01.11.2022
Themenreihe klimafreundlich
Autor*in
Achim Könneke
ist Kultur- und Tourismusreferent der Stadt Würzburg. Er studierte Kunst, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Germanistik und Philosophie, begann beruflich als Kunstkritiker, Redakteur und Kurator. Nach Leitung einer Kunstschule arbeitete er in den Kulturverwaltungen von Freiburg, Stuttgart und Hamburg, wo er das Programm Kunst im öffentlichen Raum leitete. Er initiierte 2021 das Würzburger Bündnis KlimaKultur. Neben Lehraufträgen engagiert er sich in Vorständen von mehreren kulturpolitischen Vereinen und Verbänden.
Vera Hefele
ist Kultur- und Transformationsmanagerin. Vor der Gründung von WHAT IF im Jahr 2020 war sie u.a. beim Ensemble Musikfabrik, an der Oper Köln, bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks und an der Bayerischen Staatsoper tätig. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen.
Teresa Trunk
ist Betriebswirtin, Kultur- und Transformationsmanagerin. Sie arbeitete u.a. beim Jazzlabel ACT Music und der Künstleragentur Künstlersekretariat am Gasteig. Im Jahr 2020 gründete sie mit Vera Hefele das Projektbüro für nachhaltige Kultur. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen.
Nachhaltigkeit beim Kulturreferat der Stadt Würzburg
Kulturwandel im und mit dem Kulturbereich
Dass Kulturverwaltungen für die nachhaltige Entwicklung eine zentrale Rolle einnehmen können, zeigt die Stadt Würzburg. Mit dem Bündnis KlimaKultur schlossen dort alle städtischen Kultureinrichtungen die Vereinbarung, die Klimakrise offensiv, gemeinsam und strategisch anzugehen. Wie Kultur in das kommunale Klimaschutzkonzept eingebunden wurde, erklärt Achim Könneke, der Bündnis-Initiator und Referent für Kultur und Tourismus der Stadt Würzburg. Das Interview führten Vera Hefele und Teresa Trunk vom What if Projektbüro für nachhaltige Kultur.
Themenreihe klimafreundlich
Welche Rolle spielt Kultur für Sie im Rahmen des Transformationsprozesses einer Stadt(-verwaltung) und wie wichtig ist es, dass Kultur in kommunalen Klimaschutzkonzepten verankert wird?
Achim Könneke: Wenn wir die extrem ambitionierten Klimaziele ansatzweise erreichen und unsere Städte zur Klimaneutralität umbauen wollen, müssen die Kulturbetriebe betriebsökologisch ihren Teil gesellschaftlicher Verantwortung beitragen. So pragmatisch kann man das sehen. Viel wichtiger aber ist es, die Chancen und die Verantwortung des Kultur- und des Bildungssektors mit ihren herausgehobenen Potenzialen für gesellschaftlichen Bewusstseins- und Kulturwandel zu nutzen. Es geht darum, die Akteur:innen zu motivieren, die eigenen Handlungsoptionen auszuloten und dabei vor allem ihre Rolle als Multiplikator:innen im Sinne der gesamtgesellschaftlichen Transformation engagiert auszufüllen. Denn wir sind ja nicht nur den Künsten, sondern auch der uns tragenden Gesellschaft verpflichtet, die von den Kultureinrichtungen eine intelligente und ästhetische Konfrontation mit relevanten Anregungen ebenso erwartet wie Orientierungsangebote bei den großen Fragen eines gelingenden, guten Lebens durch die spezifischen Sprachen der Künste.
Diese Verantwortung war meine zentrale Motivation, massiv dafür zu werben, dass Kultur und Bildung bei der Erarbeitung des gesamtstädtischen Klimaschutzkonzeptes als eigene Handlungsfelder aufgenommen werden. Denn tatsächlich waren die nicht vorgesehen. Über das Jahr 2022 wurde mit uns zusammen das Klimaschutzkonzept erstellt und mit Zielen und Handlungsempfehlungen auch für den Kulturbereich beschlossen. Bei den einzelnen Bausteinen wie "Energieeffiziente Kulturgebäude und Kulturbetriebe" oder "Kulturveranstaltungen werden klimaneutral" geht es immer um Fordern, Fördern, Flankieren, Aktivieren und Investieren. Die Einbindung in eine gesamtstädtische Strategie ist mittelfristig extrem wichtig. Aber sie ist nicht die Voraussetzung, um in der einzelne Kultureinrichtung oder einem Kulturdezernat anzufangen, das eigene Ändern zu leben und Visionen zu entwickeln.
Was waren die Gedanken, die zur Gründung des Bündnis KlimaKultur geführt haben? Worin liegt der Vorteil, sich als Bündnis zu formieren?
AK: Es ist ein Drama und alle wissen es. Vor inzwischen einem halben Jahrhundert hat der Club of Rome seinen bahnbrechenden "Bericht zur Lage der Menschheit" mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums" vorgelegt. Die Berechnungen sagten für Mitte des 21. Jahrhunderts den globalen Kollaps aufgrund der schon damals dramatischen planetarischen Ausbeutung voraus. Es brauchte dennoch Tschernobyl, Fukushima, Fridays for Future, Millionen Klimaflüchtlinge, zunehmende Klimakriege und die negativ-dynamische Globalisierung, um bei uns langsam zu verstehen, dass wir aktiv-zerstörerischer Teil des Problems sind. Und zwar durch fast alles, was wir in unserer - im globalen Maßstab gesehenen kleinen - privilegierten Bubble tun. Besser als Teil des Problems wäre es doch, Teil der Lösung zu sein.
Die Kultur ist aber nicht Teil des Problems, weil ihr ökologischer Fußabdruck übermäßig groß wäre, sondern das Problem liegt tiefer. Darin, dass selbst der eigentlich marktferne und dem Gemeinwohl verpflichtete öffentliche und gemeinnützige Kulturbetrieb über Jahrzehnte so radikal nach Maßstäben des Wettbewerbs, der Aufmerksamkeitsökonomie und der Output-Maximierung "optimiert" wurde, dass der eigentliche Sinn und gesellschaftliche Auftrag unseres Tuns immer weniger sichtbar ist. Der Begriff Gemeinwohl sagt selbst in öffentlichen Einrichtungen heute vielen nichts mehr. So erlebe ich das. Ziele und Ansprüche reduzieren sich auf Schneller, Höher, Weiter. Diese unkritische Anbetung des Wachstums zerstört aber nicht nur unsere Reflexionsfähigkeit, sie verengt auch geistige und schöpferische Horizonte und führt zu extremen Haltungsschäden. Ohne Haltung aber wird Kulturarbeit banales Entertainment. Mir persönlich geht es also auch um Motivation, wenigstens in der Kultur wieder visionär zu denken und nicht nur affirmativ zu funktionieren. Banden zu gründen oder Bündnisse zu bilden bringt dabei schlicht Multiperspektivität und macht stärker. Zudem bringt es Spaß in die Beschäftigung mit so wenig prickelnden Dingen wie CO2-Reduzierung. Durch das Bündnis sitzen jetzt regelmäßig Akteur:innen, die sich sonst nie begegnen, an einem Tisch und diskutieren Nachhaltigkeitsstrategien. Daraus könnten im besten Fall neue Kooperationen auch für anderes entstehen, etwa zwischen städtischen Einrichtungen und freier Szene.
Welche Aufgabe hat das Bündnis KlimaKultur in der Stadt Würzburg (nach innen und nach außen)?
AK: Alle städtischen Kultureinrichtungen, der Dachverband Freier Kulturträger und einige wichtige Freie Kultureinrichtungen sind seit Beginn 2021 dabei: mehrere Theater, Museum, Bibliothek, Archiv, Kulturamt, Konzerthalle, unsere Livemusikspielstätte, Musikschule, mehrere Festivals, ein Jugendkulturhaus und mehr, insgesamt 15 Einrichtungen. Unsere Aufgabe haben wir uns im ersten halben Jahr 2022 erarbeitet. Unser Anspruch: gemeinsam, offensiv und strategisch klimagerechte Kulturproduktion lernen und in die Betriebe implementieren. Die grobe Zielrichtung und zentralen Inhalte für die vom Projektbüro WHAT IF betreute, sechsmonatige Coaching-Phase haben wir in mehreren Runden auf Leitungsebene abgestimmt. Parallel zum Coaching gründen sich Nachhaltigkeits-AGs bzw. werden Beauftragte benannt, die für den kontinuierlichen Transfer in die Einrichtungen verantwortlich sind. Ich bin zur Halbzeit sehr zufrieden.
Die Finanzierung für einen nachhaltigen Change Prozess bei Kulturbetrieben sollten aus Umwelt- oder Wirtschaftstöpfen kommen. Sehen Sie eine der Hauptaufgaben von kommunalen Entscheidungsträgern darin, kulturellen Akteuren einen Zugang dazu zu vereinfachen?
AK: Zuständigkeit der Wirtschaft sehe ich absolut gar nicht. In einem Museum oder Theater weniger verschwenderisch und fairer zu wirtschaften, Unternehmensethik und Glaubwürdigkeit zu reflektieren ("practice what you preach") sowie Betrieb und Produktion vom Einkauf über Transporte, Vermittlung, Pädagogik, Catering bis zum Marketing im Sinne der 17 Sustainable Development Goals der UN nachhaltig umzustellen, ist ureigene Aufgabe des Kulturbereichs und zuallererst Selbstreflexion und Arbeit an der eigenen Haltung. Natürlich braucht es Expertise, die eingekauft und/oder entwickelt werden muss. Deshalb müssen Kommunen, Länder und der Bund hier Fortbildungs- und Förderprogramme aufstellen. Unser Nachhaltigkeitscoaching im Bündnis KlimaKultur Würzburg finanzieren wir mit bestem Gewissen aus Kulturförderbudgets. Parallel fahren wir auch noch ein Programm zur Unterstützung von Nachhaltigkeitsstrategien im Kulturbereich, also Ausbau der Teilhabe, der außerkünstlerischen Kollaborationen und Öffnung, der Digitalität bis zur Kulturellen Bildung. Ein bisschen weniger in Kunst und dafür etwas in nachhaltige Transformationsentwicklung zu investieren, stünde uns allen gut an. Wer etwas verändern will, findet Lösungen, wer nicht, findet Gründe.
Dieses Interview stammt aus unserem Leitfaden "Nachhaltigkeitsmanagement".
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