05.08.2022
Themenreihe Digitale Formate
Autor*in
Clara Jansen-Bauer
studierte Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Marketing und Kulturmanagement in den Niederlanden sowie Business Administration an der FOM Wuppertal. 2010 absolvierte sie ein Praktikum beim Tanztheater Wuppertal. Seit 2011 arbeitet sie bei der Pina Bausch Foundation, wobei ihr Schwerpunkt auf dem digitalen Archiv liegt.
Studie zur Sinnhaftigkeit von digitalen Kulturangeboten
Der Mehrwert digitaler Formate für Nutzer*innen
Welchen Mehrwert haben die digitalen Vermittlungsformaten, mit denen Archive, Bibliotheken und Museen während der COVID-19 Pandemie experimentiert haben, um den Besucher*innen einen Zugang zu ihren Wissensbeständen zu ermöglichen? Dies untersuchte eine Bachelorarbeit an der FOM Hochschule Wuppertal.
Themenreihe Digitale Formate
Ohne den Nutzen von digitalen Formaten und die damit verbundenen Bedürfnisse aus der Besucher*innenperspektive zu kennen, können solche Vermittlungsangebote ihren Zweck leicht verfehlen. Die empirische Bachelorstudie verfolgte deshalb den Anspruch, ein besseres Verständnis für digitale und hybride Angebote zu entwickeln sowie die Bedürfnisse auf Seiten der Nutzer*innen besser zu verstehen. Ziel ist es, zukunftsorientierte Potenziale aufzudecken.
Für die Studie wurden vier Interviews mit Expert*innen aus den Bereichen Archiv, Bibliothek und Museum sowie 93 schriftliche digitale Befragungen durchgeführt, wobei 68 davon für eine weitere Auswertung herangezogen werden konnten. Durch eine offene Fragestellung war es möglich, qualitativ zu arbeiten und gleichzeitig möglichst viele Teilnehmer*innen zu begeistern. Die Teilnehmenden wurden über diverse Social Media-Kanäle persönlich angesprochen.
Um kooperative Potenziale digitaler Nutzungsarten herauszuarbeiten, wurden die Interviews mittels verschiedener Methoden inhaltlich erschlossen. In einem zirkularen Prozess wurden sie zu Ober-, Kern- und Subkategorien zusammengefasst. Daraus ergaben sich 252 unterschiedliche Nutzungsarten (Kategorien). Diese wurden zum einen den Sparten zugeordnet, zum anderen spartenübergreifend und für alle Institutionen gleichermaßen geltend formuliert. Die detaillierten Ergebnisse zu den Sparten können in der ausführlichen Version dieses Beitrags im Kultur Management Network Magazin "Freiwilligenmanagement" nachgelesen werden.
Digitale Formate und Nutzungsarten
Das befragte Archiv bietet im Rahmen digitaler Formate zum Beispiel "unterschiedliche Ansprachen" sowie "Bedienungsfreundlichkeit", "Information" oder "Partizipation", welche auch von den Besucher*innen gewünscht werden. Darüber hinaus werden unter anderem verstärkt "kommunikative Elemente" angeboten, welche nicht explizit für diese Sparte nachgefragt wurden. Hingegen wurde ein verstärkter Fokus auf "Ästhetik" als wünschenswert formuliert.
Zwei Schwerpunkte waren zudem beim Archiv besonders wichtig: Wenn die gesamte Bevölkerung einen Nutzen aus dessen digitalen Formaten ziehen soll, muss die Institution auf allen Ebenen (digital, hybrid, analog) eine digitale Kompetenzentwicklung ermöglichen. Gerade für das ältere Publikum ist dabei die analoge Ansprache besonders wichtig. Darüber hinaus gab es einen zweiten Schwerpunkt, der vom Archiv hervorgehoben wurde: die Sichtbarkeit. Durch die neuen Möglichkeiten im digitalen Raum hat die Sparte die Chance, ihrem analogen, "verstaubten" Image entgegenzuwirken und sich neu zu erfinden sowie neu zu positionieren.
Im Vergleich dazu decken digitale Bibliotheksformate vor allem ein bedarfsgerechtes Angebot (Anfrage = Nachfrage) zum Beispiel durch "Bedienungsfreundlichkeit" ab. Darüber hinaus bieten sie eine "unterschiedliche Ansprache" an, die nicht explizit in dieser Sparte nachgefragt wird. Hingegen sehen die Nutzer*innen ein mögliches Potenzial in der Berücksichtigung der "Besucher*innenorientierung" als wünschenswert an.
Im Interview mit der Bibliothek wurde der Schwerpunkt auf die Nutzung der digitalen Angebote gelegt. Hierbei waren sowohl die "inhaltliche Relevanz" als auch die "technische Umsetzung" und "Bedienungsfreundlichkeit" von Belang. Dabei muss erwähnt werden, dass die meisten digitalen Formate in Bibliotheken von externen Anbietern gekauft und betreut werden. Weiterhin wurde ein besonderer Fokus auf ein Autorisierungs- und Anmeldeverfahren gelegt, mit dem die Nutzer*innen einfach auf eine große Anzahl von verschiedenen digitalen Formaten zugreifen können.
Im befragten Museum hat sich die Vermittlung als Grundpfeiler digitaler Überlegungen manifestiert. Es gilt die Grundhaltung, dass digitale Formate nur durch eine konzeptionelle Einbindung in das Gesamtkonzept der Besucher*innenreise (Visitor Journey) ihr ganzes Potenzial entfalten können. Zusätzlich wird die Maxime verfolgt, dass die digitalen Formate als optimales Vermittlungsformat für den selbst gewählten Inhalt fungieren sollten. Der Kernnutzen ist die "Wissensvermittlung", welche dem Publikum auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichen Zugängen und Formaten angeboten wird.
Digitales Potenzial für Archive, Museen und Bibliotheken in Kooperation
Die interdisziplinäre Synthese der Arbeit führt die gesamten hergeleiteten Ergebnisse zusammen, das bedeutet die Wahl der Kanäle sowie die Inhalte und Nutzungsarten. Hierbei wurden die von allen Institutionen angebotenen Formate mit der spartenübergreifenden Nachfrage gleichgesetzt. Demnach entfallen Angebote, die nur von einzelnen Sparten bedient werden. Dies dient dem Zweck, allgemeingültige Bedürfnisse zu ergründen, die in Kooperationen berücksichtigt oder gemeinsam erarbeitet werden können.
Bei der Synthese wird ersichtlich, dass die Nutzer*innen für alle Gedächtnisinstitutionen noch Potenzial in der Kanal-Wahl sehen. Die digitalen Angebote aller Einrichtungen zusammen decken ein Bedürfnis in Bezug auf die gesamten Gedächtnisinstitutionen ab, wie etwa Apps, Augmented Reality, Messenger, multimediale Formate oder Podcasts. Dennoch gibt es auch offene Potenziale bei der Gestaltung des flächendeckenden Angebots, wie etwa 3D-Inhalte, audiovisuelle Formate oder TV-Kanäle.
Im folgenden Abschnitt werden die angebotenen und nachgefragten Inhalte von digitalen Formaten abgeglichen. Die Auswertung zeigt, dass die Anzahl an Optionen nicht unbedingt die Gewichtung beeinflusst:
1. Information
2. Unterhaltung
3. Austausch
Auch bei den Inhalten werden Bedürfnisse bedient (abgebildet in der Spalte "Angebote = Nachfrage"), aber auch Potenziale erkennbar. So stimmt das Angebot in Bezug auf die sachlichen Informationen, wie Öffnungszeiten, Suche und Neuigkeiten, mit dem Wunsch der Nutzer*innen überein. Potenziale gibt es hier insbesondere im Open Access sowie in der vollständigen Verfügbarkeit von Objekten. Im Austausch-Format gab es Übereinstimmungen in den Bereichen Beratung, Kommunikation und Vermittlung durch Bildungsangebote. Weitere Chancen wurden im Bereich Kommunikation (Kommentarfunktion, persönliche Sprechstunden) und in der individuellen und institutionellen Vernetzung gesehen. Der individuelle, bedarfsorientierte Austausch wurde dabei häufig präferiert.
Bei den Unterhaltungsformaten wurden spielende und erzählende Formate gewünscht und auch angeboten. Hybride Formate, digitale Präsentationen von Ausstellungen und Führungen - auch in einer Bibliothek oder dem Archiv - wurden als wünschenswerte Option thematisiert. Interaktive Formate wurden von allen Institutionen spartenübergreifend angeboten, aber nicht von allen Nutzer*innen für alle Institutionen gleichermaßen nachgefragt.
Zu guter Letzt folgt der im Zentrum dieser Studie stehende untersuchte "Mehrwert". Für alle drei Institutionen scheinen die angebotenen digitalen Nutzungsarten auch der Nachfrage zu entsprechen. Anbieter*innen und Nutzer*innen sehen den Mehrwert in digitalen Formaten bei folgenden Kriterien als gegeben an:
Das Potenzial, das nachgefragt, aber noch nicht von allen Institutionen individuell oder in Kooperation angeboten wird, umfasst die folgende Kriterien:
Das Ergebnis zeigt, welches große Entwicklungs- und Entfaltungspotenzial die unterschiedlichen Nutzungsarten für alle Gedächtnisinstitutionen bergen. In Kooperation oder individuell von Seiten einzelner Institutionen lassen sich diese Faktoren weiter ergründen, sodass sie bei der Konzeption und Umsetzung von digitalen Formaten einen sinnvollen, realen Mehrwert für die Nutzer*innen erzeugen können.
Fazit
Einige experimentelle Angebote von Kultureinrichtungen zielen hinsichtlich der Bedürfnisse ihrer digitalen Nutzer*innen ins Blaue hinein. Die Arbeit konnte die Ungewissheit über die Nutzung ein wenig klären. Es entstand ein geschärftes Bild über die spartenspezifischen als auch branchenübergreifenden Nutzungspräferenzen. Diese Studie zeigt, dass viele digitale Angebote der untersuchten Institutionen bereits vorhandene Bedürfnisse der Nutzer*innen bedienen. Darüber hinaus wird vor allem das große Potential deutlich, welches sie noch ausschöpfen können. Dieser Umstand birgt eine wertvolle Chance für Archive, Bibliotheken und Museen. Sie können mithilfe digitaler Formate nicht nur ihr Image aus der analogen Welt hinter sich lassen, sondern haben auch die Möglichkeit, eine dringend benötigte größere Sichtbarkeit als gesellschaftsrelevante Institution zu erlangen.
Dieser Beitrag erschien zuerst im freien Teil des Kultur Management Network Magazins "Freiwilligenmanagement". Weitere Einblicke gibt die Autorin am 10.08.2022 um 11 Uhr in einem Online-Vortrag zum Thema "GLAM im Wandel - Erfolgsfaktoren für kulturelle Angebote im digitalen Raum" an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management. Anmeldung via Mail an* jana-marie.haja@bcw-gruppe.de. Einladungs-Link zur Veranstaltung wird per Mail zugesandt.
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