18.11.2016
Themenreihe Digitale Formate
Autor*in
Krisztián Fonyódi
Krisztián Fonyódi ist Leiter der Abteilung Digitale Photographie am Museum der Bildenden Künste, Budapest.
Werner Schweibenz
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich MusIS (MuseumsInformationsSystem) des Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg, Konstanz.
Online-Ausstellungen
Den Museumsbesuch vom Wohnzimmer aus erfolgreich umsetzen
Immer mehr Kulturinstitutionen wie Museen, Archive und Bibliotheken nutzen Online-Ausstellungen, um ihre Ausstellungen und Sammlungen stärker sichtbar zu machen und ihre Reichweite zu erhöhen. Doch fehlt bisher die theoretisch-wissenschaftliche Fundierung des Themas, um Fehler zu vermeiden und das Rad unnötiger Weise neu zu erfinden.
Themenreihe Digitale Formate
Für Kultureinrichtungen gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich im Web zu präsentieren, ein breiteres Publikum zu erreichen und mit den Besuchern in Kontakt zu kommen. Eine davon ist eine Online-Ausstellung. Sie "hat ein klares Konzept und ist gut kuratiert. Sie versammelt, verknüpft und verteilt digitale Medienobjekte, um innovative Präsentationen eines Themas bzw. einer Themenserie zu bieten, die den Benutzern umfangreiche Interaktionsmöglichkeiten erlaubt". Nach dieser Definition der EU Working Group on Online Exhibitions greift eine digitale Ausstellung die Kernelemente der Sonderausstellung auf und überträgt sie ins Netz. Die Sonderausstellung als klassischer Publikumsmagnet war im vordigitalen Museumswesen lange der beste Weg, Themenkomplexe oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse unabhängig vom eigenen Sammlungsbestand aufzubereiten. An diesem Ziel hat sich auch im Digitalen nichts geändert, deswegen benötigt auch die Online-Ausstellung fachliches, kuratorisches und konzeptionell-kommunikatives Know-how.
Beispiele für die erfolgreiche Präsenz von Kultureinrichtungen im Netz gibt es inzwischen viele. So ist etwa die Zahl der virtuellen Besucher des Rijksmuseum dreimal so hoch wie die des Museumsgebäudes; das Metropolitan Museum of Modern Art New York erreicht über seine Website 29 Millionen digitale Besucher, während nur ca. sechs Millionen jährlich das Gebäude besuchen (Pijbes 2015: 139). Auch das Städel-Museum in Frankfurt spricht mit seinen digitalen, inhaltsreichen und anspruchsvollen Formaten ein Vielfaches seiner Besucher vor Ort an. Obwohl die Popularität des Themas also steigt, fehlt es bisher an der theoretisch-wissenschaftlichen Fundierung und der fachlichen Anerkennung der Online-Aktivitäten.
Systematische Auseinandersetzung mit dem Thema
Schon seit einiger Zeit setzen sich Praktiker systematisch mit Online-Ausstellungen auseinander (beispielsweise Efferenn, Küchler & Meier 2013; Mundy & Burton, Jane 2013). Diese Aktivitäten werden mehr und mehr international vernetzt. Als Beispiel können zwei Arbeitsgruppen dienen:
Die erst 2015 gegründete internationale AG für Museumsdokumentation des International Committee for Documentation (CIDOC) im International Council of Museums (ICOM) unter Leitung von Gabriel Moore Forell Bevilacqua befindet sich derzeit noch Aufbaustadium. Entsprechend ist sie offen für Erweiterungen und Präzisierungen des Aufgabengebietes. Derzeit wird eine Arbeitsplattform im Internet aufgesetzt, über die künftig der Austausch erfolgen soll. Die Ziele der AG sind unter anderem:
- Beschreibung des aktuellen Stands und Erarbeiten von Definitionen
- Aufbau von Netzwerken zwischen bestehenden Initiativen und Informationsaustausch
- Analyse von bestehenden Problemen und Suche nach Lösungen
- Erarbeiten von Standards für die Dokumentation von Ausstellungen und Performances
Die eingangs genannte Working Group on Online Exhibitions befasst sich bereits seit 2011 mit den Aspekten von Online-Ausstellungen aus der Sicht von Museen. Sie war integriert in das von der Europäischen Union (EU) geförderte Projekt AthenaPlus und hat ihm zugearbeitet. Neben der zitierten Arbeitsdefinition gehören zu den öffentlich und kostenfrei zugänglichen Ergebnissen der Expertengruppe verschiedene Online-Ressourcen, eine Beispielsammlung, eine Checkliste und ein Metadatenset für die Beschreibung von Online-Ausstellungen. In einer Online-Datenbank wird zudem Literatur über Online-Ausstellungen erfasst und von der Expertengruppe analysiert. Dort finden sich auch Informationen zu Richtlinien, Online-Trainings, Werkzeugen und Projekten.
Fehler und Tipps für die Umsetzung von Online-Ausstellungen
Die Auswertung von Literatur zu Online-Ausstellungen zeigt beispielhafte Mängel in Bezug auf die Umsetzung entsprechender Ansätze auf (Schweibenz 2011). Häufige Fehler sind:
- die Konzentration der Präsentation auf die wissenschaftliche Sicht anstatt auf die der (Laien-)Benutzer;
- ein (Informations-)Design für alle anstatt einer Berücksichtigung der verschiedenen Zielgruppen, besonderen Bedürfnissen oder Fragestellungen;
- alternativloser Einsatz von cutting edge- oder noch besser bleeding edge-Technologie, die verschiedene Benutzergruppen nicht sinnvoll nutzen können.
Um solchen Fehlern vorzubeugen und sich besser über gelungene Online-Ausstellungen informieren zu können, war es für die Arbeit der Expertengruppe wichtig, ihre theoretischen und praktischen Überlegungen an Beispielen aus der Praxis zu überprüfen. Nach einer gemeinsamen Begutachtung wurden einige davon ausgewählt und auf der Website publiziert, wobei die Beschreibung immer in Englisch und zusätzlich meist in einer weiteren Sprache erfolgte. Wie häufig bei Beispielen, entsprechen die ausgewählten Online-Ausstellungen nicht in allen Punkten den theoretischen Maximalanforderungen an oder Idealvorstellungen von einer optimalen Online-Ausstellung; sie enthalten in ihrer Umsetzung aber stets einzelne Aspekte, die interessant und inspirierend sind und unabhängig von der Größe einer Institution umgesetzt werden können.
Für kleinere Häuser bieten sich Open-Source-Werkzeuge wie MOVIO an, die Museen oft kostenlos zur Verfügung stehen. MOVIO wird europaweit eingesetzt, beispielsweise für ein kleines Abteimusem in Belgien (Eyck 2015) oder ab März 2017 für drei thematische Online-Ausstellungen von ungarndeutschen Heimatstuben.
Für die Planung und Umsetzung von Online-Ausstellungen kann zudem eine Checkliste hilf-reich sein. Deshalb hat die Expertengruppe eine Liste mit Prüfpunkten erarbeitet. Sie wurden entsprechend den Ar-beitsschritten in folgende Phasen zusammengefasst, die jeweils mit verschiedenen Leitfragen versehen sind:
- Konzeptphase (Concept Phase)
- Ressourcenplanungsphase (Resources Planning Phase)
- Außenwirkungsphase (Outreach Phase)
- Konstruktionsphase (Construction Phase)
- Evaluationsphase (Evaluation Phase)
Doch nicht nur die Bereiche Kuration und Kommunikation müssen sich zunehmend mit Online-Ausstellungen befassen. Auch aus dokumentarischer Sicht handelt es sich um einen neuen Typ von Ressourcen, die als neuartige Entitäten dokumentiert werden müssen, damit sie in lokalen, nationalen und internationalen Verzeichnissen und Portalen nachgewiesen werden können. Dies ist die Grundlage dafür, dass sie auffindbar und zugänglich gemacht werden. Deshalb erstellte die Expertengruppe ein Metadatenset auf der Basis bibliothekarischer Standards. Auf diese Weise kann an die bestehende Praxis des Katalogisierens in Kultureinrichtungen angeknüpft werden kann. Das Metadatenset besteht aus sieben Abschnitten und 30 Elementen, die einzeln beschrieben und mit Anmerkungen für die praktische Verwendung versehen sind.
Ausblick
Die beiden Arbeitsgruppen zeigen, dass in der Museumsgemeinschaft das Interesse an einem Austausch zu Online-Ausstellungen immer stärker wird, weil diese als wichtiges Medium für die Außenwirkung von Museen verstanden werden. Während es zum Kuratieren, Vermitteln und Dokumentieren klassischer Sonderausstellungen bereits eine breites Spektrum an Konferenzen und Publikationen gibt, mit denen sich die Mitarbeiter der Kultureinrichtungen austauschen und weiterbilden können, müssen für das Feld der Online-Ausstellungen erst noch Maßstäbe für Qualität und Attraktivität erarbeitet werden. Um den Stand der Kunst auf diesem Gebiet voranzubringen, stehen beide Arbeitsgruppen neuen Mitgliedern offen und freuen sich auf Rückmeldungen und Diskussionen.
Literatur
Efferenn, Kristof; Küchler, Julia; Meier, Stefanie (2013): Bewertungskriterien für Online-Ausstellungen. In: KulturBetrieb, 4/2013: 5455.
Eyck, Griet van (2015): Leonardo da Vincis Last Supper in Belgium. Traces of Humanism Preserved in a Once Flourishing Abbey. In: Uncommon Culture, 6 (1) 2015: 98-105.
Mundy, Jennifer; Burton, Jane (2013): Online Exhibitions. In: Museums and the Web 2013. Proceedings from the annual conference of Museums and the Web, April 17-20, 2013, Portland, USA.
Pijbes, Wim (2015): The Battle for Beauty in a Virtual World. How Museums Can Profit from the Digital Revolution. In: Uncommon Culture, 6 (2) 2015: 130-137.
Schweibenz, Werner (2012): How to create the worst online exhibition possible - in the best of intention (Paper presented at the EVA Florence, Florence 05/05/2011).
Schweibenz, Werner (2011): Wie gestaltet man in bester Absicht eine schlechte Online-Ausstellung? Hinweise aus der Forschungsliteratur. In: Museumskunde, Bd. 76, 1/2011. 90-99.
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