19.01.2024
Kultur- und Kreativpiloten 2023 ausgezeichnet

Die Kulturunternehmen des Jahres

Der Kulturbereich besteht zu einem großen Teil aus Unternehmen, die häufig neue Impulse und Formate auch in die öffentlichen Betriebe bringen. Zum 14. Mal hat die Bundesregierung nun die innovativsten Ideen und Unternehmer*innen als Kultur- und Kreativpiloten Deutschland ausgezeichnet. Wir stellen Ihnen die Gewinner*innen aus der Kulturwirtschaft vor.
Die Auszeichnung Kultur- und Kreativpiloten wird einmal im Jahr an Gründer*innen und -teams vergeben, die mit innovativen Geschäftsideen und Unternehmen die Zukunft der Kultur und der Gesellschaft mitgestalten. Gesucht wurden Menschen, die sich gesellschaftlichen Fragen widmen, sich als Transformator*innen der Gesellschaft verstehen und zeigen, dass es sich lohnt, optimistisch nach vorne zu schauen. Sie stellen sich Herausforderungen, schlagen neue Wege ein und finden mit souveränem Tatendrang unkonventionelle Lösungen. 
 
Die Titelträger*innen sind mit ihrem unternehmerischen Mut, ihrem Tatendrang und ihrem Willen, den Status quo zu verändern, wichtige Vorbilder - auch für den klassischen Kulturbereich. Sie beweisen, dass Missstände nicht hingenommen werden müssen, und bieten originelle Lösungen für komplexe Herausforderungen unserer Gegenwart. Was sie eint, ist der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen und die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Sie geben marginalisierten Stimmen eine Bühne, stärken Teilhabe in der Kulturbranche und setzen sich für mehr Nachhaltigkeit ein. 
 
Die Titelträger*innen profitieren neben der bundesweiten Aufmerksamkeit von einem weitreichenden Expert*innen-Netzwerk der Kultur- und Kreativwirtschaft und erhalten ein individuell zugeschnittenes, einjähriges Mentoring-Programm, das sie in ihrer unternehmerischen Entwicklung unterstützt. 
 
Die Kulturwirtschaftsgewinner 2023
 
THE IMPOSTERS (BERLIN)
 
Produktionsfirma trifft Kreativagentur - das ist The Imposters. In der sogenannten Showrunning-Unit kümmern sich Jule Kleinschmidt und Sonni Winkler um alles, was vor und hinter der Kamera passiert: von der Stoff- und Drehbuchentwicklung über Casting und Regie bis hin zur Produktion und Postproduktion. Kennengelernt haben sich die Gründerinnen zunächst in einer Bar, später trafen sie sich beim Jobben für verschiedene Filmprojekte wieder. Jetzt möchten sie intersektionale Perspektiven in der Filmbranche fördern. Denn dort sehen sie Handlungsbedarf bei der drängenden Herausforderung, das Machtungleichgewicht und damit die ungerechte Verteilung von Gehältern, Budgets und Entscheidungspositionen anzugehen. FLINTA*-Personen, Menschen mit internationaler Geschichte, mit Behinderung oder aus der queeren Community erhalten schlechter Zugang zu den Topposten in der Filmindustrie. Neben der aktiven Arbeit in der Produktion bieten sie deshalb auch Beratung zu inhaltlichen Haltungsfragen an und treten als Speakerinnen auf, um über Themen wie die Cancel Culture oder FLINTA*-Personen in der Comedy-Branche zu sprechen.
 
»Uns motiviert das Gefühl, dass wir mit unseren Inhalten Menschen unterhalten, sie zum Lachen bringen und gleichzeitig Impulse geben können.«
 
DR & DR MIDDLE EASTERN CULTURE AND FOOD LAB (BERLIN)
 
Diese Geschichte führt in den Iran, nach Berlin, in den Nahen Osten, wieder zurück nach Deutschland und schließlich in eine Küche, in der es nach Safran und gerösteten Pinienkernen duftet. Es ist die Geschichte von Zwillingsschwestern, die ihre Wissenschaftskarrieren an den Nagel gehängt haben, um ihre Vermittlungsfähigkeiten für kulturelle Bildung einzusetzen. Die Rede ist von Sahar und Forough Sodoudi. Die promovierten Naturwissenschaftlerinnen haben im Jahr 2019 ihre akademische Laufbahn gegen ihre Leidenschaft eingetauscht. In Berlin eröffneten sie das Dr & Dr Middle Eastern Culture and Food Lab, ein Ort, der seine Besucher*innen die kulturelle Vielfalt des Nahen Ostens erleben lässt. Die Schwestern bieten dort Koch- und Kulturevents mit Musik und Kalligrafie oder Lesung an und leiten kulinarische Kulturreisen in den Nahen Osten. Hinter der Idee steckt die persönliche Motivation, das öffentliche, oft politisch-religiös geprägte Bild des Nahen Ostens zu verändern: Es geht um interkulturellen Austausch und Sichtbarkeit für die nahöstliche und persische Kultur.
 
»Die Kultur des Nahen Ostens ist in Deutschland schlecht repräsentiert, versteckt hinter Nachrichten über Politik und Religion. Wenn wir als zwei Wissenschaftlerinnen nicht in der Lage sind, die faszinierenden Facetten der nahöstlichen Kultur zu vermitteln, wer macht es dann?«
 
SHADES&CONTRAST (HAMBURG)
 
Zamina Ahmad träumt von einer digitalen Zukunft, in der Künstliche Intelligenz (KI) Vorurteile abbaut und für alle Menschen einen Nutzen stiftet - unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder sozialer Herkunft. Um diesem Traum ein Stück näherzukommen, hat sie 2022 das Unternehmen shades&contrast GmbH gegründet. Als Produktmanagerin und Datenanalystin berät Ahmad ihre Kund*innen über die Potenziale der Nutzung von Daten und KI. Die Entwicklung diskriminierungssensibler digitaler Lösungen und ein barrierearmes Design stehen für sie dabei im Fokus. Denn: Was auf der einen Seite zu mehr Schnelligkeit und Effizienz führt, verstärkt auf der anderen Seite Diskriminierung. Denn KI wird mit vorhandenen Daten gefüttert. Diese enthalten die gleichen rassistischen, sexistischen und ableistischen Annahmen, die auch in unserer Gesellschaft zu finden sind. Um dagegen vorzugehen, braucht es mutige, kreative Visionär*innen in der Software- und Games-Industrie wie Ahmad, die Wissen weitergeben und neue KI-Produkte und Nutzungsmöglichkeiten schaffen.
 
»Mich treibt vor allem an, innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz für gesellschaftliche Gerechtigkeit einzusetzen und dafür zu sorgen, dass sie nicht zu mehr Diskriminierung führen.«
 
QZENG PRODUCTIONS (BERLIN)
 
Azadê Peşmen war 2010 zum ersten Mal bei einem argentinischen Community-Radio live auf Sendung und hat seitdem das Mikrofon nicht mehr aus der Hand gelegt. Auch Neda Sanai lebt für Audio- und Sounddesign und schafft als Musikproduzent*in ganz unterschiedliche Klangstile. Gemeinsam haben die beiden das Berliner Produktionsstudio Qzeng Productions gegründet. Dort entstehen Podcasts und künftig auch Dokumentationen, die einen Unterschied machen: Hier werden Geschichten erzählt von jenen, die sie betreffen. Ihr bisher erfolgreichstes Projekt ist der 2022 mit dem International Music Journalism Award ausgezeichnete Podcast »Deso, der Rapper der zum IS ging«, der mit ACB Stories für Funk produziert wurde. Das Format erzählt die Geschichte eines Rappers aus Berlin, der sich radikalisiert, Musik zur Sünde erklärt und für den IS in den Krieg zieht. Abseits der Produktionen halten die Gründer*innen regelmäßig Workshops über Podcasts oder Musikproduktion ab und arbeiten dabei auch mit Schüler*innen zusammen, die nicht die Zugänge und Ressourcen haben, um in der Medienbranche zu arbeiten.
 
»Wir glauben, dass Geschichten von jenen erzählt werden müssen, die sie am meisten betreffen.«
 
DREH-STROM (BADEN-WÜRTTEMBERG)
 
Felix Fahle kennt sich mit dem Thema Film aus. Als Diplom-Filmproduzent blickt er auf mehr als zehn Jahre Dreherfahrung zurück. Seit 2018 berät er zudem Medienanstalten zu nachhaltiger Filmproduktion, insbesondere zu Energielösungen. Und genau für diese Schnittstelle hat Fahle eine einzigartige Marktneuheit entwickelt: Dreh-Strom heißt seine Idee, mit der er Filmsets mobil mit grüner Energie versorgen will. Das gleichnamige Gerät wird an Elektroautos angeschlossen und kann so als Stromquelle für Beleuchtung, Kameras oder andere Filmtechnik dienen. »Vehicle-to-X« heißt das patentierte Verfahren, das Filmsets ohne den Einsatz von umweltschädlichen Diesel-Generatoren leise mit Energie versorgt. Ein wichtiger Schritt für die nachhaltige Transformation der Filmwirtschaft, denn durch wechselnde Drehorte kann nur selten auf das lokale Stromnetz zurückgegriffen werden. Der Bedarf an externen Stromquellen ist hoch, deshalb will Fahle bis 2024 Dreh-Strom zu einem serienreifen Produkt entwickeln und es an Filmproduktionen verkaufen oder vermieten.
 
»Wir brauchen technische Produktinnovationen, um etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen. Ich glaube, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft hier mit gutem Beispiel vorangehen kann.«
 
CROWD IMPACT (BERLIN)
 
Laura Kleber und Julian Vogels engagieren sich seit 2020 für eine ehrenamtliche Initiative, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Musikindustrie einsetzt. Dort lernten sie, dass bis zu 80 Prozent der CO2- Gesamtemissionen eines Festivals aufgrund des Publikumsverkehrs entstehen, also durch die An- und Abreise der Besucher*innen. Doch Veranstalter*innen fehlen geeignete Werkzeuge, ihre individuellen Mobilitätsemissionen zu erfassen und zu senken. Genau hier sehen die beiden eine Marktlücke und die Möglichkeit für Crowd Impact. Mit ihrem gleichnamigen digitalen Umfragetool liefern sie Verantwortlichen Auswertungen der Reisedaten, damit diese geeignete Maßnahmen zur Emissionsreduktion ergreifen können: Genutzte Verkehrsmittel, Knotenpunkte oder der CO2-Fußabdruck werden durch die Gäst*innen-Befragung beim Einlass sofort sichtbar. 2023 nutzen diese Dienstleistung bereits das SUPERBLOOM-Festival oder die re:publica. Und mit 52.000 Veranstaltungsbetrieben allein in Deutschland warten weitere potenzielle Kund*innen auf die Kommunikationsexpertin und den Nachhaltigkeitsberater.
 
»Kultur spielt eine große Rolle in der Klimakommunikation. Dafür muss sie in ihrer eigenen ökologischen Transformation Vorreiterin sein - wir helfen ihr mit unserem Tool dabei.«
 
EQUALITY FILM (BERLIN)
 
Wer schreibt und erzählt unsere Geschichten? Welche Lebensrealitäten werden dargestellt? Sheri Hagen, Schauspieler*in und Filmemacher*in mit nigerianischen Wurzeln, hat über viele Jahre vor und hinter der Kamera gestanden und weiß, wer oft in den Hauptrollen zu sehen ist: Weiße, privilegierte Menschen ohne Behinderung. Deshalb hat Hagen die Produktionsfirma Equality Film gegründet, die seit 2015 Geschichten entwickelt und umsetzt, in denen gesellschaftlich unterrepräsentierte Menschen im Mittelpunkt stehen. Es entstehen filmische Werke, die bewegen, schmerzen, zum Nachdenken anregen und die Zuschauer*innen zum Schmunzeln bringen. Hagens Debütfilm »Auf den zweiten Blick« handelt von drei sehbehinderten Paaren in Berlin auf der Suche nach Nähe und Liebe. Aktuell (2023) arbeitet die Produzent*in am Film »Motherhood«, der die Geschichte eines schwulen Mannes erzählt, der selbstbestimmt über seinen leiblichen Nachwuchs entscheiden möchte. Equality Film setzt so ein filmisches Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung.
 
»Mit meinen Filmen möchte ich das respektvolle Miteinander stärken und unseren Blick und unser Ohr für die unterschiedlichen Kulturen und Menschen in unserer Gesellschaft öffnen und weiten.«
 
POLAR EMBASSY (BERLIN)
 
Was als ein Weihnachtsgeschenk begann, hat Jon Derman Harris zu einem nebenberuflichen Verleger gemacht. 2020 illustrierte er ein Deck Tarotkarten für eine Freundin, die ihn später überzeugte, das Kartenset auch zu veröffentlichen. Gesagt, getan: Neben seinem Hauptberuf als freiberuflicher Industriedesigner gründete Derman Harris den Verlag Polar Embassy, der queere Künstler*innen, Themen und Lebensweisen feiert. Mehr Unternehmer als Illustrator erweiterte er schnell sein Konzept und startete im Sommer 2023 die Zusammenarbeit mit anderen queeren Künstler*innen. Es folgten die Veröffentlichung des zweiten und dritten Kartendecks: eine queere Version »Quartett« für Kinder, das Regenbogenfamilien feiert, und Spielkarten über Sex-Positivity. Über den Onlineshop der Polar Embassy und in 75 stationären Geschäften sind die umweltschonend gedruckten Spiele erhältlich. In Zukunft möchte der Verleger weitere queere Künstler*innen ermutigen, Kartenspiele, Bücher oder Zines zu nutzen, um mehr Sichtbarkeit für die LGBTQIA+-Community zu schaffen.
 
»Als Kreativpilot arbeite ich daran, queere Freude zu teilen und die Verlagsbranche in Richtung Zero-Waste zu führen.«

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