28.11.2022

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Achim Könneke
ist Kultur- und Tourismusreferent der Stadt Würzburg. Er studierte Kunst, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Germanistik und Philosophie, begann beruflich als Kunstkritiker, Redakteur und Kurator. Nach Leitung einer Kunstschule arbeitete er in den Kulturverwaltungen von Freiburg, Stuttgart und Hamburg, wo er das Programm Kunst im öffentlichen Raum leitete. Er initiierte 2021 das Würzburger Bündnis KlimaKultur. Neben Lehraufträgen engagiert er sich in Vorständen von mehreren kulturpolitischen Vereinen und Verbänden.
Berufsbilder im Kulturbereich

Städtische:r Kulturreferent:in

Kulturgestalter anstatt Kulturverwalter zu sein - das ist die Vision von Achim Könneke, Referent für Kultur- und Tourismus der Stadt Würzburg. Für ihn ist städtische Kulturverwaltung eine vielfältige gesellschaftsprägende Aufgabe, für die man vor allem Werte und Visionen braucht. Wie er das in seinem Berufsalltag umsetzt, erklärt er im Interview.

Themenreihe Berufsbild

Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie in besonderer Weise geprägt?
 
Achim Könneke: Aktuell bin ich nach mehreren beruflichen Stationen auf sechs Jahre bis 2024 vom Stadtrat gewählter Referent für Kultur- und Tourismus der Stadt Würzburg, also sogenannter Wahlbeamter. In anderen Bundesländern heißen diese Stellen Dezernent:in oder Beigeordnete:r. Normalerweise hat eine bestimmte Stadtratsfraktion das Vorschlags- bzw. Besetzungsrecht für solch einen politischen Posten. Dass eine solche Position ausgeschrieben und, wie in meinem Fall, mit einem parteilosen, dafür erfahrenen Kulturvermittler besetzt wird, ist - leider - die große Ausnahme. 
 
Ursprünglich komme ich aus der bildenden Kunst und dem Kulturjournalismus. Während meines Studiums der Kunst, Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie habe ich neben ersten Ausstellungen mit Begeisterung als Kunstkritiker und Redakteur bei Stadtmagazinen, der taz und fürs Radio gearbeitet und ein erstes Buch veröffentlicht.  Das war eine super Zeit, ich habe viel gelernt, wenn auch fast nichts verdient. Als nach der Ablehnung eines Promotionsstipendiums meine damalige Freundin ihr erstes von unseren heute vier gemeinsamen Kindern bekam, übernahm ich entsprechend dem Spruch "wir waren jung und brauchten das Geld" die Leitung der städtischen Kunstschule in Langenhagen und startete dort als Kulturreferent eine interventionistische Projektreihe "vor Ort - Kunst in städtischen Situationen". Das war gewissermaßen die Eintrittskarte, um wenig später nach Hamburg wechseln zu können, wo ich zehn Jahre lang das Programm Kunst im öffentlichen Raum der Kulturbehörde und das dortige Kunstreferat leiten durfte. Durchaus eine sehr privilegierte Sonderstellung, die mich stark geprägt hat. Ausgerechnet aus einer Behörde heraus mit lokalen wie internationalen Künstler:innen oft sehr anspruchsvolle Kunstprojekte in öffentlichen Räumen zu realisieren, also in der freien Wildbahn der Stadt, heißt, permanent als Vermittler und Anwalt der Kunst gegenüber Ämtern und Gremien zu agieren, die alle nicht auf die Kunst gewartet haben, um es diplomatisch auszudrücken. Ich glaube, dass diese Arbeit mit der Kunst außerhalb der für sie reservierten Kunsträume mich bis heute prägt. 
 
Um mich auch anderen Kunstsparten widmen zu können, habe ich anschließend kurz als stellvertretender Kulturamtsleiter in Stuttgart und dann 15 Jahre bis 2018 als Kulturamtsleiter in Freiburg gearbeitet. Dort und auch heute in Würzburg ist meine Grundhaltung, immer in Möglichkeitsräumen und nicht primär in Ressourcen zu denken. Kultur-Verwalter:innen denken im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel. Kultur-Gestalter:innen entwickeln Visionen und kämpfen dann mit guten Konzepten für Ressourcen. Verwalter:innen gibt es bei der Stadt zu viele. Ressourcen auszublenden und Visionen zuzulassen war zum Beispiel entschiedener - und erfolgreicher - Anspruch unseres beteiligungsorientierten Kulturkonzepts in Freiburg vor 15 Jahren, zu einer Zeit, als Partizipation noch lange kein Standard bei Kulturentwicklungsplanung war.
 
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Welche erfüllen Sie dabei mit besonderer Freude?
 
AK: Innerhalb der Verwaltungshierarchie bin ich politisch verantwortlich für alle Kultureinrichtungen, für zwei Eigenbetriebe, einige städtische Festivals und die Förderung der freien Szenen. Diese breite Zuständigkeit für alle künstlerischen Sparten und Einrichtungen und vor allem für zentrale Themen der gesamtstädtischen Kulturentwicklungsplanung, der Kulturellen Bildung, Erinnerungskultur, der nachhaltigen Transformationen in Bereichen wie Digitalität und Klimagerechtigkeit, Teilhabe und Inklusion ist in ihrer Vielfalt absolut anregend. Ich komme mit extrem unterschiedlichen Leuten zusammen, erlebe Kunst, Künstler:innen und Kulturmanager:innen in allen Facetten, lerne permanent dazu und bereichere ganz nebenbei mein Leben enorm. Gleichzeitig kann ich Impulse und Unterstützung geben - am liebsten den Akteur:innen, die Visionen haben, die sich mit dem Status Quo nicht zufriedengeben, sondern die Stadtgesellschaft mit Kunst und Kultur voranbringen wollen, sich als Transformateur:innen verstehen. Dabei sind Gespräche, Runde Tische und politische Rückendeckung oder Koordination oft wichtiger als die konkrete finanzielle Förderung. 
 
Dabei ist jeder Arbeitstag anders, obwohl bestimmte fixe Termine den Kalender auf Monate voraus gut füllen. Dazu gehören Runden mit Oberbürgermeister, Referent:innen oder den Direktionen unserer Kultureinrichtungen und Dienststellen, Fachausschüsse, Stadtrats- und Vorstandsitzungen, Haushalts- und Stellenplanberatungen, Arbeitskreise und anderes mehr. Dazu kommen kurzfristige Personal- oder Konfliktgespräche, Runde Tische und Einzelgespräche. Da geht es beispielsweise um die Restaurierung einer Dampflok, eine neue Festival-Idee, ein verfallendes Baudenkmal, einen Gedenkort, die drohende Insolvenz einer freien Kultureinrichtung, um Presseanfragen, Notfallpläne für den drohende Blackout und manches mehr. Als Aufgaben kommen dazu das Studium von Akten sowie Texte und Konzepte sowie Stadtratsvorlagen überarbeiten oder selbst schreiben. In Würzburg muss außerdem eine Menge kleinteiliger Sachbearbeitung vom Referenten selbst erledigt werden, es gibt neben dem Sekretariat eigentlich kein Backoffice. Das ist meines Erachtens ein grandioser struktureller Fehler ist, der dringend erforderliche Professionalisierung und Qualitätsentwicklung verhindert. 
 
Unterm Strich: Die persönliche Leidenschaft für die Kultur in ihrer Vielfalt dienstlich ausleben und strategisch-konzeptionell mitgestalten zu dürfen, ist ein wunderbares Privileg, lässt sich aber nur durchhalten, wenn das Konzert am Abend nicht als Dienstpflicht und entgangene Freizeit erlebt wird. Aber alles hat zwei Seiten: Unsäglich lange verwaltungsinterne Abstimmungen sowie manchmal unglaubliche strukturelle Beharrungskräfte schulen eine:n, auch mal wichtige Strategien des Billardspiels als Beschleuniger:innen in Entscheidungsprozessen zu nutzen.     
 
Aktuell freue ich mich, dass ohne Ausnahme alle städtischen Kultureinrichtungen und die wichtigsten freien Einrichtungen seit Anfang 2021 bei unserem Würzburger Bündnis KlimaKultur aktiv und engagiert mitarbeiten. Einfach machen war unsere Devise. Nach einem gemeinsamen halbjährigen Coaching-Prozess in Sachen Transformationskompetenz mit 16 Einrichtungen startet jetzt eine erste Fünfergruppe gemeinsam mit Klimabilanzierungen. Zudem scheint es zu gelingen, die Arbeit unseres Bündnisses, also die nachhaltige Transformation des Kulturbereichs auch im nächsten Jahr finanziell abzusichern. 
 
Welche Aspekte ihrer Ausbildung haben Ihnen bei ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
 
AK: Weder Kulturamtsleitung noch Kulturdezernent:in kann man studieren. Während meines Studiums gab es neben dem Taxifahren eigentlich keine anständige berufliche Perspektive. Das nachhaltigste waren Diskussionen zu philosophischen Grundfragen sowie eine sehr spezielle künstlerische und kunstpädagogische Praxis, die Erfahrungen und Praxis mit allen Sinnen ermöglichte. Heute ist meine zentrale Lebenserfahrung nach über 30 Jahren im Beruf, dass spezifische Fachkompetenzen bei Führungskräften meist überbewertet werden. Viel wichtiger ist Cultural Leadership im Sinne einer prozesshaften Führungskultur mit dem Anspruch, trotz der Hierarchien partnerschaftlich Kultur zu gestalten, Empathie sowie ethische Grundprinzipien und persönliche Haltung. Dafür gibt es keine Ausbildung. Wie in der Kunst geht es um Erfahrungslernen sowie selbstkritisches Hinterfragen der eigenen Rolle, Führungskultur und vor allem der gesellschaftlichen Relevanz der Kulturarbeit, die kontinuierlich neu erarbeitet werden muss.   
 
Welche Bereiche haben ihnen in ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
AK: Mir hat nichts gefehlt, ich habe mein Studium als Selbstbildung und nicht als Ausbildung interpretiert. Zentral ist für mich, anspruchsvoll zu bleiben und nicht den mittelmäßigen und bequemen Verwaltungsroutinen das Feld zu überlassen. Dabei die eigenen Grenzen kennen, auf kompetente Kolleg:innen setzen, learning by doing und sich über Fortbildungen, Tagungen und Fachlektüren kontinuierlich verbessern, das hört nie auf. Diverse Fachverbände und die Arbeit in der Kulturpolitischen Gesellschaft inspirieren und motivieren mich immer noch und wieder.
 
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
AK: Die fetten Jahre des Mehr sind vorbei. Zudem ist überdeutlich, dass die Kultur Teil des Problems einer extrem durchökonomisierten Gesellschaft ist, in der selbst eigentlich dem Gemeinwohl verpflichtete öffentliche Kultureinrichtungen nach den gleichen Maßstäben beurteilt werden wie Betriebe in der Chemie- oder Automobilindustrie. Hauptsache mehr! Die bereits begonnene große gesellschaftliche Transformation muss auch in der Kulturpolitik aktiv und visionär angegangen werden. Trends setzen, die irgendwann Standard werden, das wäre die Herausforderung der Stunde. Und dabei die Kunstfreiheit unbedingt verteidigen. Um Teil der Lösung zu werden, braucht es engagierte Kulturpolitiker:innen und Führungskräfte mit einem nachhaltigen Wertekanon, persönlicher Haltung und einem gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch. Dieser Club dürfte gern noch größer werden. 
 
Gab es Situationen in ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen Kulturmanager*innen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
AK: Kulturentwicklung und Kulturpolitik brauchen oft einen langen Atem. Humor und eine gewisse persönliche Distanz helfen, sich nicht zu schnell entmutigen zu lassen durch bequeme oder ängstliche Beharrungstendenzen. Ich habe gelernt, damit flexibel und strategisch zu spielen. Dennoch hat es mehrfach Situationen gegeben, in denen für mich persönlich klar wurde, dass meine Neugier und mein Gestaltungsanspruch drohten, sich in Routinen aufzulösen oder in strukturellen Sackgassen zu veröden. Rechtzeitig aufhören und neu anfangen ist eine hohe und wichtige Kunst, die auszuprobieren ich nur empfehlen kann. Feste Stelle, Beamt:innenstatus, Pension und ähnliches sind keine sinnstiftenden Ziele für ein bereicherndes und glückliches Leben. Das Leben ist zu kurz und birgt so viele Perspektiven, dass es nicht lohnt, sich mit mittelmäßigem Gewurschtel abzufinden oder aus Angst irgendwo kleben zu bleiben. Also mutig, anspruchsvoll und beweglich bleiben und den Weg ins Offene wagen. Habe ich nie bereut und hoffe, mir gelingt das auch weiterhin.
 

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