02.12.2008

Autor*in

Birgit Lengers
Rückblick Szenenwechsel3 2008

Interdisziplinäre Strategien der Kulturvermittlung

Szenenwechsel3 - ein Symposion zur Vermittlung von Bildender Kunst, Musik und Theater an der UdK Berlin
Formen und Verfahren, die verschiedene künstlerische Medien betreffen und nutzen, bestimmen zunehmend alle Bereiche der Gegenwartskunst. Aus bildenden Künstlern sind auch Performer und Video-Artisten geworden, Musiker inszenieren Theaterstücke, Regisseure arbeiten selbstverständlich mit Bildmedien und Ausstellungsmacher setzen interdisziplinäre Ereignisse in Szene. Welche Konsequenzen hat jedoch die allerorts zu beobachtende Annäherung der Kunstsparten für die Vermittlung zeitgenössischer künstlerischer Phänomene? Dieser Fragestellung widmete sich das Symposium "Szenenwechsel3" vom 25. bis 27. September 2008.
 
Konzipiert wurde der Kongress von Ursula Brandstätter, Ana Dimke und Ulrike Hentschel, den Vertreterinnen der Fakultäten Musik, Bildende Kunst und Darstellende Kunst. Dass die Universität der Künste, als Dach der unterschiedlichen Disziplinen, für eine solche Veranstaltung in besonderem Maße prädestiniert sei, möchte man mit Blick auf die nebenstehende Abbildung glauben. Doch man wundert sich: drückt man auf die Tube, kommt eher - Signal-Zahnpasta-gleich - ein säuberlich getrennter Streifen heraus. Transdisziplinäre Kooperationen sind die Ausnahme, man bleibt bei sich. Ist das gut so? Wo liegen die Stärken des Expertentums, der Exzellenz und Disziplinarität? Welche Chancen bieten interdisziplinäre Ansätze, Strategien und Methoden in der Kunstvermittlung? Diesen Fragen ging das dreitägige Symposium in unterschiedlichen Formaten nach. Den Auftakt bot der Vortrag "Evaluating the impact of arts education" von Prof. Anne Bamford, University of the Arts London. Der Austausch und Vergleich pädagogischer und didaktischer Konzepte, wie sie in den verschiedenen Disziplinen zumeist unabhängig voneinander entstanden sind, erfolgte praktisch in Werkstätten und in den s.g. "Verschnittgruppen", ein Gesprächs-Cuvée mit Vertretern unterschiedlicher Disziplinen. In eher konventionellen Podiumsgesprächen zur schulischen, außerschulischen und universitären Bildung diskutierten Vertreter der drei Disziplinen verschiedene Ansätze der Kulturvermittlung und fragten auch danach, inwieweit die Institutionen den Anforderungen strukturell derzeit nachkommen können.
Mit der australischen Wissenschaftlerin Anne Bamford konnte eine international profilierte Keynote-Sprecherin gewonnen werden. Für die UNESCO hatte sie 2004 in ihrer ersten Analyse zur Kulturvermittlung Daten und Fallstudien aus mehr als 60 Ländern verglichen. 2006 folgte dann die von der UNESCO beauftragte Studie "The Wow Factor. Global research compendium on the impact of the arts in education" (ISBN 3-8309-1617-5).
In ihrem Vortrag fokussierte sie auf Qualitätskriterien der Kulturvermittlung. Neben der allseits vertrauten Kluft zwischen den "Lippenbekenntnissen", die man bezüglich Kulturvermittlung ablegt, und dem, was in den Schulen tatsächlich angeboten wird, betonte Bamford, dass eine qualitativ hochwertige Kulturvermittlung zumeist von einer starken Partnerschaft zwischen den Schulen und externen Kultur- und Gemeinschaftsorganisationen gekennzeichnet ist. Eine qualitative hochwertige Kulturvermittlung hat Auswirkungen auf das Unterrichts- und Lernmilieu und auf die Gemeinschaft und bietet einen ausgeprägten Nutzen für die Gesundheit und das soziale und kulturelle Wohlergehen der Kinder. Allerdings ist der Nutzen von Lehrplänen, die viel Kunst enthalten, nur bei qualitativ hochwertigen Programmen greifbar. Als Koordinaten und damit als Beurteilungsmaßstab von Kulturvermittlung schlug Bamford auf der XAchse "Relevanz" und auch der Y-Achse "Partizipation" vor. Hochwertige Bildungsprogramme mit und durch Kunst und Kultur sind folglich gekennzeichnet durch:
Zugänglichkeit für alle
Involvieren der Zielgruppe ("hands on")
aktive Partnerschaften zwischen Schulen und Kulturorganisationen und zwischen Lehrern, Künstlern und der Gemeinschaft
geteilte Verantwortung für Planung, Durchführung und Beurteilung
Möglichkeiten für öffentliche Aufführungen, Ausstellungen und/oder Präsentationen
Zeit und Raum für kritische Reflexion, Problemlösung und Risikobereitschaft
Flexibilität und Durchlässigkeit
Allerdings wurden in 25 % der untersuchten Länder diese Qualitätsstandards der Kunstvermittlung nicht erfüllt. Dies verhindert nicht nur positive Effekte, sondern hat sogar eine negative Auswirkung auf die Kreativität der Kinder und Jugendlichen.
Fazit: Mehr ist nicht gleich besser. Entweder man macht es gut, oder man lässt es lieber ganz. Somit sollte immer auch gefragt werden: Was würde passieren, wenn wir dieses Angebot nicht machen würden?
Neue Formen und Strategien der Kunstvermittlung, das zeigten exemplarisch die angebotenen Workshops, widersetzen sich ganz selbstverständlich auf kreativ-innovative Weise dem konventionellen Regelwerk der Disziplinen. Zeitgemäße Kunstvermittlung ist interdisziplinäre Vermittlungskunst und überschreitet Grenzen ebenso zwanglos wie die zeitgenössische Kunst. Die LaborleiterInnen machten erfahrbar, wie z.B. Bildmedien im performativen Kontext eingesetzt werden, wie Musik raumgreifend und Theater rhythmisch wird, wie Installationen inszeniert und bespielt werden, wie surreale Körper-Sprach-Räume entstehen, oder wie man im Theater einem inneren Soundtrack folgt um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Diskussionen auf den Podien und im Plenum machten jedoch sehr deutlich, dass die Institutionen - Schule wie Universität - in ihrer Ausbildung mit einem tief sitzenden Sparten-, Fach- und Fakultätendenken hinter der interdisziplinären Praxis weit zurück bleiben. Die strikte Aufteilung der Künste in "Musik", "Kunst", "Darstellendes Spiel/ Theater" in der Schule werde der immanenten Pluralität der Künste nicht gerecht und beschränke die Vielfalt der Künste. Die Forderung nach einer Neustrukturierung der ästhetischen Fächer sei geboten. Ob dies jedoch durch die Einführung des Faches "Ästhetik" geleistet werden könne, wurde allgemein stark angezweifelt. Mit dem Namen würden eher Einsparungsabsichten bemäntelt. Auch über ein unspezifisches Fach "Kulturelle Bildung" wollte man nicht weiter nachdenken, sondern eher über Fachgrenzen hinausschauen, z.B. durch die Ausbildung von Lehrern in zwei künstlerischen Fächern.
Plädiert wurde in Schule wie in der Universität somit für 3 parallele Ansätze: 1. kunstspezifische, disziplinäre Angebote, 2. spartenübergreifende Themen und 3. Zeit für künstlerische Projekte, in denen mit genreübergreifenden künstlerischen Strategien gearbeitet wird (wie z.B. Verdichten, Verfremden, Übertreiben, Reduktion).
Nicht um eine Einheit der Künste kann es gehen, sondern um das Dazwischen, um Übergänge und Transformationen. Der Fokus sollte in Zukunft folglich zum einen auf gemeinsamen künstlerische Verfahren (ästhetische Forschung, Experiment) und Themen liegen, zum anderen darauf, die unterschiedlichen Perspektiven der Künste kennen zu lernen. Nun gilt es an den Institutionen Strukturen und Freiräume für das zu schaffen, was die Künstler und Kunstvermittler außerhalb erfolgreich praktizieren. Die Evaluation des Symposiums an der UdK ist dazu sicher ein erster Schritt.
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB