17.04.2023
Themenreihe klimafreundlich
Autor*in
Thomas Sakschewski
ist Professor für Veranstaltungsmanagement und -technik an der Hochschule für Technik Berlin und Autor zahlreicher Publikationen zu diesem Themenfeld. Er studierte Psychologie und Betriebswirtschaft (MA) und war als Ausstellungsmacher und Projektmanager mit unterschiedlichen Aufgabenfeldern wie Veranstaltungsleitung, Projektleitung oder Technische Leitung tätig.
Lucas Zimmermann
studierte Visuelle Kommunikation an der Bauhaus Universität Weimar sowie Veranstaltungstechnik und -management an der Berliner Hochschule für Technik. Als studentische Hilfskraft begleitete er die Planung zur Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems und hat darüber auch seine Masterarbeit geschrieben. Er ist derzeit an der Oper Leipzig als Projektleiter damit beauftragt, die Implementierung des Systems zur Zertifizierung zu führen.
Vergleich der Zertifizierungssysteme für Kultureinrichtungen
Zertifizierte Nachhaltigkeit
Damit Kulturbetriebe ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele bis 2030 leisten können, muss der Transformationsprozess ganzheitlich betrachtet werden. Die Oper Leipzig geht hierzu gerade die ersten praktischen Schritte. Doch wie findet man ein passendes Nachhaltigkeits- oder Umweltmanagementsystem für eine Kultureinrichtung?
Themenreihe klimafreundlich
Aachen, Bielefeld, Karlsruhe, München, Wiesbaden, Leipzig. Fünf von derzeit 64 Kommunen in Deutschland haben den Klimanotstand ausgerufen (Kinschner, 2019). Städte mit Spielstätten von überregionaler Bedeutung. Theater, Konzerthäuser, Opern, die von den Kommunen getragen werden. Häuser mit Werkstätten, Ensemble, Lager und einer Vielzahl von Schnittstellen und Berührungspunkten zum örtlichen Gemeinwesen. Sie alle sind aufgefordert, sich zu wesentlichen Veränderungen zu verpflichten, mit bestem Beispiel voranzugehen und vorzuleben, dass die Klimaziele bis 2030 erreicht werden können. Dabei umfassen die Maßnahmen zur CO2-Neutralität z. B. in Leipzig auch das Ziel, die öffentlichen Kultureinrichtungen zu klimaneutralen Betrieben umzugestalten (Stadt Leipzig, 2020).
Vom Leitfaden zum Managementsystem
CO2- oder Gemeinwohlbilanzierungen erfassen jeweils eine Kenngröße, auf die sich das betriebliche Handeln konzentriert. Sollen alle drei Nachhaltigkeitssäulen (Ökologie, Ökonomie und Soziales) berücksichtigt werden, ist eine Bilanzierung kein ausreichendes Instrument für eine messbare, kontinuierliche Verbesserung. Managementsysteme überführen bilanzierte Werte in eine betriebliche Praxis für eine dauerhafte, nachhaltige Integration in alle Organisationsbereiche. Als niederschwelliges Werkzeug einer ökologischen Betriebsführung kann bspw. ein CO2-Audit auf Basis der ISO-Norm 14064-3 für Veranstaltungen erstellt werden, sodass die auditierte Organisation einen Überblick und damit eine Orientierung für potenzielle Maßnahmen an die Hand bekommt. Daneben gibt es auch einige Online-CO2-Rechner, welche jedoch aufgrund teils starker Abweichungen zwischen den zugrunde liegenden Parametern nur eingeschränkt aussagekräftig sind. Speziell für die Kulturbranche gibt es den CO2-Rechner der britischen Wohltätigkeitsorganisation Julie‘s Bicycle, der vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit für Deutschland adaptiert wird.
Mittelfristig werden Kulturorganisationen systematisch die Handlungsfelder, Maßnahmen und Indikatoren erfassen und kontinuierlich verbessern müssen. Dies zeigt sich z. B. in dem Ziel der Bundesregierung, bis 2025 alle Bundesverwaltungen nach dem Eco-Management and Audit Scheme (EMAS) zu zertifizieren (Die Bundesregierung, 2021). Mit dieser Zertifizierung wird ein Kaskadeneffekt eingeleitet, denn nicht nur die eigenen Wertschöpfungsprozesse der Behörden (Scope 1) sind hier zu berücksichtigen, sondern auch die der Lieferant*innen, Dienstleister*innen oder Empfänger*innen von Leistungen (Scope 2). Auch freie Kulturorganisationen, die Zuwendungen erhalten, und kulturelle Eigenbeitriebe müssen sich mittelfristig damit auseinandersetzen, dass Förderung durch die öffentliche Hand unter Einbezug von Nachhaltigkeitsaspekten gesteuert wird. Dies zeigt sich schon jetzt in der ökologischen Soll-Vorschrift der Kulturstiftung des Bundes.
Für Kultureinrichtungen existieren mittlerweile eine Vielzahl an themenspezifischen Leitfäden, die sie bei der Ausgestaltung von Maßnahmen unterstützen. Exemplarisch sind hier zu nennen: das dreiteilige "Theatre Green Book" in der deutschen Fassung der DTHG, der "Kompass für ökologisch nachhaltiges Produzieren im Kulturbereich" der Kulturstiftung des Bundes, der "Sustainable Production Guide" von Julie‘s Bicycle oder der "Eco Rider" Leitfaden des Bundesverbands Freie Darstellende Künste e. V..
Eco-Management and Audit Scheme (EMAS)
Die 1993 verabschiedete "Verordnung Nr. 1836/93 des Rates der Europäischen Union über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung" ist auch unter den Bezeichnungen EWG-Verordnung, EG-Öko-Audit-Verordnung oder EMAS bekannt. Sie ist seit 2009 in der aktuellen Version EMAS III im Gegensatz zu anderen Managementkonzepten ein rechtskräf-tiges Dokument. Das Eco-Management and Audit Scheme (EMAS) erhebt den Anspruch, für alle Unternehmensgrößen und alle Branchen geeignet zu sein.
Die Verteilung der teilnehmenden Organisationen zwischen großen, mittleren und kleinen ist recht ausgewogen. In Bezug auf eine Branchenverteilung sind Kulturbetreibe bei der EMAS weiterhin eine Ausnahme. Im Kulturbereich war 2022 die "Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH" für ihre Liegenschaften und die darin stattfindenden Kulturveranstaltungen nach EMAS zertifiziert. Im Bereich des Darstellenden Spiels hatten das Staatstheater Nürnberg von 1997 bis 2007 sowie das Staatstheater in Augsburg von 2004 bis 2013 ein nach EMAS zertifiziertes Umweltmanagementsystem implementiert. Im Augsburger Staatstheater ist eine Rezertifizierung nach Abschluss der baulichen Sanierung des Hauptgebäudes angedacht. Am Staatstheater Nürnberg zeigt sich eine grundlegende Problematik von vielen Managementsystemen: Sie erfordern Kontinuität. Durch häufige Leitungswechsel sind jedoch Kultureinrichtungen stark von eventuellen Neuausrichtungen der Leitungsebene betroffen, sodass im Zweifelsfall die Umweltzertifizierung verloren geht.
Die Grundstruktur der EMAS umfasst alle systematischen Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem (Ahsen al al., 2015) plus einige zusätzliche Anforderungen. Diese sind insbesondere:
- Kommunikation der Umweltleistung an die Öffentlichkeit
- Einhaltung aller Umweltrechtsvorschriften
- Eine quantifizierbare und messbare ständige Verbesserung der Umweltleistung
- Aktive Einbeziehung der Mitarbeitenden
Die EMAS beinhaltet also vor allem eine Umwelterklärung inkl. einer Beschreibung der Organisation und des Managementsystems, der Darstellung der direkten und indi¬rekten Umweltauswirkungen, einer Benennung der Umweltziele im Zusammenhang mit den primären Umweltaspekten sowie einer Zusammenfassung aller jährlichen Daten in Bezug auf die Umweltleistung und die Umweltwirkung.
Die geforderte Umwelterklärung ist sowohl Vor- als auch Nachteil der EMAS. So hilft der organisationsübergreifende, regelmäßige Vergleich der Umweltleistung, langfristige Verbesserungen sichtbarer zu machen und die Wirksamkeit von Maßnahmen zu beurteilen. Auf der anderen Seite wird der zusätzliche Arbeitsaufwand durch die Umwelterklärung als einer der Hauptgründe gesehen, warum die Anzahl der nach EMAS zertifizierten Organisationen in den letzten zehn Jahren sogar gefallen ist (DIHK, 2022).
Der Arbeitsaufwand wird dabei sehr unterschiedlich eingeschätzt. Während manche Leitfäden von lediglich 15 Arbeitstagen ausgehen, nimmt der Leitfaden für Behörden ca. 160 Arbeitstagen an (Daut et al., 2006). So wurde der Arbeitsaufwand der Implementierung von EMAS durch das Theater Nürnberg in den ersten zwei Jahren sogar als einer Vollzeitstelle entsprechend eingeschätzt. In den darauffolgenden Jahren nahm das Volumen dann stetig ab, bis zu etwa 20 Arbeitsstunden im Monat im letzten Zertifizierungsjahr. Nicht berücksichtigt ist hierbei jedoch die Arbeitszeit von Mitarbeitenden, der der Umwelt-Projektleitung zuarbeiten müssen. Die Implementierung eines Umweltmanagementsystems bedeutet daher in der Regel zunächst eine deutliche Zusatzbelastung der beteiligten Mitarbeitenden.
Ökoprofit
Das "Ökologische Projekt für integrierte Umwelttechnik", kurz ÖKOPROFIT, wurde 1991 von der Stadt Graz entwickelt und 1992 erstmals dort eingeführt. Es hat sich seitdem zunehmend im deutschsprachigen Raum auch außerhalb von Österreich etabliert.
ÖKOPROFIT ist ein kommunal ausgerichteter Ansatz, der die Teilnahme des Trägers voraussetzt. Hierdurch sollen regionale Netzwerke und Arbeitsgruppen geschaffen werden, welche die Zertifizierungskosten senken und die Prozesse vereinfachen. Die so gebildeten Arbeitsgruppen treffen sich während des Zertifizierungszeitraumes in regelmäßigen Workshops. Der Prozess schließt mit einer externen, zwei Jahre gültigen Zertifizierung durch eine*n externe*n ÖKOPROFIT-Gutachter*in ab.
Schwerpunkt von ÖKOPROFIT sind Umwelt- und Ressourcenschutz sowie Energieeffizienz (München, 2018). Durch ökoeffizienzsteigernde Maßnahmen sollen Umweltauswirkungen reduziert und parallel ökonomische Anreize für betriebliches Umweltmanagement geschaffen werden. Neben diesen Gründen hebt sich ÖKOPROFIT vor allem durch seinen Netzwerkcharakter ab. So ergibt der Erfahrungsaustausch auf kommunaler Ebene einige Vorteile. Da viele kommunale Unternehmen die gleiche Infrastruktur teilen, lässt sich durch den Austausch die Nutzung optimieren. Darüber hinaus hat die Teilnahme mehrerer lokaler Organisationen eine größere mediale Gewichtung und ist damit der lokalen Öffentlichkeitsarbeit förderlich.
ÖKOPROFIT ist der Marktführer für niederschwelliges Umweltmanagement. Auch in der Kulturbranche ist die ÖKOPROFIT-Validierung die häufigste Wahl. So haben 23 deutsche Kultureinrichtungen, darunter 17 Theater, mindestens einmal eine ÖKOPROFIT-Zertifizierung erfolgreich durchlaufen. Die Mehrheit der zertifizierten Theater sind dabei öffentliche Theater mit über 250 Mitarbeitenden, mit Häusern wie Münchner Kammerspiele (2004/2005), Kampnagel Hamburg (2005/2006), Theater an der Ruhr (2007/2008) oder Thalia-Theater (2008/2009).
Gemeinwohlbilanz
Die Gemeinwohlbilanz ist ein Bilanzierungswerkzeug, das auf dem Konzept der Gemeinwohlökonomie basiert und 2010 von Christian Felber (2010) vorgestellt wurde. Sie verfolgt das Ziel, das Wirtschaftsmodell hin zu einem gemeinwohlbasierten Modell zu ändern. Die Gemeinwohlbilanz wird seit 2011 durch den Verein für die Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) repräsentiert und weiterentwickelt (Baumast & Pape, 2022).
Zentrales Werkzeug ist eine Matrix, die Stakeholder in Relation zu vier Gemeinwohlwerten setzt. So wird für die Stakeholdergruppen Lieferant*innen, Eigentümer*innen und Finanzpartner*innen, Mitarbeitende, Kund*innen sowie das gesellschaftliche Umfeld jeweils die Umsetzung der Werte Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung überprüft. Die Werte decken dabei soziale und ökologische Bereiche des klassischen Nachhaltigkeitsansatzes ab, orientieren sich aber nicht explizit an diesen. Für jedes der 20 Themenfelder (5 Stakeholdergruppen x 4 Werte) lässt sich eine Maximalpunktzahl von 50 erreichen, wodurch ein Maximalscore von 1.000 Punkten möglich ist. Auf der anderen Seite werden Punkte für dem Gemeinwohl schadende Praktiken abgezogen, sodass die Bilanz in einer Skala von -3.600 (mehr Malusmöglichkeiten als Bonuspunkte!) bis +1.000 Punkte aufgespannt wird.
Die Gemeinwohlbilanz kann entweder selbstständig oder mit der Unterstützung von Gemeinwohl-Beratungspersonen angefertigt werden. Auch ist es möglich, den Prozess in einer Peer-Gruppe zu durchlaufen, wobei vor einer Veröffentlichung der Bilanz eine Peer-Evaluierung oder Auditierung zwingend notwendig ist (Baumast et al., 2019). Im Kulturbereich sind derzeit elf Organisationen zertifiziert worden, wobei auch zwei Theater eine Gemeinwohlbilanz durchgeführt haben: das private Theater Salz und Pfeffer in Nürnberg sowie das Theater in Göttingen.
DIN ISO 20121
Die ISO 20121 für "Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement - Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung" ist eine internationale Norm, die mit dem Ziel entwickelt wurde, die olympischen Spiele 2012 in London möglichst nachhaltig zu gestalten. Dabei erhebt die seit 2013 als DIN ISO 20121:2013-04 ins Deutsche übersetzte Norm den Anspruch, auf Veranstaltungen, Organisation und Veranstaltungsunternehmen jeder Art anwendbar zu sein.
Die Grundstruktur des darauf aufbauenden Managementsystems soll zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung einer Organisation führen. Es werden keine konkreten Anforderungen an zu erreichende Mindeststandards gestellt, sondern lediglich die kontinuierliche Verbesserung vorausgesetzt, was dann gemessen, dokumentiert und geprüft werden muss. Entsprechend gibt die Norm keine Indikatoren vor, sondern leitet Organisationen an, organisationsspezifische Handlungsfelder zu identifizieren und zu bewerten.
Die vorgeschlagenen Handlungsfelder orientieren sich an der ISO 26000, einem branchenübergreifenden internationalen Leitfaden mit sozialem Fokus, sowie dem Sector Supplement für Veranstaltungsorganisationen der GRI. Die Auswahl der Handlungsfelder und die Festlegung konkreter Maßnahmen bleibt im Ermessen der jeweiligen Organisation und bietet eine hohe Flexibilität im Umfang der selbst auferlegten Maßnahmen. Daneben wird eine Anleitung für eine Reifegrad-Matrix bereitgestellt, welche in den Bereichen Integrität, Verantwortung, Transparenz sowie Zukunftsorientierung eine Einordnung in die Stufen minimal, sich verbessernd und eingebunden ermöglicht.
Dabei muss die Auditierung der Norm innerhalb einer Organisation nicht zwingend durch Dritte kontrolliert werden, sondern kann auch durch ein internes (Erstparteien) Audit erfolgen. Da die Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsmaßnahmen maßgeblich von ihrer Transparenz abhängig ist, empfiehlt es sich bei der Durchführung eines internen Audits, die Maßnahmen durch die Publikation eines Nachhaltigkeitsberichts extern zu kommunizieren und überprüfbar zu machen. In Deutschland lässt sich die DIN ISO 20121 durch unterschiedliche Auditierungsdienstleister*innen auch extern zertifizieren.
Vergleich der kultureinrichtungsrelevanten Managementkonzepte
Die vorgestellten Managementkonzepte unterscheiden sich in ihrer Verbreitung in der Kultur stark. Gründe dafür sind vor allem die Verfügbarkeit, der interne Aufwand und der Kostenaufwand für Beratung und Dienstleistungen. Dies spiegelt sich bei der Verteilung auf Organisationen unterschiedlicher Größe.
Da es keine Daten über den internen Implementierungsaufwand gibt, können als Annäherung nur die zu erwartende Implementierungsdauer sowie die Beratungs- und Zertifizierungskosten für eine Organisation mit ca. 200 Mitarbeitenden herangezogen werden. Dabei können die Werte nur als Orientierung und grobe Einordnung des Aufwandes verschiedener Konzeptarten dienen. Während die Implementierungsdauer für ÖKOPROFIT oder die Gemeinwohlbilanz gut erfasst werden kann, ist die Implementierungsdauer für EMAS oder die DIN ISO 20121 stark von den vorhandenen Strukturen abhängig.
Aufgrund der Korrelation zwischen Implementierungsaufwand und Nutzen der einzelnen Systeme empfiehlt es sich für kleine Kultureinrichtungen eher, einen Umweltmanagementansatz in Form von ÖKOPROFIT oder GWB zu wählen. Große Kultureinrichtungen hingegen, die über entsprechend hohe Ressourcen verfügen, sollten eher ein vollwertiges Managementsystem auf Basis von EMAS oder DIN ISO 20121 implementieren, da dies diesen Kulturbetrieben einen höheren Mehrwert bietet.
Wenn die Verantwortlichen rein ökologische Faktoren betrachten möchten, bieten sich Ökoprofit und EMAS an. Die Gemeinwohlbilanz konzentriert sich dagegen primär auf soziale Faktoren, während die DIN ISO 20121 ökologische, soziale und ökonomische Aspekte abdeckt.
Vorgehensweise bei der Umsetzung in der Oper Leipzig
Nach vorbereitender Planung hat mit Saisonbeginn 2022/23 und damit mit Start der Intendanz von Tobias Wolff die praktische Umsetzung der Implementierung der DIN ISO 20121 an der Oper Leipzig begonnen. Geplant ist die Zertifizierung 2024.
Für die Umsetzung eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems in einer Organisation ist die interne Kommunikation von größter Bedeutung, denn eine Umsetzung ist nur möglich, wenn Geschäftsleitung wie Mitarbeitende gleichermaßen von den Zielen, Leitlinien und erforderlichen Maßnahmen überzeugt sind. Die Herausforderungen sind dabei gerade in Kulturbetrieben vielfältig:
- Unterschiedlichen Ansprüche der künstlerischen und technischen Mitarbeitenden
- Konstruktiv-technische oder sicherheitstechnische Notwendigkeiten bei Produktionen
- Abhängigkeiten von Verwaltung und Beschaffungsvorgaben der Träger
- Abgrenzung der Betrachtung (Systemgrenzen)
- Bauliche und denkmalschutzrechtliche Vorgaben
- Wünsche und Ziele der Intendanz
- Unterschiedliche Schwerpunkte und Bedarfe der Abteilungen
Dies verlangt eine frühzeitige koordinierte Kommunikation und Integration der unterschiedlichen Interessen unter Beteiligung der Geschäftsleitung (Intendanz), der Bereichsleitungen (Werkstätten, Kostümwerkstätten, Oper, Musikalische Komödie und Ballett) und Vertreter*innen der Beschäftigten. In mehreren Workshops wurden hierbei an der Oper Leipzig die Handlungsfelder definiert und deren Bedeutung für die Bereiche gewichtet, Ziele definiert und Maßnahmen beschrieben, die als Katalog der Geschäftsleitung übergeben wurde.
Nun werden bis Jahresende folgende Arbeitsschritte vorgenommen:
- Kommunikation intern und extern
- Definition der Leitlinien durch die Geschäftsleistung
- Beschreibung und Bewertung der Chancen und Risiken
- Entwicklung eines Korrektur- und Maßnahmenplans
- Aufbau einer DIN-konformen Dokumentation (Handbuch)
- Formulierung von Bereichszielen
- Definition von Maßnahmen und Indikatoren durch Geschäftsbereiche und Geschäftsleitung
- Erstellung von Checklisten, Beschreibung von Messverfahren und
- Durchführung von Messungen
- Erstellung des Handbuchs
- Interner Audit
- Audit
Für die Umsetzung wurde eine halbe Stelle für eine Nachhaltigkeitskoordination geschaffen, die befristet bis 2024 die Arbeitsschritte und die Umsetzung in den einzelnen Abteillungen moderiert und koordiniert. Die Stelle unterstützt dabei auch Ausstattungsleitung und Verwaltung bei der Umsetzung einzelner Projekte, wie die Einbindung von Materialinitiativen und Kultureinrichtungen in einen Maßnahmenplan für eine Zero-Waste-Ökonomie oder das Transformationsprojekt "Sustainable Costumes", eine Kooperation mit der Isländischen Oper, sowie die Produktion "Mary, Queen of Scots", die im Rahmen des Programms "Zero - Klimaneutrale Kunst- und Kulturprojekte" von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird.
Literatur
- Ahsen, A., Bradersen, U., Loske, A. & Marczian, S. (2015). Umweltmanagementsysteme. In: Kaltschmitt, M. & Schebek, L. (Hrsg.). Umweltbewertung für Ingenieure: Methoden und Verfahren, Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg.
- Baumast, A. & Pape, J. (2022). Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, 2. Aufl., Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer.
- Baumast, A., Pape, J., Weihofen, S. & Wellge, S. (2019). Betriebliche Nachhaltigkeitsleistung messen und steuern: Grundlagen und Praxisbeispiele, Stuttgart: Eugen Ulmer
- Daut, E.-M., Götz, U. & Halling, K. (2006). EMAS-Praxisleitfaden für die Behörde: Umsetzungshilfe für die Einfüh¬rung eines Umweltmanagementsystems nach EMAS in Behörden, Berlin: Umweltbundesamt.
- Die Bundesregierung (2021). Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit -Weiterentwicklung 2021: Nachhaltigkeit konkret im Verwaltungshandeln umsetzen, Berlin: Die Bundesregierung.
- DIHK (2022). Umweltgutachterausschuss/Deutscher Industrie- und Handelskammertag. EMAS Statistik: Auswertungen nach Bundesländern, Zeitreihen, Branchen etc. in Deutschland/EU, Umweltgutachterausschuss, 01.08.2022.
- Felber, C. (2010). Gemeinwohl-Ökonomie. Das alternative Wirtschaftsmodell für Nachhaltigkeit. München: Piper
- Kinschner, J. (2019). Klimanotstand in jedem Rathaus - Klimabündnis Hamm, 14.03.2019.
- München (2018). Referat für Arbeit und Wirtschaft: 20 Jahre ÖKOPROFIT München 2017/2018, München: Landeshauptstadt München, 11.2018,
- Stadt Leipzig (2022). Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand 2020, Leipzig: Stadt Leipzig.
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