Rückblick Wirtschaft übernimmt Verantwortung 2008
Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen
Kongress und Unternehmerabend in Paderborn zum gesellschaftlichen Engagement der deutschen Wirtschaft
Unternehmen engagieren sich für die Gesellschaft weitaus mehr als die Öffentlichkeit wahrnimmt. Dabei liegen dem Engagement in der Regel weniger wirtschaftliche und strategische Überlegungen zugrunde, als vielmehr persönliche Motive, Verantwortungsbewusstsein und Tradition. Diese und andere Erkenntnisse einer aktuellen wissenschaftlichen Studie des Forschungszentrums für Bürgerschaftliches Engagement an der Universität Paderborn, wurden jetzt auf dem Kongress "Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen der deutsche Weg im internationalen Kontext" erstmals vorgestellt.
Der von Prof. Dr. Dr. Sebastian Braun geleitete Kongress bildete einen Höhepunkt in der vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement initiierten Woche des Bürgerschaftlichen Engagement unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Um das bürgerschaftliche Engagement der deutschen Wirtschaft weiter zu forcieren, haben gleichzeitig 20 Unternehmen als erste die bundesweite Charta "Wirtschaft übernimmt Verantwortung" unterzeichnet.
In Deutschland zieht sich der Staat zunehmend aus wichtigen gesellschaftlichen Bereichen zurück, um sich auf Kernaufgaben zu beschränken. "Von Unternehmen und Non-Profit-Organisationen wird dann erwartet, dieses Vakuum zu füllen", erläutert Prof. Dr. Dr. Sebastian Braun, Direktor des Forschungszentrums. Dabei könne man amerikanische Verhältnisse nicht einfach auf die deutsche Situation übertragen, sondern müsse sie im spezifischen sozio-kulturellen Kontext unserer Gesellschaft betrachten. "Anders als in vielen anderen Ländern ist bei uns die gesellschaftliche Beteiligung von Unternehmen in bestimmten Bereichen, zum Beispiel der Ausbildung, reglementiert." Vieles von dem, was hier auf hohem Niveau geleistet werde, gelte als selbstverständlich und werde als gesellschaftlicher Beitrag der Unternehmen kaum öffentlich wahrgenommen. "Wir brauchen in Deutschland endlich eine öffentliche Diskussion über Rolle und gesellschaftliche Aufgaben der Wirtschaft", forderte Braun.
Für die aktuelle Studie wurden deshalb rund 500 repräsentativ ausgewählte, deutsche Unternehmen aus allen Branchen mit mindestens zehn Mitarbeitern und mindestens einer Million Euro Jahresumsatz befragt. Das Ergebnis: 96 Prozent der deutschen Unternehmen in Deutschland sind bereits bürgerschaftlich engagiert, engagieren sich also über ihr eigentliches Kerngeschäft hinaus zugunsten gesellschaftlicher Aufgaben. Bestimmt wird dieses Engagement hauptsächlich von den Führungskräften. Mehr als 60 Prozent der Befragten unterstützen unter anderem das ehrenamtliche Engagement von Mitarbeiter, indem sie diese von der Arbeit freistellen oder technische Ausrüstung zur Verfügung stellen. Gefördert werden hauptsächlich unpolitische Institutionen und Projekte im Umfeld des Firmensitzes, wie Sportvereine oder Freizeitaktivitäten. Dabei verfolgt nicht einmal ein Drittel der befragten Unternehmen eine strategische Zielsetzung. "Besonders in mittelständischen Unternehmen sind die Beweggründe eher philanthropischer Natur", erläutert Braun. "Hier wird meist spontan und aus dem Bauch heraus gefördert." Große Unternehmen dagegen gehen hier in der Regel strategischer vor. Mit planvollem Vorgehen, gezielten Kooperationen und professioneller Öffentlichkeitsarbeit nutzen sie "Corporate Social Responsibility" und "Corporate Citizenship" auch für den wirtschaftlichen Erfolg. "Mit einer besseren Vernetzung und größerer Öffentlichkeit könnte auch das gesellschaftliche Engagement des Mittelstandes noch effektiver werden."
Ziel des Kongresses war es, die Traditionen und Innovationen im gesellschaftlichen Engagement der deutschen Wirtschaft vor dem Hintergrund eines veränderten Wohlfahrftsmix zwischen Staat, Wirtschaft, Nonprofit-Sektor und Privathaushalten zu präsentieren, zu diskutieren und zu dokumentieren. Auf diese Weise wurde Orientierungs- und Handlungswissen herausgearbeitet, um die Potenziale des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen sachlich fundiert erschließen und konstruktiv weiterentwickeln zu können. Der vom Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement gemeinsam mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) veranstaltete Kongress wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MGFFI) und der Initiative "Paderborn überzeugt."
Für eine bessere Zusammenarbeit von engagierten Unternehmen untereinander und mit Non-Profit-Organisationen setzt sich deshalb das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) ein. "In der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen profitieren Unternehmen nicht nur von neuen Denkweisen und Ideen", betonte Dr. Ansgar Klein, Geschäftsführer des BBE, "sondern können sich auch sinnvoll und glaubwürdig gesellschaftlich einbringen."
"Unternehmen müssen sich heute verstärkt engagieren", forderte Ortwin Goldbeck, Präsident der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld. "Als Teil der Gesellschaft müssen sie nicht nur gegenüber Mitarbeitern, sondern auch gegenüber Nachbarn und Kunden Verantwortung übernehmen." Auf einem von der IHK und der Stadt Paderborn veranstalteten Unternehmerabend am Rande des Kongresses unterzeichneten deshalb 20 Unternehmen aus der Region OWL als erste die bundesweite Charta "Verantwortung übernehmen sich nachhaltig engagieren vernetzt handeln", um sie in einem symbolischen Akt an den NRW-Minister Armin Laschet zu überreichen, der für das Thema bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen zuständig ist. Mit dieser Charta, der sich noch 70 weitere Unternehmen aus der Region anschließen werden, verpflichten sich die Unterzeichner nicht nur dazu, sich gesellschaftlich zu engagieren, sondern auch andere Unternehmer dafür zu begeistern. "Nachdem wir schon beim bundesweiten Projekt Bürokratieabbau die ersten waren, wirkt die Region Ostwestfalen hier erneut als Leuchtturm für ein wichtiges politisches und gesellschaftliches Anliegen", so Ortbeck.
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