29.08.2011
IG Kultur, 11.08.2011
Autor*in
Stefan Haslinger
Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik #9:
Gefällige Demokratur oder demokratische Kultur?
Teil 9 der Artikelserie Alternativen zum Verlust der Kulturpolitik": Über Werte und Generationenverträge.
Anlässlich der Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2011 sagte Frau Bundesministerin Schmied in ihrer Ansprache folgendes: Es ist Zeit, dass wir uns bei allen marktwirtschaftlichen Prinzipien auf die Grundwerte unserer Kultur, auf Solidarität und Teilhabe besinnen und dass wir entschlossen für diese Werte eintreten. Auf einer breiten politisch-ökonomischen Ebene werden wir dieses Umdenken aber nur schaffen, wenn wir einen Pakt mit der nächsten Generation eingehen.
Vorerst wäre schon zu hinterfragen, ob Solidarität und Teilhabe auch wirklich Grundwerte hierzulande sind, bzw. wessen Grundwerte sie darstellen. Die Frage des Wer spricht? stellt sich in diesem Zusammenhang einmal mehr. Noch mehr stellt sich die Frage, wer denn diese Werte definiert und eine Wertenorm entwirft, deren sich alle zu unterwerfen haben.
Bitte nicht falsch verstehen: Solidarität und Teilhabe sind entscheidende Parameter für eine demokratische Gesellschaft. Doch den Worten muss auch Substanz verliehen werden, um sie nicht zu Worthülsen verkümmern zu lassen.
Solidarität verstehen wir als gelebte Verbundenheit und als das Herbeiführen von Veränderungen, die diese Verbundenheit stärken, hat die IG Kultur Österreich in ihrer Vision stehen. Es geht um die Aktivierung des Begriffs im Gegensatz zum gängigen Verständnis von Solidarität als ein Nach-Außen-Verlagern oder Delegieren von Unterstützung. Solidarisch sind wir alle schnell, weil damit per se noch keine Handlung verbunden ist. Aber das Handeln ist es, welches erst dazu führt auch Veränderungen zu bewirken.
Auch Teilhabe, als hübscher Begriff, birgt ein ähnliches Gefahrenpotential in sich. Wie in der Rede von Frau BM Schmied, ist es ein Begriff, der schön klingt, der aber auch dazu dient, reale Ungleichheiten zu kaschieren und sich über Missstände hinweg zu schwindeln.
Denn echte Teilhabe heißt, dass der Zugang zur Ressourcen gleich aufgeteilt ist, heißt dass eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit geführt wird.
Wenn es kulturpolitisches Ziel ist, diese Werte im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern, dann ist das lobenswert, doch die konkreten Maßnahmen dazu müssen geschaffen werden. Von Verteilungsgerechtigkeit kann z.B. im Kulturbudget des Bundes nicht gesprochen werden, wenn wie Juliane Alton ausführte den Ausgaben des BMUKK für die Bundestheater (142 Millionen) nur etwa 91 Millionen für die Förderung aller anderen Anbieter innerhalb der Kunstsektion gegenüber stehen. Der Zugang zu Ressourcen müsste sich auch über einen Zugang (eine Zugangsmöglichkeit) für im bürgerlichen Kulturbetrieb unterrepräsentierte Gruppen zu den Angeboten finden.
Was zu Teil zwei des Redeauszugs von BM Schmied führt, dem Pakt mit der nächsten Generation. Wenn die nächste Generation einmal pauschal mit dem Begriff Jugend übersetzt werden kann, zeigt sich, dass das kulturpolitische Verständnis des BMUKK den realen Bedingungen hinterher hinkt. Konzepte und Programme, die vorgelegt werden, zielen auf den Schulbereich ab, zielen auf institutionalisierte Jugendeinrichtungen ab, oder setzen zumeist voraus, dass eine Organisationsform vorhanden ist, die eine gewisse Legitimation mit sich bringt.
Doch Jugendkultur funktioniert nicht so, bzw. hat sie wahrscheinlich nie so funktioniert. Wenn es um zukunftsfähige Entwicklungen gehen soll, dann müssen Möglichkeitsräume geöffnet werden. Sowohl topologische als auch logische Räume, in denen experimentiert und gestaltet werden kann. Räume, die zulassen, ohne strikte Regelungen und ständiger Betreuung. Das zuzulassen erfordert Mut und ein großes Maß an Weitblick.
In beiden Fällen muss Kulturpolitik, die von ihr so gern zitierte Freiheit nicht nur auf die inhaltliche Ausrichtung künstlerisch-kultureller Produktion legen, sondern sich auch damit beschäftigen wie diese Freiheit in Bezug auf Ressourcen und Strukturen gewährleistet werden kann.
Stefan Haslinger, Geschäftsführer der KUPF, Obmann der IG Kultur Österreich und Botschafter der Europäischen Jahres der Freiwilligenarbeit 2011
Vorerst wäre schon zu hinterfragen, ob Solidarität und Teilhabe auch wirklich Grundwerte hierzulande sind, bzw. wessen Grundwerte sie darstellen. Die Frage des Wer spricht? stellt sich in diesem Zusammenhang einmal mehr. Noch mehr stellt sich die Frage, wer denn diese Werte definiert und eine Wertenorm entwirft, deren sich alle zu unterwerfen haben.
Bitte nicht falsch verstehen: Solidarität und Teilhabe sind entscheidende Parameter für eine demokratische Gesellschaft. Doch den Worten muss auch Substanz verliehen werden, um sie nicht zu Worthülsen verkümmern zu lassen.
Solidarität verstehen wir als gelebte Verbundenheit und als das Herbeiführen von Veränderungen, die diese Verbundenheit stärken, hat die IG Kultur Österreich in ihrer Vision stehen. Es geht um die Aktivierung des Begriffs im Gegensatz zum gängigen Verständnis von Solidarität als ein Nach-Außen-Verlagern oder Delegieren von Unterstützung. Solidarisch sind wir alle schnell, weil damit per se noch keine Handlung verbunden ist. Aber das Handeln ist es, welches erst dazu führt auch Veränderungen zu bewirken.
Auch Teilhabe, als hübscher Begriff, birgt ein ähnliches Gefahrenpotential in sich. Wie in der Rede von Frau BM Schmied, ist es ein Begriff, der schön klingt, der aber auch dazu dient, reale Ungleichheiten zu kaschieren und sich über Missstände hinweg zu schwindeln.
Denn echte Teilhabe heißt, dass der Zugang zur Ressourcen gleich aufgeteilt ist, heißt dass eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit geführt wird.
Wenn es kulturpolitisches Ziel ist, diese Werte im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern, dann ist das lobenswert, doch die konkreten Maßnahmen dazu müssen geschaffen werden. Von Verteilungsgerechtigkeit kann z.B. im Kulturbudget des Bundes nicht gesprochen werden, wenn wie Juliane Alton ausführte den Ausgaben des BMUKK für die Bundestheater (142 Millionen) nur etwa 91 Millionen für die Förderung aller anderen Anbieter innerhalb der Kunstsektion gegenüber stehen. Der Zugang zu Ressourcen müsste sich auch über einen Zugang (eine Zugangsmöglichkeit) für im bürgerlichen Kulturbetrieb unterrepräsentierte Gruppen zu den Angeboten finden.
Was zu Teil zwei des Redeauszugs von BM Schmied führt, dem Pakt mit der nächsten Generation. Wenn die nächste Generation einmal pauschal mit dem Begriff Jugend übersetzt werden kann, zeigt sich, dass das kulturpolitische Verständnis des BMUKK den realen Bedingungen hinterher hinkt. Konzepte und Programme, die vorgelegt werden, zielen auf den Schulbereich ab, zielen auf institutionalisierte Jugendeinrichtungen ab, oder setzen zumeist voraus, dass eine Organisationsform vorhanden ist, die eine gewisse Legitimation mit sich bringt.
Doch Jugendkultur funktioniert nicht so, bzw. hat sie wahrscheinlich nie so funktioniert. Wenn es um zukunftsfähige Entwicklungen gehen soll, dann müssen Möglichkeitsräume geöffnet werden. Sowohl topologische als auch logische Räume, in denen experimentiert und gestaltet werden kann. Räume, die zulassen, ohne strikte Regelungen und ständiger Betreuung. Das zuzulassen erfordert Mut und ein großes Maß an Weitblick.
In beiden Fällen muss Kulturpolitik, die von ihr so gern zitierte Freiheit nicht nur auf die inhaltliche Ausrichtung künstlerisch-kultureller Produktion legen, sondern sich auch damit beschäftigen wie diese Freiheit in Bezug auf Ressourcen und Strukturen gewährleistet werden kann.
Stefan Haslinger, Geschäftsführer der KUPF, Obmann der IG Kultur Österreich und Botschafter der Europäischen Jahres der Freiwilligenarbeit 2011
Unterstützungsabos
Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website.
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.
Ähnliche Inhalte
Theater in der Provinz 14.07.2021
Unterstützungsabos
Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website.
5€-Unterstützungsabo Redaktion
Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.
Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*
15€-Unterstützungsabo Redaktion
25€-Unterstützungsabo Redaktion
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren