitdiskutanten kam allerdings die Sorge auf, dass der Pilcher-Effekt (Elitz) das Image des Informations- und Wissenschaftssenders ZDF gefährde.
Andrea Hausmann nannte als Beispiel die Stadt als Marke vor dem Hintergrund einer aktuellen Studie, die ihr Studiengang für Frankfurt/Oder gerade durchführt. Besonderes Augenmerk richtet diese Untersuchung dabei auf die demographische Entwicklung sowie das geistig-kulturelle Erbe Heinrich von Kleists. Das beste Marketing könne fehlende kulturelle Substanz nicht wettmachen.
Hinzu kämen Leute, die sich engagiert einsetzen.
Hinzu kämen Leute, die sich engagiert einsetzen.
Jo Groebel unterstrich, die aus Sicht des Publikums unüberschaubar gewordenen Angebote zwängen die Kultur, ihre Unverwechselbarkeit durch zusätzliche Markenbildung zu erreichen. Der Prominente dient dann als Vehikel, als Identifikationsfigur für die jeweilige Kultureinrichtung.
Henry C. Brinker, der viele Jahre Programmdirektor bei Klassik Radio war, stellte beim Publikum einen wachsenden Hunger nach authentischen Kulturerlebnissen fest. Während die Verkaufszahlen der Tonträgerindustrie weiterhin Anlass zur Sorge geben, macht der Zuspruch bei Live-Veranstaltungen Hoffnung. Alexander Stock ergänzte, dass die Digitalisierung auch neue Distributionswege wie die ZDF-Mediathek ermögliche. Sie profitiere, so pflichtete Prof. Groebel bei, auch vom Grundbedürfnis nach Qualität, das auch in der digitalen Welt nicht verloren ginge. Nicht der Distributionsweg sei entscheidend, sondern der Inhalt.
Was passiert eigentlich, wenn große Unternehmen wie Volkswagen Kultur im Rahmen ihrer Vermarktungsstrategie inszenieren? Der Fall der Autostadt Wolfsburg, vorgestellt von Dr. Michael Pries, sorgte für neuen Diskussionsstoff. Bei genauerer Betrachtung betreibt VW in der Autostadt kein Sponsoring, sondern ist Träger eines Veranstaltungsorts. Wichtigste Funktion ist der Dialog mit dem Kunden, der über Inhalte, Gestaltung und direkten Kontakt herzustellen versucht wird. Wichtig sei hierfür, so Pries, das pädagogische Konzept der "inszenierten Vermittlung". Autos spielten dabei nicht die wesentliche Rolle. Dennoch nimmt die Autostadt einen festen Platz im Marketingpool von VW ein. Eindrucksvoll waren in jedem Fall die genannten Zahlen: über 1000 in der Autostadt beschäftigte Mitarbeiter, fast 2 Mill. Besucher pro Jahr, und ein Refinanzierungsanteil von etwa 70 Prozent. Wie zwiespältig das Konzept dieser Markeninszenierung gesehen wird, sollen zwei Teilnehmerstimmen belegen. Während für den einen der Kunde wirklich ernst genommen und ihm ein viel besserer Service geboten würde als in vielen Kultureinrichtungen, warf der andere Teilnehmer dem VW-Konzern vor, es ginge auch in der Autostadt letztlich nur ums Verkaufen.
Die Tagung wurde durch zwei erfolgreiche Markenstudien im Bereich Theater abgerundet. Mit Beginn der letzten Spielzeit hat Hans-Joachim Frey sein Amt als neuer Generalintendant am Theater Bremen - Norddeutschlands größtem Mehrspartenhaus - angetreten. Er löste Klaus Pierwoß in dieser Funktion ab, der zuvor 13 Jahre lang das Bremer Theater geleitet hatte. Künstlerisch machte Pierwoß ohne Frage immer wieder von sich Reden und erhielt schließlich für seine Arbeit noch zuletzt zahlreiche Auszeichnungen, darunter auch den Kritikerpreis für das Opernhaus des Jahres 2007. Wirtschaftlich und strukturell hinterließ Pierwoß allerdings ein Haus, das mehrere Schließungsdebatten hinter sich hat und nur mit Müh und Not sowie einem Notlagentarifvertrag an der Insolvenz vorbei geschrammt ist. Alexander Busche als Leiter der Abteilung Development am Theater zeigte auf, wie es Hans-Joachim Frey, dem Marketingchef Christopher Braun und ihm in vergleichsweise kurzer Zeit gelungen ist, eine verblasste Kulturmarke zu erneuern und zu erweitern.
Monika Wiedenhöfer, eine einstige Absolventin des Berliner Studiengangs Kultur- und Medienmanagement, leitet seit 2005 die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Marketing des Kinder- und Jugendtheaters des Landes Berlin, bekannt unter dem Namen Theater an der Parkaue. In ihrem eindrucksvollen Referat konnte sie exemplarisch darstellen, wie sie gemeinsam mit dem kleinen Team das Haus wieder zu einer starken, unverwechselbaren Kulturmarke in der Hauptstadt entwickelt hat. Eine geschickte Kombination von Angeboten der Kulturvermittlung und Theaterpädagogik (Einbeziehen des Publikums, Fond zur Ermöglichung von Theaterbesuchen sozial benachteiligter Kinder), gepaart mit der kompletten Neuausrichtung der Kommunikation Zusammenlegung von Adressdatenbanken, verbessertes Vertriebssystem, Partnerschaften) und schließlich die Neuorganisation des Freundeskreises (mehr Mitglieder, mehr Treffen, mehr Zahlungsverlässlichkeit) das Ergebnis kann sich sehen lassen. Sind es nicht immer wieder diese vermeintlich kleinen Erfolgsgeschichten, an denen sich die Chancen des Managements für einen innovativen Kulturbetrieb so augenfällig zeigen?
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