04.05.2015
Autor*in
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Tagung FOCUS über Menschen im Museum
Service all inclusive
Ein Museumsbesuch sollte wie ein Urlaub sein, eine Mischung aus Entspannung, Spaß, inspirierenden Eindrücken und neuem Wissen. Damit der Besucher mit einem Lächeln wieder nach Hause fährt, gehört heute auch ein rund-um-sorglos Servicepaket all inclusive dazu. Mit der Frage, wie das aussehen kann, beschäftigte sich die Tagung Focus. Menschen. Machen. Museum.
Mit den Wunderkammern der frühen Neuzeit sind Museen heute kaum mehr zu vergleichen. Doch gab es in diesen stets spannende Kuriositäten zu sehen, während sich das Auge des modernen Besuchers längst an Vitrinen mit Stücken aus aller Welt und Zeit gewöhnt hat. Für die Menschen ist Staunen aber nach wie vor ein wichtiger Aspekt des Museumsbesuchs im Kulturtouristiker-Sprech der Erlebniseffekt. Dieser beginnt vor einem Ausstellungsbesuch und endet nicht nach einer gelungenen Führung.
Ein Erlebnis ist dabei nicht oberflächlich und kurzfristig, sondern kann nachhaltige und tiefgehende Eindrücke mit sich bringen sowohl im positiven wie im negativen. Ein Besuch muss als bereichernd wahrgenommen und weitergegeben werden, um gegenüber der Konkurrenz an Kultur- und Freizeitangeboten zu bestehen. Damit dies gelingt, muss sich ein Museum als Serviceeinrichtung anstatt als Experten-Institution verstehen. Hier setzen die neuen Formen der digitalen Kommunikation an. Ihr dialogischer und partizipativer Ansatz bringt aber auch für den analogen Bereich Veränderungen und neue Aufgabenfelder mit sich, etwa in der passgenauen Kommunikation und Betreuung für alle Zielgruppen. Wie vielfältig diese sind, zeigte das Spektrum der Tagung Focus. Menschen. Machen. Museum. Sie versammelte am 26. und 27. März im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg Vertreter verschiedenster Museumstypen sowie von Forschungs- und Serviceeinrichtungen rund um Museen.
Der klassische Besucher
Obwohl längst etabliert, sind museale Angebote für die klassischen Besucher wie Kinder, Familien oder Touristengruppen oft aber auch unverändert trotz neuen Ansprüchen und Wünschen dieser Zielgruppen an einen Kulturbesuch und immer neuen Erkenntnissen etwa über kindliches Lernen, spielerischen Wissenserwerb oder Gruppendynamiken. Grabungscamp und Forscherlabor des LWL-Museums für Archäologie Herne, die experimentellen Ansätze des Museums für Urgeschichte(n) Zug oder der Kinderbeirat des Landesmuseums Württemberg Stuttgart zeigten bei Focus, wie es Besucher und Mitarbeiter eines Hauses gleichermaßen bereichert, Zielgruppen partizipativ Ausstellungen und Begleitprogramme mitgestalten oder neben den Ausstellungsstücken auch die Wissenschaften dahinter entdecken zu lassen.
Gerade bei den klassischen Museumsbesuchern kommt auch der digitalen Vermittlung eine immer größere Bedeutung zu. Entsprechende Angebote wie Apps oder onlinebasierte Spiele werden begeistert angenommen vorgestellt wurden bei Focus u.a. The Secret Legacy des Museums für Naturkunde Berlin, der Adventure-Baukausten der InformationsGesellschaft mbH oder die Ergebnisse der letztjährigen Ausgabe des Projektes Coding DaVinci, bei dem Kultureinrichtungen, Designer und Entwickler gemeinsam aus Kulturdaten digitale Projekte entwickeln.
Neue, plurale Besucher
Unsere Gesellschaft war schon immer pluralistisch, doch Integration und Inklusion sind erst in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt der Museumsarbeit geworden. Trotzdem gibt es bereits eine Reihe vorbildhafter Projekte. So setzen sich etwa das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit oder das Institut für Museumsmanagement der HTW Berlin intensiv mit lebenslangem Lernen im Museum auch für beeinträchtige Besucher auseinander. Beide machten bei Focus deutlich, dass entsprechende Angebote vor allem eine Sensibilisierung und Spezialisierung sowohl der Mitarbeiter der Pädagogik als auch der Kommunikation brauchen.
Gleiches gilt für den noch jungen Bereich der Geragogik, also der Vermittlung an ältere Menschen oder Menschen mit Demenz. Die Galerien der Stadt Esslingen am Neckar etwa haben mit ihren Demenzkoffern ein außer-Haus-Angebot entwickelt, bei dem es weniger um die Vermittlung von Inhalten als um das Erinnern anhand haptischer und optischer Eindrücke geht. Das ARTEMIS-Projekt des Städel Museums hingegen arbeitet im Haus mit Demenzkranken und ihren Betreuern an der kreativen Auseinandersetzung mit sich selbst und der Beziehung zu Familie und Freunden.
Und was ist mit Nicht-Besuchern?
Unabhängig von finanziellen Rahmenbedingungen oder inhaltlichen Schwerpunkten sollten Museen auch Service für Menschen bieten, die sich nicht in die Kategorie Besucher einordnen lassen. Zum einen sind dies die Nicht-Besucher. Andrea Prehn vom Institut für Museumsforschung zeigte bei Focus auf, dass mehr als die Hälfte der Deutschen und vor allem die bildungsferneren Schichten kaum ins Museum gehen. Warum dies so ist, machte Prof. Dr. Holger Höge von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg deutlich: Während Museumsbesucher etwas lernen möchten, also intrinsisch motiviert sind, sehen Nicht-Besucher genau das als Belastung an. Für sie haben extrinsische Motivatoren einen besonders hohen Stellenwert, wie Anknüpfungspunkte und direkte Lerneffekte für ihren Arbeitsalltag, die mit Zertifikaten bestätigt werden. Hierfür müssen Museen präzisieren, welche nützlichen und zeitgemäßen Fähig- und Fertigkeiten genau sie vermitteln können. Auf diese Weise könnten sie sich als validierte Vermittler in die (Weiter)Bildungslandschaft integrieren und ihre Position auch politisch stärken.
Mit dem Schwerpunkt von Focus auf dem sozialen Miteinander im Museum ging es auch um die Beziehung zu Ehrenamtlichen, Fördervereinen oder Stakeholdern, um Kooperationen mit der (Kreativ)Wirtschaft und nicht zuletzt um die Mitarbeiter selbst. So präsentierte Katrin Hansch Museum & Location. Diese Public Private Partnership-Agentur übernimmt für die Berliner Museen die Veranstaltungsplanung und gibt ihre Einnahmen abzüglich der Aufwandskosten komplett an diese ab. Als externer Dienstleister für beide Seiten sind die Mitarbeiter spezialisiert auf die Bedürfnisse sowohl der Museen als auch der Veranstalter.
Auch Dr. Kathrin Eggelet vom Freundeskreis Kunsthalle Hamburg zeigte auf, welche Potentiale es mit sich bringt, Aufgaben, die ein Museum nicht selbst bewältigen kann, auf Basis guter Beziehungen outzusourcen. So kann sich ein Freundeskreis etwa unabhängig von politischen Vorgaben auch kritisch äußern oder ein Ausprobierumfeld für Museen sein. Zudem kann er eigene Projekte vorantreiben, um junge Besucher verstärkt anzusprechen, wie Dr. Andrea Langer vom Germanischen Nationalmuseum betonte. Beides braucht aber die Bereitschaft von Seiten des Hauses, sich auf die veränderten Erwartungen von Seiten der Zielgruppen einzulassen und den zugehörigen Aufgaben den notwendigen Raum zu verschaffen.
Vom Kleinen zum Großen
Der abschließende Vortrag der Tagung von Sabine Jank über die Idee des vernetzten Museums fasste schließlich die Vielzahl an Serviceaspekten in einem modernen Museum zusammen. Um diese nachhaltig zu verankern, brauche es ein Selbstbild, das alle Abteilungen eines Hauses unter dem Stichwort der Besucherzentrierung vereint. Ein vernetztes Museum ist laut Janks Vision ein Ort, an dem sich Besucher austauschen und kreativ ausprobieren können. Hierfür, so zeigte sie auf, sind extern, aber vor allem intern vernetzte Strukturen notwendig, die die Vermittlung nicht von Kuration oder Öffentlichkeitsarbeit trennen, sondern die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen und mit kreativen Methoden ins Zentrum stellen. Dafür braucht es spezifische Kompetenzen, die in museologischen und museumsmanagerialen Aus- und Weiterbildungen bisher nur bedingt abgedeckt werden. So bleibt für die nächste Focus-Tagung nur der Wunsch offen, auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter eines Museums stärker in den Fokus zu setzen.
Ein Erlebnis ist dabei nicht oberflächlich und kurzfristig, sondern kann nachhaltige und tiefgehende Eindrücke mit sich bringen sowohl im positiven wie im negativen. Ein Besuch muss als bereichernd wahrgenommen und weitergegeben werden, um gegenüber der Konkurrenz an Kultur- und Freizeitangeboten zu bestehen. Damit dies gelingt, muss sich ein Museum als Serviceeinrichtung anstatt als Experten-Institution verstehen. Hier setzen die neuen Formen der digitalen Kommunikation an. Ihr dialogischer und partizipativer Ansatz bringt aber auch für den analogen Bereich Veränderungen und neue Aufgabenfelder mit sich, etwa in der passgenauen Kommunikation und Betreuung für alle Zielgruppen. Wie vielfältig diese sind, zeigte das Spektrum der Tagung Focus. Menschen. Machen. Museum. Sie versammelte am 26. und 27. März im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg Vertreter verschiedenster Museumstypen sowie von Forschungs- und Serviceeinrichtungen rund um Museen.
Der klassische Besucher
Obwohl längst etabliert, sind museale Angebote für die klassischen Besucher wie Kinder, Familien oder Touristengruppen oft aber auch unverändert trotz neuen Ansprüchen und Wünschen dieser Zielgruppen an einen Kulturbesuch und immer neuen Erkenntnissen etwa über kindliches Lernen, spielerischen Wissenserwerb oder Gruppendynamiken. Grabungscamp und Forscherlabor des LWL-Museums für Archäologie Herne, die experimentellen Ansätze des Museums für Urgeschichte(n) Zug oder der Kinderbeirat des Landesmuseums Württemberg Stuttgart zeigten bei Focus, wie es Besucher und Mitarbeiter eines Hauses gleichermaßen bereichert, Zielgruppen partizipativ Ausstellungen und Begleitprogramme mitgestalten oder neben den Ausstellungsstücken auch die Wissenschaften dahinter entdecken zu lassen.
Gerade bei den klassischen Museumsbesuchern kommt auch der digitalen Vermittlung eine immer größere Bedeutung zu. Entsprechende Angebote wie Apps oder onlinebasierte Spiele werden begeistert angenommen vorgestellt wurden bei Focus u.a. The Secret Legacy des Museums für Naturkunde Berlin, der Adventure-Baukausten der InformationsGesellschaft mbH oder die Ergebnisse der letztjährigen Ausgabe des Projektes Coding DaVinci, bei dem Kultureinrichtungen, Designer und Entwickler gemeinsam aus Kulturdaten digitale Projekte entwickeln.
Neue, plurale Besucher
Unsere Gesellschaft war schon immer pluralistisch, doch Integration und Inklusion sind erst in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt der Museumsarbeit geworden. Trotzdem gibt es bereits eine Reihe vorbildhafter Projekte. So setzen sich etwa das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit oder das Institut für Museumsmanagement der HTW Berlin intensiv mit lebenslangem Lernen im Museum auch für beeinträchtige Besucher auseinander. Beide machten bei Focus deutlich, dass entsprechende Angebote vor allem eine Sensibilisierung und Spezialisierung sowohl der Mitarbeiter der Pädagogik als auch der Kommunikation brauchen.
Gleiches gilt für den noch jungen Bereich der Geragogik, also der Vermittlung an ältere Menschen oder Menschen mit Demenz. Die Galerien der Stadt Esslingen am Neckar etwa haben mit ihren Demenzkoffern ein außer-Haus-Angebot entwickelt, bei dem es weniger um die Vermittlung von Inhalten als um das Erinnern anhand haptischer und optischer Eindrücke geht. Das ARTEMIS-Projekt des Städel Museums hingegen arbeitet im Haus mit Demenzkranken und ihren Betreuern an der kreativen Auseinandersetzung mit sich selbst und der Beziehung zu Familie und Freunden.
Und was ist mit Nicht-Besuchern?
Unabhängig von finanziellen Rahmenbedingungen oder inhaltlichen Schwerpunkten sollten Museen auch Service für Menschen bieten, die sich nicht in die Kategorie Besucher einordnen lassen. Zum einen sind dies die Nicht-Besucher. Andrea Prehn vom Institut für Museumsforschung zeigte bei Focus auf, dass mehr als die Hälfte der Deutschen und vor allem die bildungsferneren Schichten kaum ins Museum gehen. Warum dies so ist, machte Prof. Dr. Holger Höge von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg deutlich: Während Museumsbesucher etwas lernen möchten, also intrinsisch motiviert sind, sehen Nicht-Besucher genau das als Belastung an. Für sie haben extrinsische Motivatoren einen besonders hohen Stellenwert, wie Anknüpfungspunkte und direkte Lerneffekte für ihren Arbeitsalltag, die mit Zertifikaten bestätigt werden. Hierfür müssen Museen präzisieren, welche nützlichen und zeitgemäßen Fähig- und Fertigkeiten genau sie vermitteln können. Auf diese Weise könnten sie sich als validierte Vermittler in die (Weiter)Bildungslandschaft integrieren und ihre Position auch politisch stärken.
Mit dem Schwerpunkt von Focus auf dem sozialen Miteinander im Museum ging es auch um die Beziehung zu Ehrenamtlichen, Fördervereinen oder Stakeholdern, um Kooperationen mit der (Kreativ)Wirtschaft und nicht zuletzt um die Mitarbeiter selbst. So präsentierte Katrin Hansch Museum & Location. Diese Public Private Partnership-Agentur übernimmt für die Berliner Museen die Veranstaltungsplanung und gibt ihre Einnahmen abzüglich der Aufwandskosten komplett an diese ab. Als externer Dienstleister für beide Seiten sind die Mitarbeiter spezialisiert auf die Bedürfnisse sowohl der Museen als auch der Veranstalter.
Auch Dr. Kathrin Eggelet vom Freundeskreis Kunsthalle Hamburg zeigte auf, welche Potentiale es mit sich bringt, Aufgaben, die ein Museum nicht selbst bewältigen kann, auf Basis guter Beziehungen outzusourcen. So kann sich ein Freundeskreis etwa unabhängig von politischen Vorgaben auch kritisch äußern oder ein Ausprobierumfeld für Museen sein. Zudem kann er eigene Projekte vorantreiben, um junge Besucher verstärkt anzusprechen, wie Dr. Andrea Langer vom Germanischen Nationalmuseum betonte. Beides braucht aber die Bereitschaft von Seiten des Hauses, sich auf die veränderten Erwartungen von Seiten der Zielgruppen einzulassen und den zugehörigen Aufgaben den notwendigen Raum zu verschaffen.
Vom Kleinen zum Großen
Der abschließende Vortrag der Tagung von Sabine Jank über die Idee des vernetzten Museums fasste schließlich die Vielzahl an Serviceaspekten in einem modernen Museum zusammen. Um diese nachhaltig zu verankern, brauche es ein Selbstbild, das alle Abteilungen eines Hauses unter dem Stichwort der Besucherzentrierung vereint. Ein vernetztes Museum ist laut Janks Vision ein Ort, an dem sich Besucher austauschen und kreativ ausprobieren können. Hierfür, so zeigte sie auf, sind extern, aber vor allem intern vernetzte Strukturen notwendig, die die Vermittlung nicht von Kuration oder Öffentlichkeitsarbeit trennen, sondern die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen und mit kreativen Methoden ins Zentrum stellen. Dafür braucht es spezifische Kompetenzen, die in museologischen und museumsmanagerialen Aus- und Weiterbildungen bisher nur bedingt abgedeckt werden. So bleibt für die nächste Focus-Tagung nur der Wunsch offen, auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter eines Museums stärker in den Fokus zu setzen.
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